8 Der Wirth warf wieder einen Blick nach dem Gartenhause, in dem das Bärbl und ihr „Franz!" miteinander schäkerten, dann sagte er mit gedämpfter Stimme: „Daran ist das Bärbl schuld. Die hat es dem Rudi angethan. Und weiß Gott, es schien, daß sie dem Rudi auch gut sei. Ich habe mich bereits mit dem Gedanken befreundet, aus den Beiden ein Paar zu machen — da kommt eines Tages — es war vor etwa zwei Monaten — der Franzl Hochstetter daher und seitdem ist's aus und g'scheh'n. Sie denkt nur mehr an den Franzl, spricht nur vom Franzl und für den armen Rudi, der sich zu Tode abhärmt, hat sie nichts wie einen mitleidigen Blick." „Also lieben sich die Beiden sehr, ich meine, das Bärbl und der Franzl?" „Ich glaub', es müßt' Eins ohne den Andern sterben." Kaiser Josef blickte auf unverfängliche Weise nach dem Gartenhause, wie er schon des Oefteren gethan, dann, nach kurzem Sinnen, fragte er den Wirth: „Selbstverständlich, daß Ihr die Familie und die Verhältnisse Eures zukünftigen Tochtermannes genau kennt?" „Na, dort war ich noch nicht, mir fehlt's eben an Zeit. Vor vierzehn Tagen jedoch war der Vater des Franzl bei mir und sagte, die Hochzeit könne stattfinden, je eher, je lieber. Der Franzl bekomme vorläufig ein Bauerngut im Werthe von 20.000 Gulden. Weiteres folgt später." „Und seid Ihr auch überzeugt, daß der Mann, der vor vierzehn Tagen bei Euch war, auch wirklich der Vater dieses — dieses Franzl ist?" Der biedere, vertrauensselige Wirth, der glaubte, Jedermann sei so rechtschaffen wie er selbst, machte die allergrößten Augen. „Ja," rief er endlich, „wer sottt's denn gewesen sein? Hat er selbst doch zu mir gesagt, er sei der alte Hochstetter und der Vater des Franzl." Die bleichen Wangen des Kaisers färbten sich, sein Blick wurde finster. Geheimrath v. Borke errieth, was im Innern seines Herrn vorging Eine solche Schurkerei, wie sie dieser junge Graf Lemonnier ins Werk setzte, mußte den edlen Monarchen mit dem größten Unwillen erfüllen. „Und Ihr habt wohl zu diesem FranzlHochstetter dasgrößteVertrauen?" fragte Kaiser Josef den Wirth, indem er diesem mit Schärfe in dessen treuherziges Antlitz sah. „Warum sollt' ich es nicht haben?" versetzte Wavra. „Ich hab' bis jetzt nichts Schlechtes über den Franzl gehört, er ist reicher Leute Kind, sonst recht anständig, ein hübscher Bursche ist er auch und daß er mein Bärble liebt, lese ich ihm von den Augen ab, wenn er mein Mädl ansieht. Ich glaub' fest, daß er mein einziges Kind glücklich machen wird." „Soll ich diesem arglosen leichtgläubigen Manne schon jetzt die Schuppen von den Augen nehmen?" fragte sich Kaiser Josef. „Doch nein, der junge Fant soll es selber thun. Erst muß ich noch erfahren, was es für ein Bewandt- niß mit dem Schatze hat, den der Wirth in Aufbewahrung haben soll." „Sagt mir doch, ist es weit von hier bis zu dem Schlosse des Grafen Lemonnier?" Bei dieser Frage des Kaisers warf der Wirth wie erschrocken seinen Blick empor. „Wollt Ihr vielleicht mit dem Grafen sprechen?" „Ach nein. Es ist nur eine müßige Frage, an deren Beantwortung mir auch nicht viel liegt. Uebrigens, so viel mir bekannt ist, gar weit von hier entfernt kann es nicht sein." „Gewiß nicht. Wie Ihr vorhin sagtet, ließet Ihr Euren Wagen in der zweiten Poststation von-hier. Nun, von dieser Station aus bis zum Schlosse des Grafen ist's kaum eine halbe Stunde. Ihr könnt das Schloß schon von der Straße aus sehen." „Ob denn der alte Graf jetzt auf seinem Gute ist?" „Glaub' schon. Es ist gerade die Zeit, wo die Pachtgelder abgeliefert werden müssen und da ist er stets im Schlosse anzutresien, um das Geld in Empfang zu nehmen und darauf zu sehen, daß kein Kreuzer fehlt. Ich für meine Person gehe sehr ungerne in das Schloß." „Das will ich Euch aufs Wort glauben," sagte der Kaiser lächelnd. „Graf Lemonnier wird wohl recht strenge sein?" Der Wirth blickte sich ängstlich nach allen Seiten um. „Man spricht eben nicht gerne von seiner Gutsherrschaft. Mitunter haben auch die Wände Ohren," sagte er. Und im Flüstertöne fügte er hinzu: „Hartherzig, ja grausam ist er. Namentlich in der letzteren Zeit können wir ihm nicht genug Geld abliefern. Daran ist sein Sohn schuld." „Also hat er einen Sohn?" „Einen einzigen, dessen Mutter starb, als der Knabe zwei Jahre alt war. Halb erwachsen, kam er zu Verwandten, und l'ei diesen verweilt er fast immerfort, ^ommt er ja nach Monaten einmal in das Schloß seines Vaters, der seit dem Dode seiner Frau als Witwer lebt, schickt ihn dieser nach kurzer Zeit auch schon wieder fort." 9 „Und weshalb?" Der Wirth schaute wieder ängstlich um sich, dann sprach er flüsternd: „Zu den Herren, die nicht aus dieser Gegend sind und vielleicht morgen schon meilenweit von hier entfernt sein werden, kann ich ja wohl ein offenes Wort sprechen. Warum der Vater den Sohn immer gleich wieder fortschickt? Weil der junge Graf ein Tunichtgut ist, ein Verschwender, ein Mensch, der nichts lernen und nichts arbeiten will. Der Vater muß seinen einzigen Sohn nichts weniger als, lieb haben, sonst würde er ihn gewiß bei sich und unter strengster Aufsicht halten. Anstatt dessen aber schickt er das ihm mißliebige Söhnchen, um es nicht lange um sich zu haben, zu den Tanten oder gar auf Reisen, was dem jungen Lebemann keineswegs unangenehm sein soll. Jetzt seit einiger Zeit soll sich der junge Graf wieder im Schlosse aufhalten." „Habt Ihr ihn gesehen?" „Nein. Von einem Schloßbediensteten hörte ich, daß der junge Graf wieder bei seinem Vater ist." „Aber Ihr kennt doch den jungen Grasen?"
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