Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1892

102 103 Die Gemeinde Sieruing hatte zur immerwährenden Erinnerung an das vierzigjährige Regierungs-Jubiläum Sr. Majestät des Kaisers eine neue Schule erbaut, welche durch allerhöchste Bewilligung den Namen Kaiser Franz Josefs-Schule erhielt. Am 7. September, Nachmittags zwei Uhr, fand nun die feierliche Einweihung derselben durch den hochwürdigsten Herrn Bischof von.Linz, Franz Maria Doppelbauer, in Anwesenheit des Herrn k. k. Statthaltereirathes Theodor Altwirth, in Vertretung des Herrn Statthalters, des Herrn k. k. Bezirkshauptmannes Hugo Ritter voll Heben streit, des Herrn Bezirks-Schulin- spectors Anton Rolleder, der Herren Abgeordneten Plaß und Strnadt, sowie vieler- Notabilitäten der Schule und Geistlichkeit statt. In feierlicher Procession zogen die Theilnehmer am Feste von der Kirche zur neuen Schule, wo der hochwürdigste Herr Bischof die Einweihung vornahm und der erhebende Festact vor sich ging. Nach der Einweihung der Schule fuhr der hochwürdigste Herr Bischof directe nach Molln zur Firmung, während sich die Festgäste in Angerer's Gasthaus zu einem Festbankett begaben, bei der eine Reihe von Festreden und Toasten die Bedeutung des Tages feierte. * Am 13. September brannte das Muhl- häusl Nr. 2 zu Groß-Koll ergraben in der Gemeinde St. Ulrich nieder. Am Boden in der Nähe des Nauchfanges aufbewahrte Heuvorräthe geriethen .in Brand und verursachten das Unglück. Die Feuerwehren des Bezirkes Weher constituirten sich am 14. September zu einem Feuerwehrenbezirks-Verband, zu dessen Obmann Herr Dr. Gustav M a i x iu Weher, zu dessen Obmann-Stellvertreter Herr Max Strobl Edler von Ravelsberg in Lausa und zu dessen Schriftführer Herr Julius Mamel gewählt wurden. Dank der eifrigen und energischen Thätigkeit des St. Coloman-Thurmban-Vereines war der StadtzZfarrthurm wieder erbaut worden und bildet eine der schönsten baulichen Zierden der Stadt. Am 16. September wurde der Bau in- soferne gänzlich beendet, als an dem Tage mit dem Aufziehen der Glocken begonnen wurde, welche Arbeit der hiesige Glockengießer Herr Josef Peteler übernommen hatte und glücklich durchführte. Nach fünffähriger emsiger Bauthätigkeit ließen von nun ab die Glocken wieder ihre ehernen Töne erschallen und rufen die Gläubigen zu frommem Gebete. In unmittelbarer Nähe des Einganges zum Casino führte von der Garstenstraße zur sog. Ludwig Werndl-Villa eine Holzbrücke, welche zum Wege längs der Villa führt und einen angenehmen, ebenen Fußweg nach Garsten einleitet. Da die Holzbrücke baufällig geworden war, wurde an ihre Stelle eine neue Brücke nachdem System Monier mit steinernen Brückenköpfen erbaut und fand aiu 16. September die Belastungsprobe statt, welche glänzend ausfiel. Die Brücke, welche über Anregung des Vormundes des minderjährigen Sohnes des seligen Herrn Ludwig Werndl, des Herrn Hans M i l l n e r, erbaut wurde, ist das erste Bauwerk in unserer Gegend nach dem Systeme Monier und verbindet mit größter Solidität eine gefällige, schöne Form, die wesentlich zur Vecschönernng des Stadtbezirkes Reichen- schwall beiträgt. Mit allerhöchster Entschließung vom 21. September wurde der Stcyrthalbahn dieConcession für den Flügel von Pergern über Sierning- hofen und Sierning nach Bad Hall ertheilt. Die vorläufigen Subscriptionen unter der Hand für diese Strecke, welche insbesondere den Gemeinden Sierning und Bad Hall große Vortheile zu bringen berufen ist, nahmen einen so erfreulichen Fortschritt, daß vom Verwaltungsrathe der Steyrthalbahn beschlossen wurde, mit dem Baue derselben unmittelbar nach Fertigstellung der Strecke Grünburg-Mollu zu beginnen und die öffentliche Subscription sofort einzuleiten. Bisher wurden die verstorbenen Sträflinge des k. k. Strafhauses in Garsten auf dem allgemeinen Ortsfriedhofe der Gemeinde Garsten beerdigt. Die k. k. Strafhausverwaltung sah sich jedoch in Folge Ueberfüllnug des Orts- fricdhofes bemüssigt, an der nördlichen Seite desselben einen durch eine Mauer getrennten Friedhof, ausschließlich für Sträflinge, herzurichten, dessen Einweihung am 24. September durch den hochwürdigen Herrn Canonicus und Dechant Johann Dürrn- berger vorgenommen wurde. In den Tagen des 27. und 28. September feierte der Männergesang-Verein „Steyrer Liedertafel" das vierzigjährige Jubiläum seines Bestandes und war bei diesem