Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1892

114 geschleudert, konnte sich zwar durch Schwimmen retten, erkrankte aber an den Folgen einer Erkältung in dem eisigen Bade. Der Heizer ^eidl ist verschwunden und konnte nicht aufgefunden werden, er ist, wie man vermuthet, in die Enns gestürzt und von deren Fluthen als Leiche weggeschwemmt worden. Der Zugs- führer Litschauer und zwei Conducteure wurden schwer, ein Passagier leicht verletzt. Die Bahn wurde bald wieder frei gemacht und die Maschine im Wasser zerlegt und allmälig aus der Enns heraufgeschafft. Das Actionscomite für die Hilss- action zu Gunsten der noth leid enden Messerindustrie hielt am 12. März unter dem Vorsitze des Obmannes Herrn k. k. Bezirkshauptmannes Hugo Ritter von Hebenstreit eine Sitzung, in welcher die Gründung des Verbandes der mit der Messerfabrikatiou im Jndustrialbezirke Steyr beschäftigten Genossenschaften berichtet und in der bekannt gegeben wurde, daß im Hause des Obmannes des Verbandes, Herrn Michael S ch a r t i n g e r, in Zwischenbrücken zu Steyr ein Rohstofflager errichtet worden sei. Das Rohstofflager habe bereits 6000 Kilo Fatzonstahl bestellt, von welchem schon die Hälfte von verschiedenen Klingenschmieden bezogen worden sei. Um den Bezug von Rohstoffen auch den Genossenschasts- Angehörigen außerhalb Steyr zu ermöglichen, sollen in Grünburg, Neuzeug und Kleinraming Filialdepots errichtet werden. Ferner wurde ein Comite gewählt zur Aufbringung weiterer milder Beiträge für die hilfsbedürftige Messerindustrie, für welchen Zweck bisher 3186 fl. eingegangen waren. Im Geiste des in einer früheren Sitzung gefaßten Beschlusses wurde endgiltig festgestellt, die neu zu erbauende Klingenschmiede an die k. k. Fachschule und Versuchsanstalt für Eisen- und Stahlindustrie anzubauen und zum Betriebe die motorische Kraft der Letzteren zu benützen. Zu diesem Behufe wurde beschlossen, das k. k. Nnterrichts- Ministerium um die Mitbenützuug dieser motorischen Kraft und die Gemeinde Steyr um Gestattung des Zubaues aus ihrem Grunde zu bitteu. Endlich beschloß das Comitä beim hohen Landesausschuß um Flüssigmachung der für das Rohstofflager bewilligten 1500 ft. und des zur Erlernung der Solinger Schleiferei bestimmten Stipendiums von 1000 fl. anzusuchen. Der Gememderath ernannte in der Sitzung am 14.März den bisher in Olmütz thätig gewesenen Ingenieur Herrn Carl Peter definitiv zum S t a d t i n g e n i e u r v o n Steyr und verlieh das Stadttheater für die Saison 1891/92 abermals dem bisherigen Theaterdirector Herrn Anton Galotzy. Ueber eine Eingabe der Arbeiter-Kranken- und Unterstützungscasse, die Erbauung eines allgemeinen öffentlichen Kranken- h aus es iu Erwägung zu ziehen, betraute der Gemeinderath ein Comitö, bestehend aus deü vier Sections - Obmännern mit dem Herrn Bürgermeister au der Spitze, mit dem Studium der Spitalfrage und beschloß nach dem Anträge des Herrn Dr. Johann Hochhauier vor Allem zur Verbesserung der ärztlichen Hilfe noch eine zweite Kraft anzustellen. Bereits bei der Budgetberathung am 14. November 1890 war iu der Erwägung, daß das Präliminare in den nächsten Jahren größere Beträge zur Verfügung stellt, die Auswechslung der drei Brücken über die Enns und Steyr durch drei neue eiserne Brücken im Principe beschlossen worden und die betreffenden Organe der Gemeinde beschäftigten sich mit den Vorarbeiten und Plänen zu diesem sehr nothwendigen und wichtigen Unternehmen. Am 16. März nachmittags fand nun eine allgemeine