Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1892

116 Besitzer Herrn Gärtner um den Preis von 9000 fl. und beauftragte das Bauamt mit der ehemöglichsten Demolirung desselben. Zugleich votirte der Gemeinderath der Frau Baronin von Jmhof für ihr opferwilliges Entgegenkommen den besten Dank. Der Landesausschnß hatte die Pläne der neuen Doppel-Volksschule am Wehrgraben genehmigt, worauf der Bau dem Baumeister Herrn Franz Plochberger um 61.989 fl. 39 kr. übertragen wurde. Die constituirende Sitzung des Gemeinderathes, bei welcher in diesem Jahre auch die Wahl des Bürgermeisters stattzu- finden hatte, fand am 5. April unter dem Vorsitze des Alterspräsidenten Herrn Josef Haller statt. Bei derselben wurde der bisherige verdienstvolle Bürgermeister Herr Johann Berg er mit 22 von 23 abgegebenen Stimmen abermals zum Bürgermeister gewählt. Mit demselben Stimmen- verhältniß wählte hierauf der Gemeinderath Herrn Johann N e d l zum V i c e b ü r g e r- meister, welche Wahlresnltate in der Bürgerschaft von Steyr lebhafte Freude und Genugthuung hervorriefen. Nach der Einteilung der Gemeinderäthe in die vier Sectionen und nach Constituirung derselben wurde über einen von sämmtlichen Gemeinderäthen eingebrachten und gefertigten Antrag der bisherige Vice- Bürgermeister Herr- Leopold Putz in dankbarer Anerkennung seiner langjährigen und ersprießlichen Thätigkeit einstimmig zum Ehrenbürger der Stadt Steyr ernannt. Eines der interessantesten, ältesten und schönsten Patrizierhäuser von Steyr, das „Schönthan-Haus" am Stadtplatze, ging am 10. April durch Kauf von den bisherigen Besitzern, Franz v. Schönthans Erben, auf den Kaufmann Herrn Michael Meditz über. Am 10. April begann in Steyr die Assentirung, bei welcher von 101 nach Steyr zuständigen Stellungspflichtigen 33 als tauglich befunden wurden. Von Fremden wurden 236 Stellungspflichtige vorgeführt und davon 109 als tauglich zum Militärdienste befunden. Bei der Assentirung in Weyer wurden 101 und bei der in KremSmüuster 54 Recruten zum Militärdienste assentirt. In der Ortschaft Pichlern der Gemeinde Sierning hatte sich eine Freiwillige Feuerwehr gegründet, welche, nachdem deren Statuten behördlich genehmigt worden waren, am 12. April ihre constituirende Versammlung abhielt. Bei derselben wurden Herr Wenzel Omcirk zum Repräsentanten der Oberleitung, Herr Franz Zaun er zum Commandanten und Herr Michael Wenger zu dessen Stellvertreter gewählt. Am Hause des Herrn Himm el freun d- pointner, Lange Gasse Nr. 14, kam am 18. April ein Dachfeuer zum Äusbruche, das jedoch rechtzeitig bemerkt wurde und daher unterdrückt werden konnte, ehe es größere Dimensionen angenommen hatte. In Windischgarsten wurde am 17. April im Dambache die Leiche eines achtjährigen Knaben aufgefundcn und ergaben untrügliche Merkmale, daß der Knabe ermordet worden sei. Die Erhebungen ergaben, daß die eigene Mutter, Francisca Kirchgraber, ledige Dienstmagd und Mutter von bereits acht unehelichen Kindern, den Knaben in die Nähe des Baches gelockt und durch einen Stoß in den Rücken in den Bach geschleudert hatte, wo er ertrank. Sorgen um die Unterbringung und weitere Erhaltung des Kindes ließen die unmenschliche Mutter den grausamen Entschluß, ihr eigenes Kind zu tödten, fassen. Zum Zwecke von Schießübungen des 3. k. u. k. Feldjäger-Bataillons auf größere Distanzen wurde vom k. u. k. Aerar in der Freis ing eine neueSchießstätte erbaut.