18 verabschiedete er sich von ihnen in herzlicher Weise und begab sich zu dein vordem Hause stehendeu Wagen. Die Abenddämmerung war bereits angebrochen. Im weiten Umkreise herrschte tiefster Gottesfriede. Das Ave-Maria- gelänte der Klosterkirche zn Hron zog durch die milde klare Luft wie ein leiser Gesang der Seraphins. Kaiser Josef ließ den Wagen langsam fahren, um die feierliche Stille ringsumher nicht durch ein Wagengerassel'zn unterbrechen. Weiter oben stand an der Straße eine uralte niedere Steinsäule, auf der gleichfalls aus Stein sich eine Mater dolorosa mit dem Jesuskinde befand. Vor dieser Mariensaule kniete das Bärbl und betete mit tiefer Inbrunst. Bei dem Herannahen des Wagens, in welchem Kaiser Josef saßs erhob sie sich, um wieder uach Hause zurückznkehren. „Bärbl," rief der Kaiser dem Mädchen zu, „ich wünsche Dir viel Glück znm Ehestände. Ich hoffe, , es wird Dir an der Seite des Grafen Lemonnier recht gut ergehen." „Will mich der Herr vielleicht verspotten?" fragte das Bärbl, indem ihr unwillkürlich die Thränen in die Augen traten. „Gott bewahre! Dn bist nun aber doch einmal die Braut des Grafen —" „Ja," sagte sie kurz. „Geliebt hab' ich aber nur deu Franzl Hochstetter —" „Dieser und der junge Graf sind ja doch eine und dieselbe Person." „Und doch sind sie es nicht, wenigstens nicht in meinen Augen," sagte sie. „Den jungen Graf verachte ich." „Und dennoch willst Dn seine Frau werden?" „Freilich, freilich!" versetzte sie unter erzwungenem Lächeln. - „Ich werd' mir doch die hohe Ehr' nicht abgeh'n lassen, Frau Gräfin zu werden. Ich wünsch' den Herren eine angenehme Reise nud glückliche Rückkehr in die Heimat," sagte sie noch und schritt ernst und sinnend weiter. 2* Kaiser Lotes II. führt den Astug des mährischen Bauern Anton TrnKa in Stowikowih. „Da werde Einer klug aus dem Ge- bahren dieses Mädchens!" sagte sich Kaiser Josef. Und während der Wagen durch die stille Nacht dahiufnhr, beschäftigte er sich sehr ernst mit den Erlebnissen des heutigen Tages. Der nächste Tag war ein. Sonntag. Daß das Bärbl des Pächters Wawra die Gemahlin des jungen Grafen Lc- monnier werden soll, verbreitete sich im Dorfe Hron und in der Umgebung wie ein Lauffeuer. Die Trauung sollte um zwölf Uhr stattfiuden. Aber weit vor dieser Stunde war die Klosterkirche mit Menschen vvtlgefttllt. Aus allen Richtungen waren Leute, herbeigeströmt, um das niedliche Bärbl als Braut zu sehen — als Braut des jungen Gutsherrn. In einem logenartigen Raum seitwärts des Hochaltars saßen Kaiser Josef, Geheimrath v. Borke und der alte Graf Lemonnier. Dieserwar Patron der Klosterkirche nnd dieser Raum, in welchem sich die drei Herren befanden, blieb für den Grafen stets reservirt. Kaiser Josef betrachtete mit Aufmerksamkeit das Innere der Kirche und die in dem Kirchenschiffe anwesende Menschenmenge. Für den weichherzigen, menschenfreundlichen Monarchen mußte der gewaltige Gegensatz zwischen Reichthum nud der bitterste» Noth, der sich seinen Augen in der Hroner Klosterkirche bot, ein unvergeßlicher bleiben. Tief ernst nnd in Gedanken versunken blickte er anf die Armen in dem Kirchenschiffe hinab, bis eine Bewegung unter den Leuten verrieth daß das Brautpaar angekommen sei. Aller Augen richteten sich nach dem Kircheneingange. Die Leute drückten sich aneinander, daß sie kaum zn athmen vermochten, nur damit der Weg in der Mitte des Kirchenschiffes hübsch breit werde. Es war ja der Sohn des Gutsherrn, der da zum Altare schreiten sollte! Nun, da kam er im hocheleganten, blauseidenen silbergestickten Wams, in Kniehosen von weißem Atlas, nnd weiße
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