Anlässe Gegenstand zahlreicher Ovationen sowohl seitens der Bevölkerung der Stadt Steyr, als auch auswärtiger Vereine. Das Fest begann mit einem Festconcerte der „Steyrer Liedertafel" im Casino, welches die hohe Stufe bezeugte, auf welcher dieselbe im künstlerischen Männerge- sange steht. Während des Concertes wurde der Liedertafel ein prachtvolles, auf weißrother Atlasseide reich mit Gold gesticktes Fahnen- band in zwei Schleifen überreicht, welche die Widmung und das Motto der „Steyrer Liedertafel" tragen. Das Band ist auf einer reich ausgestatteten Fahnenstange angebracht, deren Spitze eine Lyra mit Spruchband aus Metall bildet. Das reiche Geschenk wurde von den Fräulein Marie B e r g e r, Dora B i ch l e r, Johanna Fochtmann, Johanna Ion a sch und Hedwig Werndl nach einer poetischen Ansprache der Ersteren überreicht, ist ein Werk der kunstgeübten Hand der Meisterin in der Stickkunst, des Fräuleins Therese Kratky, und wurde von den Damen der Stadt Steyr gespendet, wozu sich ein Comite gebildet hatte, an dessen Spitze Frau Fanny M e l i ch a r stand. Nach dem Festconcerte fand ein Festcommers statt, bei welchem die Liedertafel von den bereits als Gäste anwesenden Mitgliedern der Gesangvereine aus Grein, Haag, Mauthhausen, St. Pötten und des „Schubertbund" in Wien beglückwünscht wurde. Der Sprecher der Deputation des „Schubert- bnnd" in Wien, Herr Josef Lö cker, überreichte ein Bild mit den Photographien sämmtlicher Mitglieder des ..Schubertbund" und Herr Ant. N e u l i n g e r, als Sprecher der Herren Bahnbeam- ten. welche während ihrer Anwesenheit in Steyr Mitglieder der Liedertafel waren und nun bei der Generaldirec- tion der österreichischen Staatsbabnen in Wien sind, einen prachtvollen Pokal. Sonntag den 28. September Vormittags wurde nach dem Empfang der Gäste im „Hotel Steyrerhof" ein Frühschoppen eingenommen, während die Musikkapelle des uuif. bew. Bür-ger- corps vordemHotel concertirte, worauf das Festdiner im „Hotel Schiff" statt- fand, bei welchem die „Steyrer Liedertafel" in einer Anzahl von Toasten abermals Gegenstand allgemeiner Ltlinlierl-Denkmal am Galkrnnnerkanse. Cympathiebezeigungen war. Insbesondere der Herr Bürgermeister Johann B e r g e r würdigte die vielen Verdienste derselben und sprach ihr Namens der Gemeinde - Vertretung Dank und Anerkennung aus, welche Kundgebung aus so berufenem Munde der „Steyrer Liedertafel" zur besonderen Ehre gereicht. Nach dem Diner zogen die sämmtlichen Sänger in festlichem Zuge vom Casino über die Promenade, den Schloßberg und die Enge auf den Stadtplatz, wo zur Erinnerung an das vierzigjährige Jubiläum die „Steyrer Liedertafel" am Gutbrunnerhause Nr. 16, in dem Franz Schubert während seines wiederholten Aufenthaltes in Steyr wohnte lind mehrere seiner schönsten Compositionen schuf, eine von dem Künstler Professor Victor Tilgner geschaffene Gedenktafel hatte an- bringen lassen, die nun feierlich enthüllt wurde. Die Gedenktafel trägt die wohlgetroffene Büste Franz Schuberts und die Widmung: „Dem Liedersürsteu Franz Schubert zur Erinnerung an seinen hiesigen Aufenthalt 1825-1827. Die Steyrer Liedertafel anläßlich ihres 40jährigen Gründungsfestes 1890." Der Vorstand der Liedertafel, Herr Dr.Frz. Angermann, hielt die Festrede, worauf der Bürgermeister Herr Joh. Berg er die Gedenktafel in das Eigenthum und in die Obhut der Gemeinde übernahm und der Vorstand des „Wiener Männergesangvereines", Herr Dr. Olsch - b au er der Gedenktafel einen Lorbeerkranz widmete.Nach- dem die Bürgercorps -Capelle das „Ständchen"(„Leise flehen meine Lieder") von Schubert gespielt und die Sänger den Chor „Die Nacht" von Schubert gesungen hatten, wurden die Fahnen der anwesenden Vereine von Ehrenjung- frauen mit Erinnerungsbändern geschmückt und der Festzug begab sich hierauf ins Casino zu einem Commerse, bei dem Vorträge mehrerer Gesangvereine mit Toasten abwechselten und mit dein das erhebende Fest der Liedertafel geschlossen wurde, welches die Gesangvereine aus Bad Hall, Enns, Grein, Grün- ^M, Linz („Frohsinn" und „Sänger- bund ), Mauthhausen, St. Pölten, Schwertberg, Slermnghofen, Wien („Wiener Mäunergesang- verem" und „Schubertbund") und aus Steyr die städt. freiwillige Feuerwehr, der Turnverein und der Männergesangverein „Kränzchen" durch ihre Theilnahme verherrlicht hatten.

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