Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1892

112 auf den 5. März anberaumt. Der gleichzeitige Sturz des Finanzministers Dunajewsky deutete auf einen Systemwechsel hin, indem die Regierung mit den vielen, in ihren Zielen so verschiedenen Parteien nicht mehr auf eine sichere Majorität rechnen konnte und die Ablehnung des böhmischen Ausgleiches die Macht der Alttschechen und mit ihnen des böhmischen Feudaladels brach und die Jungtschechen in den Vordergrund stellte. Nach langem, schmerzlichem Leiden raffte der Tod am 24.Jänner den Director der k. k. Staatsrealschule in Steyr, Herrn Josef Berg er, im 60. Lebensjahre hin. Seit dem 6. Februar 1871 war der Verstorbene Leiter der k. k. Staatsrealschule und hat sich sowohl als tüchtiger Schulmann, als auch durch rege Betheiligung an allen öffentlichen Unternehmungen große Verdienste erworben. Mit der interimistischen Leitung der Realschule wurde der k. k. Professor Herr Vincenz Lavogler betraut. Den umsichtigen Bemühungen der Herren Verwaltungsräthe und Mitglieder des Executiv- Comitäs der österreichischen Waffenfabrik: Dr. Johann Hochhäuser und Robert Baron von Buddenbrock, war es gelungen, am 31. Jänner mit der kgl. sächsischen Regierung einen Vertrag auf Lieferung von 56.000 Gewehren des deutschen Modells abzuschließen. Zur Uebernahme der Gewehre kam bereits am 4. Februar eine kgl.' sächsische Uebernahms- Commission unter dem Präsidium des Herrn Obersten a. D. und Jnspectors der Handfeuerwaffen des 14. Armeecorps Moriz Thierbach mit den Herren Officieren Premierlieutenant Carl F erb er und Secondelieutenant Baron von Oldershausen I. nach Steyr. Mit allerhöchster Entschließung vom 26. Jänner verlieh Se. Majestät der Kaiser dem langjährigen Bürgermeister von St. Ulrich Herrn Josef Oesterreicher in Anerkennung der vielen Verdienste desselben das silberne Verdienstkreuz mit der Krone. Anfangs Februar wurde der hochw. Herr Pfarrer Paul Nanzböck in St. Pankraz auf die Pfarre Asch ach a. d. Steyr und der hochw. Herr Joh. Geb au er, Pfarrexpositus in St. Stephan, auf die Pfarre W o l f e r n investirt. Der provisorische Leiter der k. k. vereinigten Fachschule und Versuchsanstalt für Stahl- und Eisenindustrie in Steyr, Herr Gustav Ritzinger, wurde zum Director dieser Anstalt ernannt und übernahm die definitive Leitung derselben am 2. Februar. Der Bau der Doppel-BolkS schule nach den Plänen des Herrn Architekten Hinträger wurde nach den Ergebnissen der Offert-Verhandlungen dem Baumeister Herrn Franz P l o ch b e r g e r übertragen, der mit den Arbeiten sofort begann, Am 6. Februar verunglückte in derReit- h o f fer'schen G u m m i w a a r e n f a b r i k in Pyrach der Arbeiter Franz Lininger, indem er in Folge eigener Unachtsamkeit von einem Kammrade einer Maschine erfaßt und durch die Räder gezogen wurde, so daß der obere Theil des Kopfes förmlich weggerissell wurde und der Tod sofort eintrat. Die Handlungsgehilfen von Steyr überreichten mit Rücksicht darauf, daß die Stadt Steyr nach der letzten Volkszählung mehr als 20.000 Einwohner zählt, bei der Gemeinde -Vorstehung eine Petition um Anwendung der gesetzlichen Normen, betreffend die Sonntagsruhe. In zustimmender Erledigung dieses Gesuches wurde