Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1892

110 111 dings in sehr primitiver Weise, der Ausstellung im Jahre 1880 als Ausstellungshalle. Die geplante elektrische Ausstellung im Jahre 1881 veranlaßte den seligen Herrn Generaldircctor Josef Werudl, die Villa soweit in Stand zu setzen, das; die bedeutend größere Ausstellung und insbesondere die elektrische Ausstellung sich in ihr würdig repräsentire, und wurde der Park auf das schönste hergerichtet und das Palmeuhaus erbaut uud mit Pflanzen bevölkert. Mit den elektrischen Sonnen erlosch jedoch wieder das Leben in der Villa, bis dieselbe nach dem Tode des Herrn Gmeraldirectors Josef Werndl in den Besitz der Tochter desselben, der hochgeborneu Frau C a r o l i n e Baronin Jmhof überging. Die Villa wurde nun vollständig ausgebant, durch hervorragende Kunstkräfte ebenso geschmackvoll als wohnlich eingerichtet, und zu Weihnachten 1890 versammelte sie das erste Mal die gesummte Familie des Herrn Baron Max Jmhof um den Weihnachtsbaum. Stylge-mäß fertiggestellt und ihrem eigentlichen Zwecke zugesührt, bildet sie heute, weit hinaus im Steyrthale sichtbar, eine schöne Zierde der Stadt. Mit Decret vom 27. December wurde der hochwürdige Cooperator an der Vorstadtpfarr- kirche in Steyr, Herr Johann Ev. Strobl, zum Pfarrer von Windisch garste n ernannt und dortselbst am 30. December investirt. Derselbe war Präses.des hiesigen kath. Gesellenvereines und Diöcesan-Präles sämmtlicher oberösterreichischen Gesellenvereine und bat als solcher, wie in seiner Stellung als Seelsorger, e^n so segensreiches Wirken entfaltet, daß sein scheiden von Steyr schmerzlich empfunden wurde. Nachdem die Grenz-Bermarkung zwischen dem neu eiuverleibten Theile G a r st e n s in das Gemeindegebiet Steyr und der Gemeinde Garsten vollzogen worden war, fand am 3l. December unter der Leitung des Herrn k. k. Bezirkshauptmannes Hugo N. v. H e b e n st r e i t die Commission statt, in welcher die neue St^adt- grenze officiell festgestellt wurde. Nach derselben fallen die Villa Steindl, Neulust und der Steyrthalbahnhof in den Stadtrayon, während die Reithoffer'sche Gummiwaarenfabrik im Garstner Rayon verbleibt. Mit Beginn des neuen Jahres 1891 wurden vom Verwaltungsrathe der österreichischen Waffenfabrik Herr Oberwerkführer Otto Schön au er zum Betriebs-Jnspector und die Herren Werkführer erster Classe Cyrill Casa- piccolo, Josef Duffek, Johann Hansel, Wenzel Nimmerfroh, Karl Nospora und Josef Weberndorfer zu Oberwerk- führern der österreichischen Waffenfabrik ernannt. Der Turnverein in Steyr hat sich während seines dreißigjährigen Bestandes nicht nur in seinen Leistungen immer mehr vervollkommnet, sondern auch an Mitgliederzahl und Turnzöglingen derart vermehrt, daß die bisher benützten Räume im Exjesuiteugebäude nicht mehr genügen. Die General-Versammlung des Turnvereines hatte deshalb den Bau einer eigenen Turnhalle beschlossen und den Turnrath mit den diesbezüglichen Vorarbeiten betraut. In gewissenhafter Erfüllung dieser Mission begann der Turnrath zu Beginn des Jahres 1891 seine Thätigkett, indem er eine Sammlung freiwilliger Beiträge einleitete, bei welcher diejenigen als Gründer verewigt werden, welche mindestens 50 fl. beisteuern. Die Angelegenheit wurde im bisherigen Verlause des Jahres 1891 eifrigst verfolgt und verspricht die Verwirklichung der Idee. Am Neujahrstage 1891 fand dieGeneraI- V e r s a m m l u n g der städtischen freiwilligen Feuerwehr in Steyr statt, welche deshalb von großer