94 95 die gelbrandigen Blätter der großen, ur- alten Nußbäume int Burghof strich und ' Blatt um Blatt zuni Fallen brächte, trug die monotonen Todtengebete an sein Ohr, die der Burgcaplau arn Sarge der Verblichenen dem Gesinde vorsprach. Ritter Arnhalms Schmerz war grenzen- los und leidenschaftlich gewesen, als aber der Burgcaplau, der den Verzweifelten fast nicht zu trösten wußte, ihm stumm und doch beredt sein Söhnchen zeigte, da ermannte sich der so schwer Geprüfte und gedachte seiner Pflichten als Vater, denen er gelobte, sich voll und ganz zu widmen. Fünf Jahre verstrichen dann dein Ritter im rüstigen Schaffen am Hose zu Steyr. Da kam zum zweitenmale das Leid und pochte an das Thor von Glnnick. In regnerischer Nacht war an das Burgthor ungestüm geklopft ivorden und man verlangte für einen Sterbenden Einlaß. Ritter Arnhalm selbst war in den Burghof hinabgeeilt, zu sehen was es gebe, und da, beim trüben Scheine der Fackeln und Kienspäne, sah er auf einer flüchtig hergestellten Tragbahre seinen Vetter und Herzensfreund, seinen Waffen- genossen bei manch' ruhmvollem, blutigein Strauß, den Ritter Engelschalk von Stadel*), bleich und mit verbundenem Haupte liegen und tief erschüttert half er den Verivundeten in seinem eigenen Gemache zu Bette bringen. Vergebens war alle Pflege, das Schwert des Wegelagerers hatte den Ritter von Stadel nur zu gut getroffen und einige Stunden darairf starb er in den Armen seines Freundes, nachdem er ihm noch mit brechender Stimme fein kaun: zweijähriges mutier-, jetzt auch vaterloses Töchterchen empfohlen und Arnhalm gebeten hatte, Vaterstelle an demselben zu vertreten. Das hatte dieser gelobt und getreulich gehalten und hatte seinen Sohn Pruno und Bertha großgezogen, so gut es eben ein Nittersmann, der sein Schwert im *) Später Stadelkirchen, zu Steyr seßhaft. **) Markgräfin Elisabeth und ihr Gemahl Ottokar VI. liegen in der Garstnerklosterklra>e begraben. Elisabeth war die Schwester des Markgrafen Leopold IV., des Heiligen von Oesterreich. Dienste seines Landesherren 511 führen hat, nur hatte thun können, und der greise Bnrgcaplan hatte in der geistigen Bildung der zwei mutterlosen Kinder getreulich nachgeholfen. Ain Hofe Ottokar Vs. hatte Pruno sich die goldenen Sporen verdient und die Markgräfin Elisabeth war Bertha von Stadel in ihrer Erziehung beigestanden und so hatte sie sich zur blühenden, viel- uimvorbenen Jungfrau entwickelt. Ritter Arnhalm hatte mit stiller Freude zugesehen, wie Pruno und Bertha sich so prächtig entwickelten, und gar manchmal war in ihm der Gedanke aufgetaucht, das schöne Paar durch des Priesters Segen zilm Bunde für's Leben zu vereinen — aber ohne Zwang, nur wenn Pruno und Bertha es selber wollten. Und sie wollten es ja, o, wie gern! Nach einem heißen Turnier tvar's, als die Markgräfin Elisabeth, an deren Seite an der reichgedeckten Tafel zu sitzen Arnhalm damals die Ehre zu Theil geworden war, ihn gar fein im traulichen Zwiegespräch ausholte, wie er über die Verheiratung seines Sohnes Pruno denke. Sie ivisse ein Eh'gemahl für den prächtigen Jungen, ein gar feines, sittsames, wohlerzogenes Mägdelein von gutem Adel, hatte sie so leichthin erzählt, und als Ritter Arnhalm die Stirne univillkürlich in grause Fültchen zog, da er seinen Herzenswunsch betreffs Bertha's und Pruno's gefährdet glaubte, hatte die hohe Frau**) lachend hinzugesetzt : „Ei, ei, Herr Ritter von Glunick, Ihr habt ivohl schon selbst fürgewählt für Euren Pruno — nun, nichts für ungut, wir wollen Euer Vaterrecht ganz und gar nicht beeinträchtigen — aber so fragt doch, ivie das Mägdlein heißt, das wir in Rede haben! „ „Gewiß eine Eurer Hofdamen, hatte Arnhalm ausiveichend und sehr unruhig erwidert, „ich weiß die Gnade, so Ihr meinem Hause