Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1892

122 123 üblichen Fensterln abermals ein Opfer, leider nicht das erste und gewiß noch nicht das letzte. Das Diurnisten-Elend hat in allen Kreisen der Bevölkerung stets warmes Mitgefühl hervorgerufen, doch scheiterten alle Versuche, den Parias der Beamtenschaft eine menschenwürdige Existenz zu schaffen, an der Behauptung der Ministerien, hiezu nicht die nöthigen Mittel zn besitzen. Um die brennende Frage endlich einer Lösung zuzuführen, stellte der Abgeordnete des Jndustriebezirkes Steyr- Kirchdorf, Herr A u g u st E d l b a ch e r, am 13. Juli im hohen Abgeordnetenhaus nachstehenden Resolutionsantrag^ „Die hohe k. k. Regierung wird aufgefordert, theils im eigenen Wirkungskreise, theils durch eine mit Beginn des nächsten Sessionsabschnittes einzubringende Gesetzesvorlage zu veranlassen: 1) Daß die bei landesfürstlichen Aemtern bediensteten Diur- nisten gleich den ausgedienten k. k. Unter- officieren nach einem gewissen Turnus definitive Kanzleibeamtenstellen erlangen, daß die Entlohnung der Diurnisten durch den Preisen der Lebensbedürfnisse entsprechende Erhöhung der Taggelder geregelt, der Titel ,Diurnist' beseitiget, eine Alters- und Krankenversorgung für dieselben geschaffen und eine Kündigungsfrist bei begründeter Auflösung des Dienstverhältnisses normirt werde, und 2) daß die Gehalte der k. k. Gerichtsdiener, Amtsdiener, Gefangenaufseher, sowie aller in den landesfürstlichen Aemtern angestellten Diener ausreichend erhöht und die Bezüge der hinterlassenen Witwen derselben entsprechend aufgebcssert werden." — Der Nesolutionsantrag wurde vom Abgeordnetenhause angenommen und so ist zn erwarten, daß die Lage der Diurnisten einigermaßen erleichtert werden wird. Der Gewcrbeverein des Jndustriebezirkes Steyr machte am 13. und 14. Juli unter der Führung seines Vorstandes Herrn Franz Lang einen Ausflug nach Donawitz zur Besichtigung der dortigen Werke der österreichischen alpinen Montangesellschaft, der alle Theilnehmer im vollsten Maße befriedigte. Vor Schluß des Schuljahres ernannte der Unterrichtsminister die bisherigen Supplenten: Herrn A n t o n D o l e s ch a l von der Communal- Nealschule in Leitmeritz und Herrn Johann Nippel von der Staatsrealschule in Olmütz zu wirklichen Lehrern an der Staats real- schnle in Steyr. Während eines heftigen Gewitters, das sich am 17. Juli über Aschach, Sierning und Pichlern entlud, schlug der Blitz in das sog. Klein-Schreinergut in Aschach a. d. Steyr ein und setzte es in Flammen, die es auch vollständig verzehrten. Ein besonderes musikalisches Ereigniß brächte das 41 Stiftungsfest der „Steyrcr Liedertafel", indem bei dem Festconcerte desselben am 19. Juli im Casino die Regimentscapelle des 16. kgl. bayerischen Infanterie-Regiments, welche auf einer Concert-Tournee in Oesterreich begriffen war, für die Orchester-Nummern engagirt worden war. Die Vorträge derselben unter persönlicher Leitung des Capellmeisters Herrn B. Pöll erzielten so lebhaften Beifall des zahlreich erschienenen Publicums, daß die Musikcapelle auch am nächsten Tage mit gleichem Erfolge ein Concert im Casinogarten geben konnte. Die eigenartige Jnstrumentirung und großartige Schulung der aus durchwegs tüchtigen Musikern bestehenden Capelle erregten lebhaftes und berechtigtes Interesse, umsomehr, als es wohl das erstemal war, daß in Steyr eine Militär- Capelle Deutschlands gehört wurde. Nachdem die G e m e i n d e r a t h s w a h l e n in Sierning ein von den früheren