Bedeutung war, als bei derselben der b i s h e r i g e O b e r - C o m m a n d a n t Herr Wilhelm Klein, welcher dies schwierige Amt mit größter Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit bekleidet und die Steyrer Feuerwehr zur ersten Oberösterreichs emporgehoben hatte, erklären mußte, eine eventuelle Wiederwahl ab zu- lehnen, nachdem ihn seine private Thätigkeit nunmehr nach Reichraming zur Leitung der dortigen Messingwerke, deren Theilhaber er ist, beruft. Herr Klein war bei der General- Versammluug Gegenstand rührendster und liebevollster Ovationen, die ihm als Lohn für seine aufopferungsvolle Thätigkeit gelten mög^n, während »ihn ein überreichtes Pracht- albunl mit den Photographien aller Feuerwehrmänner au seine Wirksamkeit uud an seine Cameraden erinnern soll. Ueber des Scheidenden Antrag wurde Herr Gemeinderath Franz Lang, bisher Stellvertreter des Obercomman- danteu, zum O b er c om m a n d a n t e u gewählt, welche Wahl — uach den vielen Verdiensten desselben um die Feuerwehr — sich als eine sehr glückliche erweist. Die österreichische Waffenfabrik hatte die Bestellung des deutchen Kriegs- ministerium s vertragsmäßig am 31. December beendet und anfangs Jänner 1891 verließen die Officiere der königlich p r e uß i s ch e n U e b e r n a h m s-C o m m i s s i o n, die Herren: Hauptmann v. Prestel, Premier- lieutenants Baron Buttlar, v. Minchow, Lessing, ,v. Paris, Baron Vincke und Wentzel, sowie der Herr Oberbüchsenmeister K a h m a n n Steyr. Dieselben hatten sich während ihres mehr als einjährigen Aufenthaltes in Steyr so sehr die Sympathien der Bevölkerung von Steyr erworben, daß ihr Scheiden das größte Bedauern hervorrief, das sich insbesondere bei den schweren aber aufrichtigen und herzlichen Abschiedsscenen am Bahnhöfe kundgab. Laut Ministerial-Verordnung vom 2. Jänner 1891 wurde Steyr in die sechste Classe des Militär-Zinstarifes eingereiht. Am 5. Jänner wurde im H e i tz e n g r a b e n in derBreitenau, Gemeinde Moll«, der Köhler Franz Riedl auf dem brennenden Kohlenmeiler vollständig verkohlt aufgefunden. Große Beunruhigung rief die Revision der Zölle mit Deutschland hervor, da die Gefahr nahe lag. daß eine Herabsetzung der Einfuhrzölle auf Eisen- und Stahlwaareu die Messer- industrie Oberösterreichs schwer schädigen würde. Der G ewerbe verein für Steyr und Umgebung berief daher am 4. Jänner eine Vollversammlung ein, in welcher unter dem Vorsitze des Vorstandes Herrn Franz Lang eine Petition an das k. k. Haudr-ls-Mini- sterium berathen und beschlossen wurde, in der gebeten wird, daß der heute bestehende Zolltarif auf Eisen- und Stahlwaaren mindestens in gleicher Höhe wie bisher aufrecht erhalten bleibe. Diese Petition wurde auch dem Abgeordnetenhaus, dem Landtage, den Handelsund Gewerbekammern, dem Reichsraths-Abge- ordneten Herrn August Edlbacher und dessen Parteifreunden mit der Bitte um werkthätige Unterstützung überreicht. Dem k. k. Handelsministerium übergab die Petition eine Deputation, bestehend aus den Herren Franz Lang, Hermann Seid! und Michael Grill, unter Führung des Herrn Reichsraths-Abgeordneten August Edlbacher. Am 13. Jänner wurde der ledige Holzarbeiter Wenzel Jarosch bei Herrn Sägewerksbesitzer W. Omcirk im Holznergute in Pislwaug von einem gefällten Baume in Folge eigener Unvorsichtigkeit erschlagen. Die Bausection des Ge m ei n de rathes berichtete in der Sitzung am 16. Jänner über die eingelangten Offerte für den Bau einer Doppel-Volksschule mit je 5 Classen in der W e h r g r