Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1892

16 17 Entbehrung, Erniedrigung, Strafe auf Strafe. Aendern ließ sich nichts. Es war Kaisers Befehl, da gab es keinen Widerstand. „Mit Ihm, Graf," wandte sich der Kaiser an den alten Lemonnier, „hätte ich auch noch ein Wort zu sprechen bezüglich Seiner ersten Frau." Das Gesicht des Grafen wurde nun plötzlich weiß wie die Wand. „Majestät," stotterte er. „Heute nicht," unterbrach ihn der Kaiser. „Ich werde Ihn nach einiger Zeit schon zu mir bescheiden lassen. Nur das will ich Ihm noch sagen: Daß Er mir ja den Wirth, den alten Wawra, morgen oder übermorgen oder wann er will nach Wien laßt! Mit welchem Rechte hat Er ihm überhaupt untersagt, sich vom Gute zu entfernen? Ihr Herren nehmt Euch gar viel gegen die armen Leute heraus. Nun, das wird bald anders werden. Dann lasse Er es sich auch gesagt sein, daß die Bewohner dieses Hauses von heute an unter Meinem Schutze stehen. Er versteht, was ich damit sagen will. So, und jetzt ruf' Er das Bärbl und dessen Eltern herein, damit Sein Sohn seine Beichte anbringen kann." Einige Augenblicke später betrat die Gaststube das Bärbl, der Wirth und die Wirthin, die beiden Letzteren tief gebückt und voll banger Sorgen. „Was mag nur der Graf hier wollen?" fragten sie sich. „Vielleicht gar, daß er's nicht erlaubt, daß der Franzl das Bärbl heiratet." Sie getrauten sich nicht einmal den Blick zu erheben. Kaiser Josef und v. Borke nahmen wieder Platz an dem Tische am Fenster, dessen Aussicht in den Garten ging, und sie thaten so, wie wenn sie die Anderen in der Stube gar nicht beachten würden. Schwer aufseufzend sagte der alte Graf gegen die Wirthsleute: „Lieber Wawra, dieser junge Mann hier, den Ihr unter dem Namen Franz Hochstetter kennt, ist — mein Sohn, der Graf Erwin Lemonnier." Auf diese Worte folgte minutenlanges' tiefstes Schweigen. Der alte Wawra faßte dann plötzlich mit beiden Händen seinen Kopf und, einen Schritt hastig vortretend, rief er mit unsicherer Stimme: „Wa —, Was sagten Euer Gnaden, Herr Graf? Der Franzl wäre —? „Er ist mein Sohn, Graf Erwin Lemonnier. Es war eine unüberlegte Idee von ihm, daß er sich als Bauernbursche in dieses Haus eingeführt hat." Wieder trat für eine Minute tiefste Stille ein. Das Bärbl schritt dann rasch aus den jungen Mann zu. „Franzl, sprich! Sag's doch rundheraus, daß Du der Franzl Hochstetter bist. Aber, mein Gott," rief sie aus, als sie einen Blick in das verstörte Antlitz des jungen Grafen machte. „Was ist Dir? Du zitterst, Dein Gesicht ist aschfahl. Was soll das bedeuten? Franzl," schrie sie in ihrer Herzensangst auf, „so rede doch!" „Verzeih', Bärbl, daß ich Dich bezüglich meiner Person hintergangen habe," drang es endlich mühsam aus dem Munde des jungen Mannes hervor. „Es ist Wahrheit, ich bin Graf Erwin Lemonnier." Das Bärbl sank mit einem Aufschrei auf einen Stuhl und faßte sich mit beiden Händen aus Herz. „O mein armes Herz!" „Bärbl, es bleibt ja Alles beim Alten," fuhr der junge Mann mit vibri- render Stimme, aus der die helle Angst sprach, fort. „Deine Eltern sind gewiß mit unserer Heirat einverstanden, mein Vater ist es ebenfalls und wenn Du — ,Ja!' — sagst —" „Franzl .