Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1892

78 betretenen Weg zurückweichen könne und Ost- Afrika der. Schwerpunkt der deutschen Colonial- politik bleiben müsse. Diese Tendenz gelangte auch bei dem am 27. Juni 1890 dem Major v. Wißmann gegebenen Festbanquet zum Ausdruck. Derselbe bat nur um größere nachhaltigere Unterstützung, da ohne eine solche Fürst Bis- marck's Ausspruch: „was wir haben, halten wir fest", nicht durchgeführt werden könne. Unter dem Jubel der Versammlung wurde an den abgetretenen Kanzler ein telegraphischer Gruß ab- gesendet. Der Kaiser wurde auf seiner zweiten Nordlandsfahrt. in Christiania hoch gefeiert und zum Ehrenadmiral ernannt Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Sympathien, welche er sich Z)as österreichische Klottengeschwader auf der Ayede von PorLsmouth. auch dort erworben, zur Stärkung des Dreibundes beitragen werden. Die österreichischen und ungarischen Schützen wurden auf dem X. deutschen Bundesschießen in Berlin am 4. Juli mit großem Enthusiasmus empfangen und nahm dasselbe überhaupt einen glänzenden Verlauf. Das. Gefühl inniger Bundesbruderschaft zwischen Deutschland und Oesterreich- Ungarn kam zum mächtigen Ausdruck. Der letzte Dichter aus der schwäbischen Schule, Gustav Pfizer, starb am 19. Juli in Stuttgart im Alter von 81 Jahren. Weniger durch eigene Schöpfungen, wie durch seine Freundschaft zu Uhland, Rückert, Schwab, deren Biograph er war, ist er berühmt geworden. Kaiser Wilhelm traf am 2 August zu einem 24stirndigen Besuch in Ostende ein. Der König von Belgien beorderte eine Deputation zur feierlichen Begrüßung. Der Empfang war ungemein glänzend, der Zudrang der Fremden enorm. Am gleichen Tage wurde in Berlin der medicinische Congreß eröffnet. Der Kaiser setzte dann seine Fahrt nach England fort und landete am 4. August in Cowes, wo er noch enthusiastischer wie im Vorjahr empfangen wurde. Es hatte sich auch ein österreichisches Geschwader unter Erzherzog Stefan in Portsmouth eingefunden, welches vom Kaiser und dem englischen Hof mit großer Auszeichnung beehrt wurde- Am 9. August segelte die deutsche Flotte ab und am selben Tag fand die Uebergabe des vom deutschen Reich erworbenen Helgoland statt- England hatte dafür große Landstrecken in Afrika und die gegenseitige Bestimmung der Demarca- tionslinie eingetauscht. Als provisorischer Gouverneur fungirt Capitän Geiseler. Tags daraus traf Kaiser Wilhelm mit der ganzen Manöver- flotte, bestehend aus 24 Segeln, ein. Seine Rede hatte hohe politische Bedeutung. Am 10. August fand die feierliche Enthüllung des Gabelsberger-Denkmales in München statt- Das dankbare Vaterland setzte dem Erfinder der Stenographie, der 1789 geboren und 1849 starb, dieses Monument und sicherte ihm die Unsterblichkeit. Am 14. August trat der deutsche Kaiser seine zweite Fahrt von Kiel nach Rußland zuu» Besuch des Czaren an. Der Tradition seines Großvaters getreu soll auch diese abermalige Visite bezeugen, daß dem Beherrscher des deutschen Reiches daran gelegen ist, mit dem mächtigen Nachbarn auf gutem Fuß zu bleiben. Am 16. traf der Kaiser in Reval ein, wo er, von der russischen Flotte glänzend empfangen, die Reise nach Narwa fortsetzte, wo ihm die Villa Polewzef zum Aufenthalt angewiesen wurde. Dort empfingen ihn auch der Czar, die Czarin und der Großfürst Thronfolger in herzlichster Weise. Die militärischen Schauspiele, die dann folgten, konnten den Kaiser wohl nur äußerlich imponiren. Er setzte dann die Reise nach Petersburg fort und verließ am 23. den russischen Boden. Es hatten zwar Conferenzen KaöelsScrger-Aenümat in 'München. den beiden Kanzlern Caprivi und Giers , ""gefunden, allein selbst die französischen Blätter diesen gegenseitigen Herrschervisiten keine iltische Bedeutung bei. Die kühnen Hoffnungen allgemeine Abrüstung haben sich nicht ^sullt. Rußlands Heere bleiben drohend an den stehen und seinem stillen Verlangen: uwge Oesterreich-Ungarn Preisgeben lass ^ russischen Orient-Politik freie Hand konnte nicht Rechnung getragen werden, bleibt Alles hübsch beim Alten. Auch die sin - ^ Zollpolitik gegen Deutschland verschärft in ^mer mehr, dagegen wurde am 26. August Un^^antinopel zwischen dem Deutschen Reich 8esckl ss ein neuer Handelsvertrag ab79 Am 3. September starb einer der bedeutendsten deutschen Staatsmänner: der bayerische Staatsminister Joh. v Lutz, der 20 Jahre seinen schwierigen Posten behauptet hatte. Er war 1826 geboren. , Die Bestätigung der Wiederwahl Forcken- beck's, des gefürchteten Oppositionsmannes, zum Oberbürgermeister von Berlin ehrt den deutschen Kaiser, der das unbestreitbare Verdienst, das sich Forckenbeck um die rapide Hebrurg und Entwicklung der Reichshauptstadt erworben hat, allen politischen Meinungsverschiedenheiten vorangehen läßt. Am 12. September findet sich der Kaiser in Breslau zu den großen Herbstmanövern ein, zu welchen sich auch unser Kaiser und der König von Sachsen begeben. Wir haben diese Vorgänge schon oben 'ausführlich geschildert und können nur noch hinzufügen, daß Kaiser Wilhelm den greisen.Feldmarschall Moltke auf der Rückkehr durch einen Besuch auf Schloß Kreisau ehrte. Aoyann v. «Lutz. Am 30. September begab sich der Kaiser .um.zwerten Besuch nach Wien, wo er wie oben geschildert, erneu Empfang fand, der noch Nie- mandem zu Theil geworden war. Um auch den ^"keressen Suddeutschlands Rechnung zu tragen m .?"^"/ Oktober wurde dem Dichter des Mensche" liebe"' ?dlen Kämpfer für Freiheit und ..centtyenliebe, dem Reformator der deutschen WinCim S fol e9 ^ gesetzt und am 20. sinnnn^ der liberalen arbeiterfreundlichen Ge- T? ^deutsch-" Kaisers 'zeugte es 4, Die Socialdemokraten ungehindert von der

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