a b e n st r a ß e. ES waren 8 Projecte eingelangt, von denen das des Herrn H i u- träger in Wien den ersten Preis per 400 fl. erhielt und für den Bau definitiv angenommen wurde. Zugleich wurde demselben der Betrag von 1800 fl. für die Bauaufsicht zugesichert und beschlossen, auf Grund des Einheitspreises die Offertverhandluug anszuschreiben. Den zweiten Preis erhielt Herr Josef Slowak, Stadtbaumeister in Linz. In derselben. Sitzung wurde der Bau der beiden Zinshäuser am Seidlfelde Herrn Baumeister Franz P l o ch b e r g e r um den Preis von je 29.140 fl. übertragen. Der städtische Ingenieur Herr Carl Bech- mann hatte mit der Eingabe ddo. 5. Jänner um Enthebung von seinem hiesigen Dienstes- posten augesucht, da er beabsichtige, sich als Civil-Ingenieur in Warnsdorf niederzulassen. Der Gemeinderath bewilligte in der Sitzung am 16. Jänner dieses Ansuchen und beschloß, die Gtelle eines städtischen Ingenieurs mit den Bezügen der IX. Rangsclasse der k. k. Staatsbeamten anszuschreiben. Die in Folge des Baues der Jägerkaserne nothwendige Erweiterung der Straße in Ort erhielt eine weitere Förderung durch den Ankauf des Pettenbergerhauses von der österreichischen Waffenfabrik um den Preis von 2700 fl. Den 17. Jänner unternahm der Papierhändler Herr Johann Haberkorn eine Reise nach Wieu, um seine Tochter zu besuchen. Unterwegs wurde er von einem Unwohlsein besallen, das sich immer steigerte, so daß er in Amstetten aus dem Coupö in ein Zimmer der dortigen Bahnstation gebracht werden mußte, wo er, trotz sofortiger Hilfe, in Folge eines Schlaganfalles im 50. Lebensjahre verschied. Der so plötzlich Verstorbene erfreute sich ob seines biederen ehrenwerthen Charakters allgemeiner Sympathien. Seine Lauterkeit und Gewissenhaftigkeit beriefen ihn in der „Steyrer Liedertafel", dem Gewerbeverein und anderen Vereinen zumeist auf den Posten eines Cassiers, den er stets mit der größten Genauigkeit und Sorgfalt ausfüllte, so dass sein jäher Tod in der ganzen Bevölkerung von Steyr aufrichtige Trauer hervorrief. Der schneereiche und strenge Winter begünstigte das landesübliche Gasselfahren und fanden am 18. Jänner und 5. Februar in Steyr, am 11. und 20. Jänner in Sier- ning, am 20. Jänner in Kremsmünster, am 1. Februar in Bad Hall und am 5.Februar in Mollu Schlitteurennen statt, die zahlreich besucht waren und sehr interessant verliefen. Die Taglöhnerseheleute Josef und Susan na Lauscher bewohnten das dem Leopold Schörfhuber, vulgo Kothleithner, zu Kothleitheu Nr. 72 in der Gemeinde Losen- stein gehörige Häusel, den sogenannten Kohl- kobel. Am 20. Jänner fand der den Weg nächst demselben passirende Ferdinand Wöbrleitner das Häuschen in Flammen und im Innern bereits ausgebranut. Der am Sonnberg be- beschäftigte Josef Lauscher -wurde von dem Brande verständigt, eilte nach Hause und fand zu seinem Entsetzen in dem Trümmerhaufen die verkohlte Leiche seines 60 jährigen Weibes Susann«. Nach den gepflogenen Erhebungen dürfte sie der offenen, nur aus zusammenge- legten Steinen gebildeten Feuerstelle zu nahe gekommen sein, Feuer gefangen haben und so das Häusl in Brand gesteckt und einen gräßlichen Tod gefunden haben. Mit dem kaiserlichen Patente ddo. Wien, 23. Jänner 1891, wurde plötzlich und unver- muthet das Haus der Abgeordneten des NeichSratheS aufgelöst und wurden die Neuwahlen in Oberösterreich für die Landgemeinden auf den 28. Februar, für die Städte auf den 2. März und für den Großgrundbesitz

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