86 standen. Ein jüngerer Bruder hatte sich als Befehlshaber der Truppen die Herrschaft angemaßt und diese obigen Gräuel verschuldet. Das großbritannische Reich ist überhaupt das einzige, in welchem durch seinen kolossalen Colonialbesitz der Janustempel des Friedens nie geschlossen werden kann. Wetgien und Kotkand. Dieses schwer geprüfte Land,, welches trotz der weisen Regierung König Leopold Ü. durch das unfähige Regiment einer nicht abzuschüt- telnden dominirenden Partei, an den Rand des socialen Untergangs geführt wird, bezeugte seinem Herrscher zu Ehren der 26jährigen Thronbesteigung und zur Feier der 60jährigen Unabhängigkeitserklärung am 6. Juli die größten Sympathien. - Es war ein Nationalfest im schönsten Sinne des Wortes. Die Bevölkerung König Withetm III. der Niederlande. macht den König nicht verantwortlich für die Mißwirthschaft der herrschenden Partei, da dieselbe die constitutionelle Majorität hat, aber sie will ihn dieser Macht entreißen, indem die unterdrückte Arbeiterschaft das allgemeine Sttmmrecht verlangt. Zu diesem Behufe wurde am i 1. August ein Massen-Meeting in Brüssel Veranstalter, dem 60.001) Arbeiter beiwohnten. Es kam nicht die geringste Ruhestörung vor. Wenn das clericale Ministerium das allgemeine Stimmrecht nicht bewilligt, erfolgt binnen Jahresfrist der allgemeine Streik. Zur Unterhaltung des gegenseittgen freundschaftlichen Verhältnisses mit dem Deutschen Reich erwiderte der König am 28. October den Besuch des deutschen Kaisers, wo er mit großer Auszeichnung empfangen wurde. Der Gesundheitszustand König Wilhelms von Holland war schon in den letzten October- tagen ein so bedenklicher geworden, daß eine Ausübung der Regierungspflichten ausgeschlossen war. In Folge dessen übernahm der Herzog von Nassau die Regentschaft von Luxemburg und die Königin leistete am 20. November den Eid als Regentin des Reichs. Drei Tage darauf schied der König aus dem Leben. Wilhelm III. hatte 40 Jahre regiert, die Freiheit und Unabhängigkeit des Landes geschützt und dasselbe dem Fortschritte zugeführt. Am selben Tage trat der Herzog von Nassau die Regierung des Großherzogthums Luxemburg an. Auch Belgien hatte am 23. Januar einen schweren Verlust zu beklagen. Der Thronfolger Prinz Balduin, der Neffe des Königs, starb plötzlich an einer Verblutung. Er hatte erst ein Alter von 22 Jahren erreicht. Die Anwartschaft auf den belgischen Thron geht nun an den Prinzen Albert, den Bruder des Dahingeschie- denen, über. Spanien nnd Nortugal. Spanien erfreut sich unter dem weisen Regi- mente der Königin-Regenttn Christine noch immer der lang ersehnten Ruhe, deren es zu seiner politischen und volkswirthschaftlichen Entwicklung so sehr bedarf. Auch der Rücktritt des Cabinets Sagasta's, welcher Anfangs Juli erfolgte, blieb ohne weitere Consequenzen, während ehedem ein solcher Ministerwechsel das ganze Reich in Aufregung versetzte. An der Spitze des neugebildeten liberal-conservativen Ministeriums steht Canovas bei Castillo. Als ein nationales Unglück muß der Brand der Alhambra in Granada betrachtet werden, der am 16. September das weltberühmte Denkmal maurischer Baukunst beinahe gänzlich vernichtete. In Portugal gährte es bedenklich. Man war in Conflict mit England schon im Jahre vorher gerathen und durch das kühne Vorgehen Serpa Pintos, der den afrikanischen Stamm der Mako- kolos, die sich unter englischem Schutze befanden, angriff,war dieser Conflict noch gesteigert worden. Lord Salisbury erließ eine drohende Note nnd das portugiesische Cabinet ließ sich einschüchtern, was große Aufregung in Lissabon hervorrief. Die Minister mußten am 16. September abdanken und erst am 14. October kam ein neues unter Abreu und Soezu zu Stande, aber es vermochte die herrschende Unzufriedenheit nicht zu beschwichtigen. Ende Jänner brach in Oporto eine förmliche Revolutton aus, an welcher sich drei Regimenter regulärer Truppen betheiligten. Die Bürgergarde im Verein mit den Gendarmen und treu gebliebenen Truppen bewältigten indeß die Revotte, die einen