— Herr Graf, das ---das hätten Sie mir nicht anthun sollen," sagte Bärbl und bittere Thränen rollten über ihre Wangen. „Bärbl, sag' Du willst die Meine werden und morgen schon feiern wir unsere Vermählung. Mein — mein Vater will es so." Das Bärbl hielt ihre Augen geschlossen und ließ ihren Thränen freien sie sofort den elenden Plan, den man mit ihr Vorhalte, durchschallen und den Heiratsantrag des Grafen mit Verachtung von sich weisen werde. Denn daß dieser Antrag ein erzwungener war, hat sie errathen, das verrieth deutlich die so plötzliche Veränderung ihrer Gesichtszüge. Und dennoch sagte sie ,Jast Ich hielt das Mädchen für klug —'jetzt ist sie mir ein Räthsel .... Nun," rief der Kaiser dem Wirthe zu, „freut Ihr Euch nicht, daß Euere Tochter eine Gräfin wird?" Bei diesen Worten fuhren die beiden Alten wie aus einem bösen Traume in die Höhe. „Herr," sagte endlich der Wirth, „ich glaube, daß ich nicht recht bei Sinnen bin. Dieser Franzl sollte kein Franzl Hochstetter sein, sondern der Sohn des Grafen Lemonnier? Und dieser soll mein Bärbl heiraten?" „Es ist so, wie Ihr sagt, Euere Tochter wird die Gemahlin des jungen Grafen Lemonnier." „Mutter," rief der Wirth seinem Weibe zu, „dann steh' uns Gott bei! Unser Bärbl wird elend werden. Ein Graf und ein schlichtes Landmädchen passen nicht zusammen. Wie lauge wird's dauern, hat er sie satt und sie, wenn sie ihn wirklich liebt, wird sich darüber zu Tode grämen. So 'ungleiche Heiraten haben noch nie ein Glück gebracht. Eine Bauerndirne gehört nicht in das Schloß eines Grafen. Und daß der alte stolze Graf seine Einwilligung gegeben hat! Nein, Mutter, das kommt mir nicht ganz richtig vor." „Ihr braucht ja Euere Tochter ganz einfach dem Grasen nicht zu geben." „Wäre er nicht der Sohn unserer Gutsherrschaft, ich würde ihn zur Thüre hinauswerfen. Aber so - !" Und „Aber so!" seufzte auch die Wirthin und sie und ihr Mann suchten sich jetzt uoch einmal die Ereignisse der letzten Stunden in Erinnerung zn bringen. Ein Weilchen noch plauderte Kaiser Josef mit den beiden guten Alten, dann Lauf. Ein Wort kam nicht über ihre Lippen. „Bärbl, Du mußt Dich noch heute entscheiden, es muß sein. Willst Du Gräfin Lemonnier werden?" Bärbl öffnete langsam ihre Augen und heftete ihren Blick auf das schreckensbleiche Antlitz des jungen Grafen. Was sie in diesen Zügen las, ließ ihr Herz schmerzlich zusammenfahren. Nicht ein Atom voir Liebe war da zu entdecken, nichts wie Angst und Schrecken. Und diese erzwungene Sprache, dieser kalte, säst feindselige Blick! Ihr schauderte vor diesem Blick. Sie schloß wieder die Augen Und gab keine Antwort. „So rede doch!" drängte der Graf. „Sage ,Ja!' und morgen ist die Hochzeit." Das Bärbl schnellte jetzt förmlich von ihrem Stuhle empor, stellte sich knapp vor den jungen Grafen hin und blickte ihm mit einem an ihr ganz ungc- ^ohnten Ausdruck in die Augen. Wohl uoch nie zuvor hat man in dem sanften, stets freundlichen lieben Gesichtchen so diel Strenge und Härte und Eutschlossen- ßkit gesehen wie in diesem Augenblicke. „Ich frage nochmals, willst Du meine Frau werden?" sagte der jungeLemonnier. „Ja, Herr Graf," rief das Bärbl mit lauter und fester Stimme aus, „ich will Ihre Frau werden." Alle in der Stube warfen überrascht den Kopf empor, nur die beiden Le- Uivnnier zuckten zusammen wie wenn das „Ja" des Bärbl für sie ein Todcs- urtheil wäre. . Was jetzt noch in der Gaststube ge- lprochen wurde, war von keiner Be- oentung Die beiden Lemonuier's drückten stch zum Hause hinaus und rasten in ihrem Wagen davon, wie wenn sie ver- lulgt würden. Alsbald verließ auch das Bärbl die Stube und gleich darauf konnte Ulan sie tiefernst und mit gesenktem Haupte langsam die Straße entlang gehen sehen „Das hätte ich nicht erwartet," sagte Kaiser Josef zu dem Geheimrath v Borke. „Ich glaubte, daß, wenu das Mädchen erfährt, wer eigentlich dieser,Franzl' ist,

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