10 11 „Nein. Die Wenigsten in dieser Gegend kennen ihn. Er ist ja so äußerst selten hier." „Also Ihr kennt wirklich den jungen Grafen Lemonnier nicht?" „Nein, Herr, ich kenne ihn nicht, habe ihn nie gesehen. Und wahrlich, ich wünschte mir auch gar nicht, seine Bekanntschaft zu machen. Leute, die an nichts weiter als an schlimme Streiche sinnen, sind Gift für meine Augen." Kaiser Josef stellte sich an ein Fenster und blickte sinnend ins Freie. Der Regen hatte nachgelassen, die Sonne kam wieder zum Vorschein und ein farbenprächtiger Regenbogen umspannte das Himmelszelt. Der Kaiser wandle sich plötzlich vom Fenster ab und richtete an den Wirth die Frage: „Könnt Ihr uns nicht einen Wagen zur Verfügung stellen?" „Herr, nur ein kleines Wägelchen besitze ich. Nebst dem Kutscher könnte nur noch eine einzige Person aufsitzen. Könnt Jhr's brauchen, so will ich vorfahren lassen, der Rudi soll das Gefährt lenken." „Geht, guter Freund, und gebt sofort den diesbezüglichen Auftrag." Der Wirth eilte hinaus, Kaiser Josef und der Geheimrath befanden sich nun allein in der Gaststube. „Lieber Borke," wandle sich der Kaiser an den Geheimralh, „Er ist ja mit dem alten Grafen Lemonnier persönlich bekannt?" „Ja wohl, Majestät, noch von der Zeit her, wo der Graf in Staatsdiensten stand und er mit mir persönlich in Dienstesangelegenheiten zu verkehren hatte." „Das trifft sich gut. Nun fahre Er zu ihm und bringe Er mir den Grafen her. Er kann ihm auch sagen, wer sich hier befindet. Doch außer ihm und seinem Sohn darf hier kein Mensch erfahren, wer eigentlich wir „beiden Tuchmacher" sind. Er versteht mich doch was ich meine. Schärfe Er das dem alten Grafen ja ein. Dieser und sein Sohn nur dürfen wissen, daß es der Kaiser ist, der in diesem Hause weilt, sonst aber Niemand, weder das Bärbl noch dessen Eltern. Unseren Wagen, der wohl schon reparirt sein wird, kann Er gleich mitbringen." Der Wirth trat ein mit der Meldung, daß das Wägelchen bereits vorgefahren sei. Geheimrath v. Borke setzte sich neben den Rudi, gab diesem die Weisung, wohin er fahren soll und fort ging's, so rasch es bei dem durchweichten Boden möglich war. „Der Rudi soll ein gutes Trinkgeld bekommen," bemerkte der Kaiser und winkte freundlich den Wirth wieder zu sich heran. „Nehmt Platz! Und trinkt ein Seitel auf meine Rechnung. Es dürfte noch viel Zeit verstreichen, bis unser Wagen angefahren kommt." „Denen dort dürfte die Zeit gewiß nicht zu lange werden," sagte der Wirth lächelnd, wobei er nach dem schäkernden Liebespaar in dem Gartenhäuschen wies. „Auf mein Bärbl kann ich mich zwar verlassen, gleichwohl aber ist es rathsam, auf ein so junges, verliebtes Volk ein scharfes Augenmerk zu haben." „Gewiß.... doch... was ich sagen wollte," sprach der Kaiser nicht ohne Befangenheit. „Durch Zufall erfuhr ich heute, daß Ihr in Eurem Hause einen bedeutenden Schatz verborgen habt." Tieferschrocken blickte der Wirth seinem Gaste ins Gesicht. Als er sich wieder etwas erholt hatte, fragte er in unheimlich-ängstlichem Tone: „Wer hat Euch das gesagt?" „Jemand, dem es Euer Bärbl verrathen haben soll. Doch braucht Ihr deshalb nicht so zn erschrecken. Ich bin ein ehrlicher Mensch und will mich in Geheimnisse durchaus nicht einschleichen. Schwören