entschieden Königin-Negentin ßyristine und ihr Sohn Atphons. republicauischen Charakter hatte. Lissabon blieb ruhig, aber die revolutionären Elemente gähren fort und wir fürchten, in unserer nächsten Jahreschronik entscheidende Ereignisse verzeichnen zu müssen. Schweiz. Nach langen Jahren ungestörter Eintracht hatte dieser Buudesstaat auch wieder einmal am 12. September ein Revolutiönchen zu verzeichnen. Die liberale Partei im Canton Tessin verkannte, unterstützt von 10.000 Unterschriften, eine V.rfassungsrevision. Die ultramontane Regierung schleppte die Entscheidung hinaus und die Liberalen richteten nun eine Beschwerde an den Bundesrath. Plötzlich brach aber die Revolution aus, der Regierungsrath Rossi wurde durch einen Revolverschuß getödtet, Zeughaus und Regierungsgebäude von den Aufständischen besetzt, die anderen Regierungsräthe in Haft genommen und ein liberales Regiment eingesetzt, da dies Alles aber doch ungesetzlich war, so ließ die Bundesregierung Truppen einmarschiren. löste die provisorische Regierung aus und übernahm selbst das Regiment Die Clericalen machten zwar die unerhörtesten Anstrengungen, um wieder aus Ruder zu kommen, allein bei der allgemeinen Abstimmung, die Anfangs October erfolgte, behielten die Liberalen die Oberband. Trotzdem 87 wollte der Staatsrath nicht zurücktreten, und erst am 4. December kam ein Compromiß zu Stande, in welchem drei Conservative und zwei Liberale die Regierung übernahmen. Im Juni wurde dann eine allgemeine Amnestte erlassen. Gegen Ende October brachen nun auch noch im Canton Freiburg Aufstände gegen die dort herrschende ultramontane Regierung aus. Es wurden eidgenössische Truppen aufgeboten und die Ruhe wieder hergestellt. w Die Schweizer Chronik schließt in diesem Jahre mit dem schrecklichen Unfall auf der Jura- Simplonbahn, dem Hunderte von Reisenden zum Opfer fielen. Am 14. Juni stürzten bei Mönchen- stein die zwei Locomotiven und drei Waggons des Zuges beim Passiren der eisernen Brücke, die schon längst schadhaft war und unter der Wucht zusammenbrach, in den Birsfluß. Das System der eisernen Brücken sollte bei Eisenbahnbauten ganz aufgegeben werden, da die Erschütterungen und atrnosphärischen Einwirkungen die Molocülen des Eisens zerstören. HlußtaNd. Die Justificirung Panitza's hat in den russischen Blättern eine wahre Berserkerwutd entfesselt. Während in dem Reiche des'Czaren auf den leisesten Verdacht hin Tausende in den Eisfeldern Sibiriens dem sicheren Untergänge prcis- gegeben werden, bestreitet man der bulgarischen Regierung ihr unumstößliches Recht, einen über- wiesenen Hochverräther, der seinen Fahneneid gebrochen und den Umsturz der bestehenden Regierung geplant, mit dem Tode zu bestrafen. Fürst Ferdinand habe durch seine Abreise vor der Hinrichtung Panitza's nur seine eigene Ham in Sicherheit bringen wollen und Stambulow sei sammt seinem Anhänge eine Mörderbande. In Frankreich hält man die Gelegenheit für günstig, bei dieser gereizten Stimmung für ein französisch-russisches Bündniß zu Plaidiren. Der, wenn auch nur formelle Beitritt Englands zum Dreibund mahne zum offenen Abschluß eines Gegengewichtes gegen diese Quadrupel-Allianz. Die Interessen Rußlands seien in Bulgarien mißachtet, der deutsch-enalische Afrika-Vertrag sei verletzend für Frankreich, Rußland und Frankreich verlören allmälig ihren ganzen Einfluß auf die internationalen Angelegenheiten und trotzdem auch beide Reiche den Frieden wollen, mußten sie doch für den Kineg gerüstet sein. Der Czar hüllt sich bis jetzt in ein mysteriöses schweigen über diese Frage. ^b russische Regierung sucht einstweilen eine Stärkung ihrer inneren Verhältnisse durch die despotischesten Maßregeln zu gewinnen Die unmenschliche Vertreibung von 50.000 jüdischen Familien, die Gewaltschritte gegen die Pro- teNanten und Katholiken, die zum orthodoxen Glauben bekehrt werden sollen, erinnern an die dusteriten Zeiten der Inquisition und mittelalterlichen Christenverfolgungen.
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