Augenscheins-Commission statt, welcher der ganze Gemeinderath, die Fachorgane der Gemeinde und k. k. Bezirkshaupt- mannschaft und die Vertreter der Alpinen Montaugesellschaft, welche die Eisenconstruction, und der Firma E. Gärtner in Graz, welche die Fundameutirungs - Arbeiten auszuführen hätten, beiwohnten. Auf Grund der Verhandlungen dieser Commission wurde beschlossen: die obere Ennsdrücke (Neubrücke) iu einer Breite im Lichten von 8 Metern herzustellen, von welchen 5 Meter auf die Fahrbahn und je 1-50 Meter auf- die beiderseitigen Gehwege entfallen. Die Brücke erhält eine Gesammt- länge wie die sogenannte untere Ennsbrücke von zweimal 45 Metern Stützweite mit einem Mittelpfeiler, die Fahrbahn eine Pflasterung mit Stöckelpflaster und die Gehwege mit einfachem Ladenbeleg. Von dem Garten der Anraiuerin Frau Johanna Woznicki wird mit deren Zustimmung ein Streifen Grund erworben werden, um die nöthige Breite der Zufahrt zu erlangen. — Die untere Ennsbrücke wird gleichfalls mit einem Stützpfeiler in der Länge von zweimal 45 Metern Stützweite mit einer nutzbaren Breite der Fahrbahn von 6 Metern und zweier Gehwege von 2 Metern zu erbauen sein. Die Gehwege sind außerhalb der Tragwände auf Consolen anzu- bringen und die Pflasterung wie bei der oberen Enusbrücke herzustellen. Da die Axe der zu erbauenden mit der alten Brücke nicht zusammen- trifft, so ist der Anbau des Hauses des Lederer- meisters Herrn John abzutragen und' wird das strdmaufwärtige Geländer mit der neuen Ecke des Johu'schen Hauses und das strom- abwärtige mit der Ecke des Schartinger'schen Hauses zusammenfallen. — Die Steyrbrücke soll gleichfalls mit einem Stützpfeiler und einer Länge von zweimal 35'6 Metern Stützweite erbaut werden. Die Breite der Fahrbahn soll 6 Meter und die der beiden Gehwege je 1'6 Meter betragen und wurde die Fahrbahn derart fixirt, daß die Verlängerung des strömauswärtigen Geländers am linken Steyruser auf die Ecke des Strebepfeilers des Pfarrhof- gebäudes und am rechten Ufer aus die Straßenecke des Wagnerischen Verschleißlocales zu stehen kommt. Um die erforderliche Breite der Brücke von 10 Metern zu erlangen, muß ein Theil der der österreichischen Waffenfabrik gehörigen Heindlmühle abgetragen werden. Die österreichische Waffenfabrik hatte sich bereits in einer früheren Gemeinderaths-Sitzung in einer Eingabe bereit erklärt, den erforderlichen Tract von der Heindlmühle der Gemeinde unentgeltlich abzutreten, wogegen die Gemeinde die Kosten der Demolirung und Untermauerung des verbleibenden Tractes übernahm. Auf Grund dieser Commission wurden die Project- Ausarbeitungeu und Verhandlungen mit den Bau-Unternehmern vorgenommen und sodann die Verträge mit der Alpinen Montangesell- schaft hinsichtlich der Lieferung der Eisencon- structionen und mit der Firma E. Gärtner in Graz hinsichtlich der Herstellung der Funda- mentirungs - Bauten abgeschlossen. Durch die Schadhaftigkeit eines Rauch- fanges kam am 16. März im Kleinober- meyergute zu Hintstein Nr. 21, Gemeinde Großraming, Feuer aus, das Has ganze Anwesen und die Vorräthe binnen drei Stunden verzehrte. Nach Ablauf der Mandatsdauer schieden aus dem Gemeinderathe im ersten Wahlkörper die Herren: Bürgermeister Johann Berg er, Dr. Johann Hochhäuser, Leopold Putz und Johann Scholz, während Herr Anton Land sied l im dritten Jahre seines Mandates mit Tod abgegangen war. Im dritten Wahlkörper schieden aus die Herren: Josef Hack und Franz Tomitz, wogegen im zweiten Wahlkörper im Vorjahre keine Ergänzungswahl