vollkommen verschiedenes Resultat ergeben hatten, fand am 19. Juli die.Wahl des Bürgermeisters statt, bei welcher Herr I o s e f W e g- scheider, Bräuereibesitzer in Sierninghofen, einstimmig zum Bürgermeister gewählt wurde. Als 1. Gemeinderath wurde Herr Josef Wittmann, Kaufmann in Sierning, und als weitere Gemeinderäthe die Herren I. Seiser, Leinwandhändler, Josef Mayr- hofer, Gastwirth, Franz Arbeithuber, Bauerngutsbesitzer, GeorgKainrad, Bauer, sämmtliche in Sierning, und Herr Josef Radmoser, Messerfabrikant in Neuzeug, gewählt. Der Verwaltungsrath der österreichischen Waffenfabrik ernannte den seit vielen Jahren im Objecte VII thätigen Herrn Franz Braun zum Werkmeister in demselben Objecte. Die Messerer- Genossenschaft Sicr- ninghofen-Neuzeug beging am 26. Juli das seltene Fest, daß der Messerermeister Herr Wolfgang Winter, nachdem er das Messerer- handwerk durch 50 Jahre ehrbar betrieben hatte, das zWeitemal „zum Meister gesprochen" wurde. Ganz Neuzeug und Sierninghofen beging die Feier in erhebender Weise und die Genossenschaft mit dem Vorstände Herrn Pils an der Spitze, wie die ganze Bevölkerung der beiden industriefleißigen Orte war bestrebt, dem Jubilar herzliche und aufrichtige Ovationen zu bereiten. Am 29. Juli erregte eine Explosion am Grünmarkte große Aufregung. Das Haus Nr. 20 am Grünmarkt ist Eigenthum des Kaufmannes Herrn Paul Peterson, der den Keller in seinem Hause als Magazin benützt. Am genannten Tage Nachmittags 2 Uhr war der Chef des Geschäftes mit seinem Personale im Keller mit der Inventur beschäftigt, wobei eine Flasche Benzin zerbrach. Die im Keller Beschäftigten verließen denselben und öffneten Thüre und Kelleröffnnngen, um das Benzin verflüchtigen zu lassen. Nach zweistündigem Offenlassen des Kellers versuchte Herr Paul Peterson mit dem Commis Jgnaz Bach, dem Praktikanten Carl Crammer und dem Hausknecht Michael Lukasch in den Keller zu gelangen, um die Inventur fortzusetzen. Im finsteren Keller hörte Herr Peterson das Geräusch, Wie einer der im Keller Befindlichen ein Streichholzschachterl öffnete, und rief laut „kein Licht anzünden"; im selben Momente entflammte das Streichhölzchen und die noch nicht entwichenen Gase entzündeten sich, und es erfolgte mit einem entsetzlichen Knall eine furchtbare Explosion, welche die vier im Keller Befindlichen in ein Flammenmeer hüllte. In Folge der Explosion wurden die Fenster und Thüren im Hanse zertrümmert und die Brun- nenverschaluug in Stücke zerrissen. Die im Keller beschäftigt Gewesenen liefen mit lichterloh brennenden Kleidern in das an der Ecke der Schmiedstiege und des Grünmarktes gelegene Verkanfslocale, wo die Flammen unterdrückt wurden, doch erlitten alle vier schreckliche Brandwunden, die ihr Leben lange Zeit gefährdeten, indeß wurden sie alle durch die Kunst der Aerzte gerettet. Auch die während der Explosion beim Brunnen beschäftigte Arbeitersfrau David erlitt durch die bei der Kelleröffnnng herausschlagenden Flammen ziemlich bedeutende Brandwunden. Die städtische Freiwillige Feuerwehr hatte unter dem Com- mando des Train-Commandanten Herrn Franz Vogt die Oeffnungen des Kellers schleunigst vermauert, so daß das Feuer erstickt wurde und an den Waaren-Vorräthen weiter keinen nennenswerlhen Schaden anrichtete. Den Bemühungen des Ausschusses der städtischen Freiwilligen Feuerwehr war es Dank der Opferwilligkeit der Gemeinde-Vertretung und mehrerer Gönner gelungen, eine zweite Dampfspritze anzuschaffen. Dieselbe ist eine Dreicylinderspritze, Größe