— Am 18. April waren daselbst mehrere Arbeiter damit beschäftigt, das Gerüste einer Schutzblende (Kugelfang) aufzustellen, als ein heftiger Windstoß das Gerüste umwarf, wobei die stürzenden Balken auf den Zimmermann Gruber fielen und denselben erdrückten. Am 20. April wurde auf dem Wege von Tinsting gegen Steyr von einem Fleischer ein blutüberströmtes Weib auf dem Boden liegend gefunden, das, allem Anscheine nach, einem räuberischen Anfälle zum Opfer gefallen war. Ein annoch unbekannter Bursche hatte ihr mit einem Steine mehrere klaffende, schwere Wunden am Kopfe beigebracht und sodann einen kleinen Geldbetrag geraubt. Das Weib wurde im bewußtlosen Zustande in das St. Anna-Spital gebracht. Der Reichsraths-Abgeordnete des Industrie-Bezirkes Steyr-Kirchdorf, Herr August Edlbacher, brächte in der Sitzung des Reichsrathes am 23. April eine Interpellation ein, ob die Regierung bereit sei, die von der oberösterreichischen Landesvertretung zur Unterstützung der noth- leidenden Messerindustrie von Steyr, Steinbach-Grünburg und Umgebung eingeleitete Action in energischer Weise zu unterstützen, einem möglichst raschen Abschlüsse zuzuführen und noch in dieser Session eine Vorlage einzübringen, durch welche aus Staatsmitteln zu dem gedachten Zwecke ein Beitrag von mindestens 25.600 fl. gewidmet wird. Die Interpellation war von 74 Abgeordneten der Fortschrittspartei mitunterzeichnet. Die österreichische Wafsenfabrik hatte über Ansuchen der Arbeiterschaft den 1. Mai freigegeben und ihrem Beispiele folgend wurde dieser Tag als allgemeiner Arbeiterfeiertag begangen. Vormittags fand im Casino eine Arbeiter-Versammlung statt, die einen vollkommen würdigen Verlauf nahm, und nachmittags wurden in verschiedenen Partien unter Führung von durch die Arbeiter selbst aufgestellten Ordnern Ausflüge in die Umgebung von Steyr gemacht. Die Haltung der Arbeiter war eine vollkommen correcte und verlief der 1. Mai in Steyr in vollster Ruhe und Ordnung. Der Initiative und kräftigen Unterstützung des Herrn Bürgermeisters Johann Berg er ist es zu danken, daß das neueste Verkehrsmittel, das Telephon, am 1. Mai auch in Steyr in Betrieb gesetzt werden konnte. Nachdem sich 42 Abonnenten für Telephonstellen gefunden hatten, wurde die Leitung durch den Ingenieur Herrn Carl Vogl hergestellt und functionirt seit diesem Tage zur allseitigen Zufriedenheit. Der Oberlehrer Herr Johann Mach in Ternberg, welcher seine Stellung mit Herrn Wagner getauscht hatte, trat am 1. Mai die Stellung in Ternberg an und wurde vom Ortsschulrathe herzlichst begrüßt. Ein furchtbares Unwetter entlud sich am 4. Mai beinahe über den ganzen Bezirk Steyr und richtete durch ungemein heftige und zahlreiche Blitzschläge großen Schaden an. In Steyr schlug der Blitz in einen Baum im Garten des Herrn Raimund Waller am Wehrgraben und setzte ihn in Brand, der jedoch bald gelöscht wurde. Es brannten in Wolfern das sog. Schusterhäusl in Unterwolfern, in Wald neu kirnen das Grabergergut Nr. 16 in Emsenhub, in Bad Hall die Scheune des Herrn Frischauf, in Kremsmünster das' sog. Lindenmairgut und in Niederö st erreich eine bedeutende Anzahl von Häusern nieder. Der Schaden, den die Wassermassen des Wolkenbruches an Feldern, Straßen und Brücken anrichtete, war gleichfalls ein bedeutender. Der Knecht Johann Pöberl in