erweist, hohe Frau, tvohl zu schätzen, allein, wie Ihr richtig gerathen habt, hatt' ich auch so meine Gedanken über Pruno —" „Recht so und begreiflich, aber seht, Herr Ritter von Glunick, dießmal kann ich Euch nicht helfen, denn ich komme als Fürsprecherin- für ein fertiges Paar", meinte die Markgräfin, geheimnißvoll lächelnd, „daher ich Eure Fürwabl erst später nennen hören will — was meintet Ihr dazu,, mim wir dem wackeren Pruno ein Gemahl gäben, das auch Ihr kennt, — wenn ich etwa Bertha von Stadel nreinte?" Die Züge des Ritters von Glunick hatten sich bei den letzten Worten der hohen Frau sogleich völlig anfgehellt und frendig hatte er seine Zustimmung zur Verlobung des Paares gegeben, die Mark- graf Ottokar noch ivährend der Tafel in launiger Weise bekanntgab, denn seine hohe Gemahlin hatte die Zustimmung des Ritters von Glunick zu der von ihr geplanten Ehe kaum erhalteir, als sie dieß auch schon ihrem Gemahl unbemerkt von der fröhlichen Gesellschaft bekannt zu geben verstand, „denn wisset ivohl, viellieber Ritter Arnhalm", hatte der Markgraf in seiner Rede, in der er die Verlobung des Paares den Versammelten bekanntgab, mit etwas schadenfrohern Seitenblick auf seine hohe Gemahlin lächelnd gesagt, „man muß das Eisen schmieden, so lange es warm ist und Ehen stiften, so oft man dazu Gelegenheit hat!" Das verlobte Paar hatte in Seligkeit Glückwünsche und Händedrücke hinge- nommen, und höchst befriedigt über die Wendung der Dinge war Ritter von Glunick des Abends spät in heiterster Stimmung heimgeritten. Und als er droben auf der Höhe ankam rrnd auf dein ebenen Wege nach Gleink langsam dahinritt, da sah er auf M den Sternen des Hirnmels, die ihm heute besorrders hell zu leuchten schienen, Und er vermeinte da droben arn Himmelszelt gar liebe Sternbilder zu sehen — das verklärte Antlitz seiner dahingegan- gtznen Frau und das seines Vetters und Jugendfreundes glaubte er zu sehen, w ie sie ihm verklärt lächelnd zunickten und zu sagen schienen: „Du hast getreulich gehalten, um was wir Dich irir letzten Stündlein unseres Erdenwallens gebeten, Du hast das Glück unserer Kinder begründet, sei bedankt hiefür!" Da waren ihm plötzlich die Augen feucht geworden bei dieser Vision und er fühlte sich so ivohl und zufrieden wie selten vorher. — Die Jahre waren seitdem verflossen, Bertha und Pruno waren ein glückliches Paar geworden und stramme Enkel des Glunickers tummelten sich mit dem streitbaren Volke in der Burg zu Steyr — und da kehrten die Gedanken Ritter Arnhalms zur Gegenivart zurück, und er dachte, ivie er jetzt wieder in trüber Stimmnng an der Tafel des Rittersaales sitze, denn drüben, im Erkergemach, lag sein Stolz, sein Sohn Pruno, todtkrank darnieder — durch einen kühlen Trunk, den der vom scharfen Ritt erhitzte Ritter auf der Jagd gethan, hatte er sich ein schleichendes Fieber zugezogen, das ihn langsain dem Grabe näher und näher brächte, und angstvollen und scbmerz- durchwühlten Herzens grämte sich an seinem Schinerzenslager Bertha, seine Frau, selbst nahe daran, vor Aufregung und ängstlicher Sorge krank zu werden. Als Ritter Arnhalm mit seinen Gedanken wieder bei der traurigen Gegenwart angelangt ivar, erhob er sich und trat an ein Fenster, von wo aus er dem Laube zusah, das, leise wirbelnd, Blatt um Blatt zu Boden fiel. „Ein Bild von Glunick", murmelte er finster, „auch da löst sich Blatt um Blatt vom alten Stamme, bis ein jäher Sturm auch diesen fällt — Herr, Du prüfst mich schwer!" „Werden und vergehen, so ist der Lauf der Welt", fuhr er nach einer kleinen Weile fort und strich den grauen, dichten s^r häßlich aber sah er gen Himmel und sagte laut und feierlich: „Herrgott, zweimal hab' ich Dir ein gutes Werk zu
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