I, und stammt aus der Fabrik der Firma W. Knau st in Wien. Die Direction der österreichischen Waffenfabrik räumte zur Unterbringung der Dampfspritze in zuvorkommender Weise ein Locale am Wehrgraben ein, unmittelbar neben der neuen Straße über die bucklige Wiese zur Sieruingerstraße. — Am 1. August fand die Uebernahmsprobe statt, welche sehr gut ausfiel. Am3.August verschied in Kirchdorf der langjährige, verdienstvolle Bürgermeister und Sparcassedirector Herr Wilhelm Nedten- bacher, Gasthaus- und Realitäteubesitzer, an Gehirnödem. Seit dem Jahre 1876 stand er an der Spitze des Gemeinwesens Kirchdorf und bethätigte seine Energie und Arbeitskraft namentlich nach dem großen Brande im Jahre 1877, bei der Ueberschwemmung i. I. 1878, während er sich mit dem Baue des neuen RathhauseS ein ewiges Denkmal setzte. Als Obmann des Ortsschulrathes durch 15 Jahre setzte er die Vergrößerung der Volksschule durch, sorgte als langjähriger Obercommandant der Feuerwehr für die Verbesserung des Feuerlöschwesens, während er durch Mitgründung des Musik- vereines sein lebhaftes Interesse an der Kunst verrieth. Begreiflicher Weise- wurde das Hinscheiden dieses echten deutschen Mannes in weitesten Kreisen schmerzlichst empfunden. An Stelle des in den Ruhestand getretenen Herrn Oberpostverwalters Peter Vogl war der Postcontrolor Herr Gustav Marx zur Leitung der Geschäfte nach Steyr berufen worden. Mit Erlaß des Handelsministeriums wurde Herr Gustav Maix zum Oberpostverwalter beim k. k. Postamte Steyr ernannt. Bei der am 6. August in Ternberg statt- gehabten Wahl des Gemeinde-Vorstandes wurde Herr Alois Au er zum a ch t e n m a l e zum Bürgermeister einstimmig wiedergewählt. Zu Gemeinderäthen wurden gewählt die Herren: Leopold Molterer, Johann Stübinger und Josef Großholzer. In Bad Hall starb am 9. August der allgemein geachtete und bekannte Herr Alois Meßner, gewesener Sattlermeister und Hausbesitzer, in seinem 75. Lebensjahre. Er gehörte seinerzeit durch mehrere Jahre dem Gemeinde- rathe au und nahm an den öffentlichen Angelegenheiten des Badeortes den regsten Antheil, wodurch er sich in der Bürgerschaft desselben ein- bleibendes ehrendes Andenken schuf.. Bei dem Baue der Strecke Pergern- B a d H a l l der Steyrthalbahn siel am 10. August einem itu lienischen Arbeiter in der Nähe der neuen Brücke über die Steyr ein schwerer Stein auf die Brust, wodurch er so schwere Verletzungen erlitt, daß er bald darauf starb. Die Requisiten der Freiwilligen Feuerwehr in Sierning wurden durch eine neue Schubleiter aus der Fabrik der Firma C. D. Magirus in Ulm vermehrt, welche am 10. August in Sierning übernommen wurde. Die Erwerbung dieser Leiter, welche nach einem ganz neuen Systeme erbaut ist, welches bisher rn Oberösterreich das erstemal in Verwendung kommt, ist ein Verdienst des Commandanten der Sierninger Feuerwehr, dessen Thätigkeit an der Spitze eines rührigen Comitös es ge- lang, dte Kosten von 500 fl. aufzubringen. Nachdem der Gemeinderath der Stadt Steyr feine Bereitwilligkeit zur Ueberlassung erneS Grundes für den Bau einer Turn- Principe ausgesprochen hatte, con- Ihtimtc sich unter dem Vorsitze des Vorstandes des Turnvereines Herrn Dr. Julius Seidl lu\^n^ z"r Aufbringung eines Bau- sonds für dieselbe aus allen Kreisen der Be- volkerung. An die Spitze der Subscription stellte sich die österreichische Waffenfabriks. Gesellschaft mit einem Betrage von 2000 fl. und die Spenden laufen in so erfreulicher

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