Eben- boden, Gemeinde Ternberg, war am 4. Mai am Felde mit Walzen beschäftigt, als das Pferd durchging, den Knecht zu Boden schleuderte und ihm so unglücklich auf das . Genick trat, daß er bewußtlos nach Hause getragen wurde, wo er am nächsten Tage starb. Den Bemühungen des E x e c u t i v- Comit^s der österreichischen Waffen- fabrik gelang es, die gesammte Lieferung von Carabinern für die ungarische Honved-Cavallerie zu erlangen, und unterzeichnete am 8. Mai Herr Dr. Johann Hochhäuser in Budapest den diesbezüglichen Contract. Eine aus den Herren S.teindlecker, Fröhlich und Stübinger bestehende Deputation der Genossenschaft der Messerschmiede in Trattenbach nahm am 6. Mal unter Führung des Herrn Reichsraths-Abgeordneten August Edlbacher Audienz bei Ar. Excellenz dem Herrn H a n d e l s m l n l st e r 147 Freiherr« v. Bacquehem, sowie beim Präsidenten der k. k. österreichischen Staatsbahnen, Herrn Alois Freiherrn v. Czedik, um die Errichtung einer Haltestelle und die Erbauung eines Frachten-Bahn- hofes für Trattenbach zu erbitten. Die Deputation wurde auf das zuvorkommendste em- pfangeu und ihr die möglichste Berücksichtigung des Ansuchens zugesichert. Die Generalversammlung der Sparkasse Steyr wurde am 10. Mai abgehalten. Die Zinsen des Reserveffondes ergaben einen zur Vertheilung gelangenden Betrag voll 33.659 fl. 54 Va kr. Von diesem entfielen auf Steyr 14.911.fl. 80V* kr., Aschach 931 fl. 30 kr., Garsten 4041 fl. 42 V- kr., G l e i n k 2098 fl. 20 72 kr., L 0 senstei n- leithen 1425 fl. 4472 kr., Sierning 5047 fl. 9 kr., Ternberg 1763 fl. 21V« kr., Thanstetten 1262 fl. 12 kr., St. Ulrich 2148 fl. 94 kr. Ferner wurde beschlossen, die Zinsen für Darlehen außerhalb der vereinigten Gemeinden vom 1. Juli an von 5 0/0 auf 4^0/0 herabzusetzen und der Gemeinde G l e i n k zur Anschaffung einer Feuerspritze einen Betrag von 100 fl. zuznwenden. Der Commandant des 14. Armeecorps, Se. Excellenz der Herr k. u. k. Feld- marschall-Lieutenant Josef Reicher, traf am 14. Mai abends zur Jnspicirung des 3. k. u. k. Feldjäger-Bataillons in Steyr ein. Am 15. Mai früh wurde eine Feldübung am Damberge abgehalten und nachmittags nach der neuen Schießstätte in der Freising zum Scheibenschießen ausgerückt. Am 16. Mai vormittags besichtigte Se. Excellenz die österr. Waffenfabrik und verließ um 5 Uhr abends wieder die Stadt. Im Kloster Gleink wurde am 14. Mai die Wahl einer neuen Oberin vorgenommen. Als solche wurde die hochw. Schwester Margaretha Emanuela Mayer, Pensionats-Vorsteherin und Novizenmeisterin, erwählt. Der Militär ° Veteranen - Verein in Steyr unter dem Protectorate Sr. Exc. des Herrn Grafen Franz Emerich Lamberg (siehe Bild Seite 119) feierte am 16. und 17. Mai sein 25jähriges Gründungsfest in besonders festlicher Weise, und es nahm an demselben die Bevölkerung von Steyr und eine große Anzahl auswärtiger Vereine theil. Von solchen waren erschienen die Veteranen- Vereine aus Amstetten, Ansfelden, Eferding, Enns, St. Florian, St. Georgen a. d. Gusen, Haag (N. - Oe.), Bad Hall, Jschl, Kremsmünster, Linz, Mattighofen, Mauthausen, Neuhofen, Salzburg, Schwanenstadt, Sierning, Steinbach, Strengberg, Ternberg, Urfahr, Wels und St. Wolfgang. Auch das unifor- mirte bewaffnete Bürgercorps von Steyr und das Sierninger Schützencorps hetheiligten sich

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2