wollte ich übrigens darauf, daß Ihr kein unrecht Gut im Hause habt." „Bei Gott, nein!" rief der Wirth aus, seine Hand unwillkürlich wie zumSchwnre erhebend. „Ich trage kein Verlangen nach fremdem Eigenthum." Kaiser Josef nickte zustimmend mit dem Kopfe. „Will es Euch glauben. .Ehrlich währt auch am längsten? — Glaubt mir, Freund, ich bin kein neugieriger Mensch und wenn ich Euch frage, was es für eine Bewandtniß mit dem Schatze hat, geschieht dies ausschließlich, um Euch womöglich in einer Sache mit Rath und That beistehen zu können, wo Ihr selbst Euch vielleicht nicht helfen könnt. Ich bin vermögend und habe angesehene und mächtige Verwandte und Freunde. Ja, einige von diesen bekleiden sogar sehr einflußreiche Stellungen bei Hofe und befinden sich in der unmittelbarsten Nähe des Kaisers." Der Wirth, die Augen weit geöffnet, blickte halb erstaunt, halb mißtrauisch in das Antlitz seines Gastes. Ein Wort kam lange nicht über seine Lippen. Endlich fragte er: „Herr, ist es auch wahr, was Ihr da sagt? Ihr hättet wirklich vornehme und einflußreiche Bekannte bei Hofe?" „Warum sollt' ich Euch eine Unwahrheit sagen?" , „Und wäre es einem dieser ll | einflußreich entzerren möglich, einem ?| armen Teufel eine Audienz bei J unserem Kaiser zu erwirken?" . W „Warum nicht? Ein paarZcilen?|| von meiner Hand an meinen Vetter den Geheimrath v. Borke und er führt Euch sofort zum Kaiser." Der wackere Wawra riß nun auch den Mund auf, faltete die Hände und vor Respect und Hochachtung vor seinem Gaste war sein Körper bis fast auf die Hälfte zusammengeschrumpft. „Da wäre ich ja der schwersten Sorge meines Lebens los," kam es über seine Lippen, in einem Tone, wie wenn er zu sich selbst reden würde. „Dann seid Ihr selbst es also, der Mit dem Kaiser sprechen will? In was für einer Angelegenheit?" „Nun, in Angelegenheit des Schatzes, " flüsterte der Wirth. „Doch," fuhr er mit lauter Stimme fort, indem er sich Plötzlich vom Stuhle erhob, „bevor ich ein Wort weiterrede, müßt Ihr schwören, daß Ihr mit Hilfe Eurer Bekannten bei Hofe eine Audienz bei dem Kaiser erwirkt. Ich sehe Euch heute zum ersten Male, doch setze ich so viel Vertrauen in Euer ehrliches Gesicht, um zu glauben, daß Eure Worte Wahrheit sind." „Ihr dürft Euch auf mein Versprechen verlassen." Der Wirth starrte zur Erde nieder, sann lange, lange nach, dann sagte er sich: „Was kann es mir schaden, wenn ich spreche?" Und laut hub er an: „Nun, hört nur! Was ich Euch über den Schatz erzählen kann, ist bald gesagt. Seht, Herr, bald sind's dreiundzwanzig Jahre, als in einer stockfinsteren stürmischen Nacht, zu einer Stunde, da schon Alles im Hause schlief, an das Fenster meiner Wohnstube heftig geklopft wurde. Und eine Stimme, der der Athem auszugehen schien, rief: ,Wawra, öffnet um Gotteswillen! Ich bin es, die Gräfin Lemonnier st Ich eile hinaus, öffne das Hausthor und hereinwankt eine Frauengestalt mit aufgelösten Haaren, schreckensbleich im Antlitz und nur nothdürftig bekleidet. Einen mit einem Tuche eingehüllten Gegenstand hielt sie krampfhaft an ihre Brust gedrückt. Ich glaubte Anfangs, es sei ein kleines Kind. Wankend, von mir nach Möglichkeit gestützt, erreichte sie d'e
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