mit 8. Februar die Sonntagsruhe dahin eingeführt, dass die Geschäfte und deren Verkäufsgewölbe an Sonntagen von 12 Uhr an geschlossen bleiben. Am 8. Februar verschied Herr Emil Gschaider, städtischer Amtspraktikant, im Alter von 26 Jahren an einem Lungenleiden. Der Verstorbene hatte beinahe sein ganzes Vermögen zu wohlthätigen Zwecken vermacht. Zwei Tage später trug man den Lederer- meister und Hausbesitzer Herrn Johann John zu Grabe, der ein Alter von 80 Jahren erreichte. In jüngeren Jahren war der Verstorbene eine allbekannte und beliebte Persönlichkeit, welchen seine Mitbürger durch 18 Jahre ununterbrochen in den Gemeinderath entsendet hatten, wo er in der Bausection eine ersvrießliche Thätigkeit entwickelte. In Schützen- kreisen war er weit über die Grenzen der Stadt Steyr hinaus bekannt und konnte, nachdem er 15 Jahre Schützenmeister gewesen, im Jahre 1877 sein fünfzigjähriges Schützenjubiläum feiern, bei dem er Gegenstand herzlicher und ehrender Ovationen war. Mit zunehmendem Alter zog er sich immer mehr vom öffentlichen Leben zurück, bis ihn der Tod auch aus dem engen Kreise der Familie entführte. Ein seltenes Jubiläum beging Herr Franz Muckenhuber in Lausa, indem er am 19. Februar das Fest seiner dreißigjährigen ununterbrochenen Wirksamkeit als Bürgermeister von Lausa feierte. Nachdem er bereits im Jahre 1879 von Sr. Majestät dem Kaiser mit dem goldenen Verdienstkreuze ausgezeichnet worden war, ernannte ihn die Gemeindevertretung anläßlich des Jubiläums- Festes zum Ehrenbürger und benützte die erwünschte'Gelegenheit, um dem Jubilar die vielseitigsten und ehrendsten Beweise der Liebe, Verehrung und Dankbarkeit zu geben. In Weyer starb am 20. Februar der pensionirte Oberlehrer Herr Carl A r t b e r g e r, betrauert von Alt und Jung, denn fast alle gebürtigen Weyrer waren zu ihm in die Schule gegangen. Geboren im Jahre 1802 als Sohn des damaligen Lehrers gleichen Namens, half er nach vollendeter Vorbildung dem Vater m der Ausübung des Lehramtes als Schulgehilfe, bis er im Jahre 1839 selbst die Schule in Weyer übernahm und bis zum Jahre 1873 führte, in welchem er in den wohlverdienten Ruhestand trat. Für seine verdienstvolle Lehrthätigkeit erhielt er nach dem alten Regime den Ehrentitel „Musterlehrer" und wurde im Jahre 1869 von Sr. Majestät dem Kaiser mit dem silbernen Verdienstkreuze mit der Krone ausgezeichnet. Im sog. Kreuzingerhanse Nr. 26 in Stein, Gemeinde Gleink, kam am 26. Februar aus bisher unaufgeklärter Ursache Feuer zum Ausbruche, welches den Dachstnhl, den ^tall, die Scheuer und die Holzhütte in Asche legte. Die städtische Freiwillige Feuerwehr erschien am Brandplatze und ihrem energischen Eingreifen gelang es, das Feuer zu unterdrücken und am Weitergreifen zu verhindern. Dem Schaden von 2000 fl. stand ein Versicherungswerth von 1800 fl. gegenüber. Der oberösterreichische Land es aus schütz hat in seiner Sitzung am 26.Februar dem Herrn Schulleiter Ed. P u x in G a r st e n und dem Lehrer Herrn Alois Fischer in Trattenbach die angesuchte Versetzung in den bleibenden Ruhestand unter Anerkennung ihres verdienstvollen Wirkens bewilligt. Die Neuwahlen in den Neichsrath waren Ende Februar und anfangs März der alleinige Gegenstand