22 Die Thüre, die zu dem Arbeitszimmer des Kaisers führte, öffnete sich, Geheimrath v. Borke im Staatskleide erschien anf der Schwelle und gab dem Wawra durch einen Wink zu verstehen, daß er eintreten möge. Schlürfend, um auf deiu glatte» Boden nicht etwa zu falle», näherte sich Wawra der Thüre, behutsam überschritt er die Schwelle und blieb dann mit an- gehaltenem Athem an der Thüre stehen. Kaiser Josef saß an einem Schreibtische und schien in eine Arbeit vertieft zu sei», Geheimrath v. Borke sta»d etwas seitwärts. Einige Secunden verstrichen unter lautloser Stille. Plötzlich richtete Kaiser Josef seinen Blick auf den regungslos an der Thüre stehenden Wawra und fragte lächelnd: „Was ist's denn, erkennt Er uns nicht mehr? Es sind ja keine vier Monate her, wo wir in Seinem Gasthause ,an der Straße' gut gegessen und getrunken haben." Wawra riß Augen und Mund in erschreckender Weise auf. Bald schaute er den Kaiser, bald den Geheimrath an und je länger sein Blick von Einem anf den Andern flog, desto deutlicher malten sich in seinem Gesichte Staunen und Schrecken. „O Du grundheilige Dreieinigkeit!" rief er endlich ans. „Seh' ich denn recht?" „Ja freilich!" sagte Kaiser Josef lächelnd und mit dem Kopfe nickend. „Sie sind's!" kam es plötzlich wie ein Aufschrei aus dem Munde Wawra's. „Ja, wahrhaftig, sie sind's — die beiden Tuchmacher aus Brunn!" Bei diesem Ausruf und im Anblick des über alle Maße» überraschte» Wawra konnte sich Kaiser Josef eines Hellen Auflachens nicht erwehren. „Sieht Er, Wawra," sagte der Kaiser, „damals als.ich in Seinem Hause war und ich zu Ihm sagte, ich bin Tuchmacher, da hätt' Er niir das g'rad' nicht auf's Wort glauben müssen. Doch heut' darf Er mir schon glauben, wenn ich Ihm sage, daß ich der Kaiser bin und dieser Herr der Geheimrath von Borke." „Ja, ist's denn niöglich? Ist's den» möglich? Und mir alten Grankopf sagte keine innere Stimme, welch hohen Gast ich in meinem Hause beherberge?" rief Wawra jammernd und dabei zitterten seine Kniee und seine Zähne klapperten, wie wenn er vom Frost geschüttelt würde. „Na, fasst Er sich nur!" sprach Kaiser Josef begütigend. „Was ist's anch weiter? Eine kleine Ueberraschung, nichts mehr. Wie geht's denn dem Bärbl?" „O, Majestät, kaiserlicher Herr, das Bärbl ist gesund und jetzt auch wieder recht glücklich." „Wodurch?" „Sie ist mit den: Rudi verlobt und so Gott -will, feiern wir noch vor Kath- rein die Hochzeit." „So haben sich die Herzen der Beiden doch wieder gefunden?" „Ja wohl, Majestät. Daß ich wegen Krankheit nicht selbst mit dem Schatze nach Wien konnte —" „Weiß es, Wawra, weiß es. Der Schatz befindet sich in meinen Händen." „Grad' zur Zeit meiner Kränklichkeit war's auch, wo der Rudi angeschossen wurde und zu Bette gebracht werden mußte." „Augeschossen? Wie ging das zu?" „Da kam eines Tages der Mosje Schampeler, der alte Kammerdiener des Grafen Lemonnier zu uns mit einem Briefe, den Rudi auf Befehl des Grafen einem benachbarten Gutsbesitzer überbringen sollte. Der Weg dahin führt durch den gräflichen Forst. Auf dein Rückwege hört Rudi an seinen Ohren eine abgeschossene Kugel vorbeisausen. Bald darauf füllt ein zweiter Schuß- Der Rudi fühlt sich von der Kugel getroffen, läuft aber dennoch weiter, st' rasch er kann. Noch zwei oder drei Schüsse fielen, ohne daß der Rudi noch einmal verletzt worden wäre." „Und wer war es, der auf den Rudi geschossen hat?" „Dieser sagt, als der erste Schuß fiel, habe er sich rasch umgedreht und hinter einem Baumstamm einen Mann mit einer Flinte in der Hand bemerkt. In diesem Manne," sagte Wawra,seineStimmedäm- Pfend, „will Rudi den alten Baron Le- monnier erkannt haben." Des Kaisers Stirne verdüsterte sich Plötzlich. Eine Weile blickte er sinnend Zur Seite, dann forderte er den Wawra auf, weiter zu sprechen. „Rudi erhielt in der Rippengegend einen Streifschuß," |»v* ^ «.^ ,w. »Die Wunde war nicht unbedenklich, wochenlang mußte er das Bett hüten und während dieser Zeit Pflegte ihn das Bärbl — nun und da sprachen sich die Beiden aus und jetzt liebt Einer den Ander'» wie's eigene Leben. Mich freut's, daß ans den Beiden ein Paar wird." Der Kaiser wandle sich nun an den Geheimrath und befahl ihm nachzusehen, ob der Graf schon hier ist" Und lass' Er ihn eintreten, wenn er da sein sollte. Und Er, Wawra, setze Er sich auf den Stuhl, der dort rückwärts steht, Er wird gewiß müde sein." Der Gehsimrath öffnete die Thüre des anstoßenden Saales, alsbald erschien im Arbeitszimmer des Kaisers der alte Graf Lemonnier. „Ich hab' mit Ihm, Graf, ein sehr ernstes Wort zu reden," sagte Kaiser Josef, indem er dem alten Lemonnier einen finstern Blick zuwarf. „Wie Er sich wohl noch erinnern wird, verschied Seine erste Frau im Hause des Gastwirthes Wawra. Diesem übergab sie eine Cassette, welcheWawra einem Onkel der Gräfin, dem Franz von Horovitz übergeben sollte. Dieses Auftrages konnte sich Wawra unmöglich entledigen — die Cassette kam also in meine Hände." Graf Lemonnier zitterte in Erwartung des Kommenden. Sein Gewissen war keineswegs rein, er hatte der Gründe genug, den Zorn des Kaisers zu fürchten. „In der Cassette lag ganz oben ein Brief, geschrieben von der Gräfin und bestimmt für ihren Onkel den fuhr der Alte fort. Herrn von Horovitz," fuhr Kaiser Josef fort. „In diesem Briefe beschwert sich dje Gräfin bitter über dje grausame
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