Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1892

120 Turnvereines in Steyr unter der Leitung des Turnlehrers Herrn August Picht er. Die Vorstellungen, an welchen sich Herren und Damen aus den ersten Kreisen der Bevölkerung von Steyr betheiligt hatten, lieferte das sehr befriedigende Ergebniß von 306 fl. 63 kr. Vom Schwurgerichte Steyr wurde am 8. Juni Francisca Kirchgraber, welche am 2. Februar ihren achtjährigen Knaben bei Windischgarsten in den Dambach gestoßen und dadurch meuchlerisch umgebracht hatte, nach einem vollständigen Geständnisse zum Tode durch deu Strang vernrtheilt. Nachdem die Wiederwahl des Herrn Johann Berger zum Bürgermeister vou Steyr von Sr. Majestät dem Kaiser bestätigt worden war, wurde am 9. Juni die feierliche Beeidigung durch den Herrn k. k. Statthalter Victor Freiherrn von P n t h o n selbst vorgenommen. Die Stadt war aus diesem Anlässe festlich beflaggt und wurde die Feier durch ein Hochamt eingeleitet, bei welchem das uniformirle, bewaffnete Bürgercorps von Steyr die militärischen Ehrenbezeigungen leistete. Nach dem Hochamte wurde die feierliche Beeidigung im Nathssaale vorgenommen, an deren Schlüsse das Bürgercorps dem Herrn Bürgermeister das Diplom als Ehrenoberst des Corps überreichte. Um 12 Uhr fand tut Hotel „Steyrerhos" ein Festdiner statt, bei welchem die Bürgercorps -Capelle concertirte. Nachmittags besuchte der.Herr Statthalter die k. k. Staatsrealschule und kehrte mit dem Abendzuge wieder nach Linz zurück. Der Steyr- und Kremsthaler Sünger- Ganverbaud begiug das G a u f e st am 14. Juni in Leoustein und Moll«. Vormittags wurde in Herrn Wechts Gasthause in Leonstein die General-Versammlung abge- halten, bei welcher Neuhofen als nächster Festort in Aussicht genommen wurde. Mittags wurden die Delegirten vou dem Obmanne des Festausschusses Herrn Christof Pießlinger und dem Comitämitgliede Herrn Franz Schweiger abgeholt und per Wagen nach Mollu geführt, wo das Festdiner stattfand. Nachmittags kam das Gros der Sänger und Festgäste aus Steyr, Bad Hall, Kirchdorf, Sierninghofen und Grünburg uach Mollu und begab sich sofort auf deu Festplatz im Bräuhausgarten des Herrn Auböck zum Concerte. Nach demselben fuhren die Theilnehmer am Feste mit der Steyrthalbahn uach Hause, während rings zum Abschiede die Höhen beleuchtet waren. Der Friedhof der Stadt Steyr erwies sich bei dem raschen Anwachsen der Bevölkerung als zu klein und es waren seit Längerem mit den betheiligten Factoren Verhandlungen im Zuge, um eine Erweiterung desselben vor- uehmen zu können. Nachdem diese Verhandlungen zu einem Uebereinkommen geführt hatten, wurde am 16. Juni die Localaugenscheius-Commission abgehalten, bei der die Erweiterung gegen Osten zu, in zwei Abtheilungen, mit Mauer-Einfriedung in Aussicht genommen wurde. Längs der alten und neuen Einfriedungsmauer gegen Nordosten zu wurde die Erbauung eines gedeckten Arcadenganges projectirt, welcher zur fallweisen Aufnahme von Familien-Grüften nach dem Wiener Normale dienen soll, wobei jedoch darauf Rücksicht zu nehmen ist, daß die in Aussicht genommene Gruft für den verstorbenen General- Director Herrn Josef Werndl mit dem Arcaden- baue in geeignete architektonische Verbindung gebracht werde. Die beiden hochw. Pfarrer, als Vertreter der beiden Pfarrämter in Steyr, welche Eigenthümer des Friedhofes sind, erklärten sich hiemit einverstanden und so wurde im Laufe des Sommers die Einfriedung