politischen Interesses umsomehr, als es klar war, daß der bereits begonnene Umschwung in den Anschauungen der Regierung durch die Wählerschaft entweder gutgeheißen oder wieder rückgängig gemacht werden sollte. Begreiflicherweise wurden von allen einander gegenüberstehenden Parteien die größten Anstrengungen gemacht, ihre Can- didaten durchzubringen. In dem Landgemein- den-Bezirk Linz-Steyr wickelte sich die Wahl ruhig und unter ziemlich schwacher Betheiligung der Wählerschaft ab und wurde der bisherige Reichsraths-Abgeorduete Herr Johann Plaß, Gemeindevorsteher in Ansselden, mit 164 von 192 abgegebenen Stimmen zum Reichsraths- Abgeordneten wiedergewählt. Mit umso größerer Heftigkeit wurde um das Mandat des Jndustriebezirkes Steyr— Kirchdorf gestritten. Die Fortschrittspartei hatte ihren bisherigen Abgeordneten Herrn August Edlbacher, k. k. Bezirksrichter in Grunburg, Augnft Gdtbelchev 113 wieder als Candidaten aufgestellt, der das ihm vor drei Jahren anvertraute Mandat zur vollsten Zufriedenheit aller seiner Wähler ausgeübt hatte. Die conservative Partei stellte demselben einen Candidaten in der Person des Herrn Directors der k. k. vereinigten Fachschule und Versuchsanstalt für Stahl- und Eisenindustrie, Gustav Ritzinger, entgegen. Bei der Wahl betheiligten sich von circa 2400 Wählern 1905 an der. Wahl. Von diesen wählten 1100 den bisherigen Abgeordneten der Fortschrittspartei, Herrn August Edl- b ach er, während der Candidat der conser- vativen Partei, Herr Gustav Ritzinger, mit 797 Stimmen in der Minorität blieb. In den einzelnen Wahlorten waren die Stimmen folgendermaßen vertheilt: Steyr: Edlbacher 591, Ritzinger 349 ;BadHall: Edlbacher 51, Ritzinger 33; Grünburg: Edlbacher 61, Ritzinger. 33; Kirchdorf: Edlbacher 78, Ritzinger 14; Kremsmünster: Edlbacher 28, Ritzinger 46; Michldorf: Edlbacher 61, Ritzinger 28; Neuhofen: Edlbacher 9, \ Ritzinger 54; Neuzeug: Edlbacher 55, Ritzinger 30; Sierning: Edlbacher 58, Ritzinger 87; Sierninghofen: Edlbacher 36, Ritzinger 18; Steinbach: Edlbacher 16, Ritzinger 37; Weyer: Edl- bacher 21, Ritzinger 44; Windischgarsten: Edlbacher 40, Ritzinger 24, zusammen daher Edlbacher 1100, Ritzinger 797 Stimmen, die Majorität betrug somit 303 Stimmen. Das Resultat erregte in der Fortschrittspartei die größte Freude und wurde in den meisten Wahlk. k. Bezu törichter in Grunburg, Neichsrathö- orten, insbesondere M Steyr Abgeordneter. - - — ' - • - - - der Wahlsieg auf das festlichste gefeiert. Abends wurde dem Wiedergewählten von der Musikkapelle des „Steyrer uniformirten und bewaffneten Bürgercorps" und der „Steyrer Liedertafel" ein Ständchen gebracht, woraus im Hotel „Schiff" in Anwesenheit von Vertretern aus allen Wahlorten die eigentliche Siegesfeier abgehalten wurde. Auf der Strecke zwischen Weißeubach und Grostreifling der k. k. österreichischen Staatsbahnen entgleiste am 5. März in Folge eines Felssturzes der Personenzug Nr. 912. Die Locomotive sammt dem Tender stürzte in die Enns, während die übrigen Waggons an dem nahen Wächterhause Widerstand fanden und am Rande des dortigen steilen Uferabhanges stehen blieben. Der Maschinenführer Omann wurde in die Enns 8

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2