vorzunehmen war. Am 18. und 20. März fanden nun die ErgänzungsWahlen statt, bei welchen im dritten Wahlkörper Herr Franz Tomitz, Möbelhändler und Ehrenbürger von Steyr, von beiden Parteien und für das zweite Mandat von der Fortschrittspartei Herr Josef S t u m m e r, Schlossermeister und Hausbesitzer, und von der conservativen Partei der bisherige Gemeinderath Herr Josef Hack, Messerfabrikant und Hausbesitzer, als Candidaten aufgestellt wurden. Bei der am 18. März stattgefundenen Wahl des dritten Wahlkörpers wurden 318 Stimmzettel abgegeben und entfielen auf Herrn Franz Tomitz. 312 und auf Herrn Josef Stummer 161 Stimmen. Die beiden Herren erschienen als gewählt, während Herr Josef Hack mit 157 Stimmen in der Minorität blieb. Bei der am 20. März abgehaltenen Wahl des ersten Wahlkörpers wurden von der Fortschrittspartei folgende Candidaten nominirt: die Herren Dr. Franz Aug ermann, Advocat; Johann Berg er, 115 Juwelier und Hausbesitzer; Dr. Johann H o ch- h aus er, Advocat, Hausbesitzer und Ehrenbürger von Steyr; Josef Huber, Maschinen- fabrikant, Hausbesitzer und Kammerrath der oberösterreichischen Handels- und Gewerbe- kammer, und Johann Scholz, Kaufmann. Der bisherige langjährige und verdienstvolle Gemeinderath und Vicebürgermeister Herr- Leopold Putz hatte in Folge von Kränklichkeit gebeten, ihn nicht melfr als Candidaten aufzustellen. Die conservative Partei hatte die Herren Johann Berg er und Dr. Johann Hochhäuser ebenfalls und die Herren Josef Hack, Georg Lintl jun., Bäckermeister und Hausbesitzer, und Josef Schach in g er, Kaufmann und Hausbesitzer, als Candidaten aufgestellt. An der Wahl bctheiligten sich von 570 Wählern 477 und wurden gewählt die Herren: Johann Berg er mit 401, Dr. Joh. Hochhäuser mit 398. Josef Huber mit 286, Johann Scholz mit 267 und Dr. Franz Angermann mit 246 Stimmen. Am 18. März kam am Dachboden des Aistinger - Häusels Nr. 37 in Kleinraming Feuer aus, welches das Anweseu vollständig einäscherte. In Mitteregg, Gemeinde Asch ach a. d. Steyr, starb am 21. März der dortige in Geschäftskreisen sehr bekannte Kunstmühlen- und Sägewerksbesitzer Herr Franz Brand- stetter nach langem schmerzlichem Leiden. In Grttnburg stürzte am 30. März der Schmiedsohn Franz Spatt beim Nachhause- gehen über die hohe steile Leithen beim sog. „Grenadier" ab, fiel auf den Bahnkörper der Steyrthalbahn und blieb sofort todt. Das HandelSgremium von Steyr war beim Gemeinderathe darum eingeschritten, daß die Sonntagsruhe auch für die Markt- fierauten zu gelten habe und daß daher die Marktbuden am Sonntag nachmittags geschlossen lverden sollen. Der Gemeinderath beschloß in der Sitzung am" 3. April, diesem Ansuchen zu willfahren. Das Haus Nr. 14 am Franz Josef- Platze wurde seit der Erbauung des Bürger- schulgebäudes und der modernen Bauten der Sparcasse und Gemeinde als unschönes und lästiges Verkehrs-Hinderniß empfunden, indem es beinahe bis in die Mitte der Fahrbahn Vorstand und nicht nur die Passage, sondern auch deu freien Ausblick auf die Promenade hemmte. Viele Versuche, das Haus zu erwerben, waren bereits an der hohen Kaufsumme ge- scheltert, bis die Angelegenheit durch die Munificenz der Frau Caroline Baronin ^mhof eine langersehnte, günstige Wendung nahm. Die Frau Baroniu erklärte sich bereit, zum Ankäufe des Hauses 2000 fl. beizusteuern, wenn es demolirt werde, und der Gemeinderath genehmigte daraufhin in der Sitzung am 3. April den Ankauf des Hauses von dem 8*

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