des neuen Friedhofraumes vorgenommen. Der langjährige Vorstand der Messe r e r - G e n o s s e n s ch a f t in N e u z e u g, Herr Franz Peßl, sah sich schon längst veranlaßt, diese Stelle nicht mehr anzunehmen, hatte jedoch immer dem Andrängen der Genossenschaftsmitglieder nachgegeben und sie wieder übernommen. Bei der am 2L Juni stattge- fundenen Neuwahl lehnte er jedoch jede Wiederwahl entschieden ab und wurde daher Herr Franz Pils, Messerermeister, zum G e- nossenschafts - Vorstande gewählt. Mit Allerh. Entschließung vom 24. Juni wurde die durch den Tod des Herrn Josef Berger erledigte Dircctorstellc an der k. k. Staatörealschule in Steyr dem bisherigen Professor an der Staatsrealschule in Klagen- furt, Herrn Edmund A e l s ch k e r, Besitzer des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone, verliehen. Am 27. Juni brannte das Haus des Jacob Trenzinger zu Pich lern Nr. 43, Gemeinde Sierning, nieder. Der Brand soll durch einen Knaben verursacht worden sein. Die neue Marie-Valerie-Straße entwickelte sich immer schöner, da zur linken Seite derselben, von der Stadt aus, eine Reihe iteuer, sehr schöner, geschmackvoller Villen entstand und die zur rechten Seite derselben gelegenen Häuser dem Villeucharakter entsprechend umgebaut wurden. Um eine bequemere Verbindung mit der Stadt herzustellen, beschloß der Gemeinderath in der Sitzung am 26. Juni die Herstellung einer Straße, welche die Marie-Valerie-Straße mit der Sarningstraße verbinden soll, und votirte für die Herstelluug derselben 1800 fl. Auch wurde die Verlängerung der Gasleitung in der Marie-Valerie-Straße beschlossen. In den Tagen des 28. und 29. Juni unternahm die „Steyrer Liedertafel" eine Sänger fahrt nach Pas sau, wo sie in großartiger und ehrender Weise empfangen und ausgenommen wurde. Auch während der Fahrt sowohl per Bahn nach, als per Schiff von Passau war die Liedertafel in allen Stationen, deren Orte Gesangvereine beherbergen, Gegenstand schmeichelhafter Ovation. — Der Männergesangverein „Kränzchen" machte in diesen Tagen einen gleichfalls sehr gelungenen Ausflug nach Weyer, und der Arbeiter-Sängerbund „Stahlklang" einen ebensolchen nach Eisenerz. Der Brigadier der 6. Brigade, Herr Generalmajor Otto R. v. Pohl, welcher Brigade auch das in Steyr stationirte 3. k. u. k. Feldjäger-Bataillon angehört, inspicirte am 30. Juni und 1. Juli das Bataillon und kehrte am 2. Juli wieder nach Salzburg, dem Sitze des Brigade -Commandos, zurück. Mit dem 1. Juli wurde der k. k. Ober- Postverwalter Herr Peter Vogl nach mehr als vierzigjähriger Dienstzeit auf sein eigenes Ansuchen in den bleibenden Ruhestand versetzt und zur selben Zeit vom oberösterreichisch-'n Laudesschulrathe die wegen Kränklichkeit erbetene Pensionirung des Schulleiters der Mädchenschule in der Berggasse, Herrn Wenzel Salz er, bewilligt. Am 1. Juli begann die Firma E. G ä r t n e r aus Graz die Arbeiten zur Fundirung und Erbauung des Pfeilers und der Widerlager für die neue obere EnnSbrücke, Neu thor- brücke, welche sofort abgebrochen wurde, wetz- halb der Verkehr über dieselbe eingestellt werden mnsste. Später wurde die Verbindung der Schönau mit der Stadt für Fußgeher durch den Bau eines hölzernen Nothsteges hergestellt. Von demselben Tage an ging die Apotheke „Zum heiligen Geist" in Steyr- dorf durch Kauf aus dem Besitze des Herrn Carl Arazim in den des Herrn Heinrich Lang aus Wien über. Der Gendarmerie - Bezirks - Wachtmeister Herr Johann Namharter hatte wegen eines Fußleidens um die Versetzung in den bleibenden Ruhestand nachgesncht und wurde bis zur Bewilligung desselben beurlaubt. — Sein Nachfolger, Herr Georg Trauner aus Linz, traf am 3. Juli an seiner Statt in Steyr ein und übernahm die Geschäfte seines Vorgängers. Se. Excellenz der Herr Unterrichts- Minister Freiherr von G a u t s ch traf am 4. Juli mit seiner Familie in Bad Hall zum Curgebranche ein und nahm in der Villa „Bellevne" des Herrn Windisch Wohnung. Am 4. Juli wurde die neue Haltestelle „Leoustein" der Steyrthalbahn mit einer internen Feier in Herrn Josef Wecht's Gasthause in Leonstein eröffnet und sogleich dem Verkehre übergcben. Die Glaserermeisters-Witwe Frau Elise Weichselbaum er starb am 5. Juli und hatte das Armen institul in Steyr zum Erben ihres Nachlasses eingesetzt, welcher nach 121 Abzug einiger Legate noch circa 4000 fl. betrug. Ueber eigenes Ansuchen wurde der k. k. Bezirkshauptmann von Kirchdorf Herr Carl August Hacker in den bleibenden Ruhestand versetzt und ihm aus diesem Anlässe in Anerkennung seiner vieljährigen, treuen und ersprießlichen Dienstleistung mit allerhöchster Entschließung vom 7. Juli das Ritterkreuz des Franz Josef-Ordens verliehen. An seine Stelle wurde der k. k. Bezirkshaupt- mann Herr Hugo Freiherr Conrad von Eybesfeld von Tamsweg nach Kirchdorf versetzt. - Der Reichsraths - Abgeordnete des Jn- dustriebezirkes Steyr-Kirchdorf August Edl- bacher brächte am 8. Juli in Angelegenheit der Hilfsaction für die Messerindu- strie folgende Resolution ein: „Die hohe k. k. Regierung werde aufgefordert, zum Zwecke der Hebung der Messer-Industrie in den politischen Bezirken Steyr und Kirchdorf in Oberösterreich, beziehungsweise zur Herstellung neuer Schleifanlagen und Maschinen rc. einen Betrag von 25.000 fl. ö. W. aus Staatsmitteln zu widmen, und sei dieser Betrag in den Staatsvoranschlag pro 1892 einzustellen." Nach warmer Befürwortung durch den Herrn Abgeordneten wurde diese Resolution vom Abgeordnetenhause angenommen. Der ehemalige päpstliche Capitän und Besitzer des Lederhubergutes in Lausa bei Losenstein Herr Emerich Kupfer, eine in weiten Kreisen bekannte Persönlichkeit, starb am 12. Juli im 59. Lebensjahre. Am 12. Juli stürzte sich der Binder- geselle Ferdinand Grein er beim Object IX der österreichischen Waffenfabrik in selbstmörderischer Absicht in die Steyr und fand in den hochgehenden Wellen derselben den Tod. In der Nacht des 12. Juli ging der 18 jährige F r a n z M a r k g r a b e r in S ch a ch a- d o r f zu der im selben Orte wohnenden Bauerstochter Clara Primersberger fensterln und setzte sich vor dem Fenster derselben auf ein Adel- fall» Da tauchte plötzlich ein Mann aus dem Dunkel der Nacht auf und versetzte ihm mit einem Holzprügel mehrere Hiebe auf den Kopf, so daß Markgraber vom Fasse fiel. Er schleppte uch ln seine, eine halbe Stunde entfernte Wohnung, legte sich in sein Bett, wo man ihn Morgens todt fand. Die Schädeldecke war ihm eingeschlagen worden und an den Folgen der Gehirnerschütterung war er verschieden. Als Thäter wurden die Bauerssöhne Johann und Josef Mahr vom Groß- Mosergute in Pettenbach und Franz Preine rsberger, der Bruder der Bauerstochtcr Clara, ausgeforscht und verhaftet, die denn auch ein vollständiges Geständniß ablegten. Rache und Eifersucht forderten bei dem landet

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