Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1892

Gleink. Zeitbild aus Steyr's Vorzeit von Heinrich Kematmüller. I. ^^^- er Ritter Arnhalm von Glunick") ^^M° saß in: Rittersaale der Burg "<W^ Glunick an der langen Tafel ^ vor dein vollen Humpen. Er war iiil Hausgewande, aber am Wehrgehänge war der Dolch befestigt, wie das damals üblich war. Fast unbeivusst spielten seine Finger init dem Dolche, denn er sah durch das geöffnete Fenster hinaus gen Steyr, vergangener Zeiten gedenkend und sich jene Ereignisse in's Gedächtnis rufend, die ihn und sein Haus berührten. Der edle Herr war augenscheinlich sehr kummervoll, denn sein wetter- gebräuntes, nicht unfreundliches Antlitz zeigte jenen Zug von Besorgnis, der sich besonders bei älteren Leuten so unverkennbar im Antlitze auszUdrücken pflegt. Ritter Arnhalm hatte auch alle Ursache, hon Besorgnis erfüllt zu sein. Nicht, dass seine inaterielle Lage ungünstig gewesen wäre, oder dass, wie das in jener rauhen Zeit — man schrieb 11)2 — gang und gäbe war, Feinde seine Burg bedrohten, nichts von alledem. Ritter Arnhalm war nicht reich, aber er hatte zu leben und er kebte gut, wenn auch nicht üppig und Friede ivaltete zwischen ihm und seinen ritterlichen Nachbarn, auch stand er hoch '" der Gunst des Markgrafen Ottokar VI., der zu Steyr residirte und ihm ein milder Lehensherr war. Die Schatten der tiefen Besorgnis, die sein durchfurchtes Antlitz umwölkten, hatten ihren Grund in dem schweren Schicksalsschlage, der ihn jetzt getroffen. Arnhalm von Glunick war jetzt einige sechzig Jahre alt, aber seine Gestalt war noch ungebrochen und kraftvoll. Nur zwei- mal in seinem Leben hatte tiefes Herzeleid ihn überkommen: das erstemal, als ihm seine Ehefrau bei der Geburt seines. Sohnes Pruno durch den unerbittlichen Tod entrissen worden war. Das war freilich schon etliche vierzig Jahre her, aber Ritter Arnhalm erinnerte sich daran noch recht genau. Gerade so ein lauer, reiner Herbstabend war es, wie der heutige, als er, von der Jagd zurückkehrend, die freudige Kunde vom Burgvogt vernahm, daß ihm sein Eh'gemal ein Söhnlein geboren habe. Wie jauchzte es auf in der Brust des rauhen Kriegers der steierischen Ottokare, als der Burgvogt seine inhaltsreichen Worte geendet, und wie eilte er sich, Mutter und Kind zu begrüßen! Und vierundzwanzig Stunden darauf saß er hier au derselben Stelle, auch vor dem Humpen, wie jetzt, still und schmerz- durchwühlt im Innern, denn seine Ehefrau lag in der Kemenate (Frauengemach) still und stumm für ewig, und das leise Lüftchen, das geradeso wie heute durch *) Im Jahre 1112, wo diese Erzählung beginnt, stand an der Stelle des heutigen Klosters Gleink die Burg der Ritter von Glunick (Gleunich, auch Klnniche genannt). Das Geschlecht derer von Glunick war nicht besonders reich, aber sehr angesehen am Hofe des -Markgrafen Ottokar VI. von Steyr, dessen Lehensleute die Gliinicke waren.

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