66 Wie aus den nachfolgenden Tagesereignissen ersichtlich werden wird, hat sich auf dem Gebiet der inneren Politik eine höchst bedeutsame Systemänderung vollzogen, deren Consequenzen vorderhand noch gar nicht abzusehen sind. Nach zwölfjährigem Pactiren mit den Czechen ist das Cabinet Taasfe zur Einsicht gelangt, daß nach Vernichtung der altczechischen Partei an Versöhnung und Ausgleich zwischen Deutschen und Fungczechen noch weniger wie früher zu denken sein wird. Welche Mittel und Wege nun gefunden werden sollen, um den Wunsch des Monarchen nach einem Ausgleich zu erfüllen, darüber können wir wohl erst in unserer nächsten Jahresrundschau berichten. Wir wollen nun zu derselben übergehen und boffen, unseren Lesern darin ein übersichtliches _..............„, der gegenwärtigen Lage und Entwicklung .direnden Generals von Pest, des Grafen Nikolaus :er einzelnen Länder und Reiche gewähren zu Pejacsevich, der in Gastein einer Herzlähmung können. Erzherzogin Margarethe «nb Aürst KwerL von TSurn und TaLis. H^sterreich-Nngar-l. Nach dem Schluß der Delegationen, Ende Juni 1890, begannen die Wahlen für die Landtage und es errang die liberale Partei in Mähren einen glänzenden Sieg, wodurch die Gefahr, daß auch dieses Kronland eine Beute der Slavi- sirung wird, wieder vor der Hand über- ivunden ist. Auch Groß-Wien hat sich trotz aller slavischen Demonstrationen am 1. Juli constituirt, uidem sich die Vertreter der Vororte für die Vereinigung mit Wien ausgesprochen haben Der Statthalter Graf Kiclmansegg erklärte, daß die Berathungen über den Gesctzesentwurf, welcher dem Landtag in der nächsten Session vorgclegt werden wird, unverzüglich beginnen würden. Die Czechen hatten mit allen Mitteln der Gehässigkeit von jeher gegen die Bildung und Entwicklung einer Reichshauptstadt agitirt und gaben am 5. Juli wieder einen neuen Beweis ihres Deutschenhasses, indem sie den Abgeordneten von Leitomischl, den früheren Schullehrer Heinrich, als Vertreter der deutschen Nation in die^ deutsche Section des Landes -Schulrathes entsandten. Wer weiß, welche traurigen Erinnerungen sich an den Namen dieses Mannes, der die deutsche Sache so schwer geschädigt hat, knüpfen, wird den Hohn czechischen Uebermnthes, der in einer solchen Designirung liegt, begreifen. Es knüpfte sich unmittelbar der Rücktritt des alten Czechenführers Rieger daran, welcher der Parteiwuth zum Opfer fiel. Am 6. Juli fand die Inthronisation des neuen Fürst-Erzbischofs von Wien, Dr. Gruscha, mit großer Feierlichkeit statt und am gleichen Tage erlitt die österr.-unaar. Armee einen großen Verlust durch das plötzliche Ableben des commanerlag. Der Dahingeschiedene, am 27. Juli 1833 geboren, war eine der populärsten Persönlichkeiten der Armee und durch seine schlanke, elastische Gestalt, welcher der bei Königgrätz durch eine Kanonenkugel weg- gerissene Arm fehlte, allgemein bekannt. Trotzdem verblieb er im Dienste, wurde 1869 Brigadier, 1871 Generaladjutant des Kaisers, 1876 Feldmarschall-Lieutenant und 1886 commandirender General in Pest. ► Am 16. Juli fand die Trauung der Erzherzogin Margarethe mit dem Fürsten Albert von Thuru und Taxis in Budapest statt. Die Sympathien, welche das Herrscherhaus und die Popularität, welche der Vater der hohen Braut, Erzherzog Josef in Ungarn besitzt, gestalteten die Feier zu einem großen Feste für die gesammte Bevölkerung der Hauptstadt. J Vice-Admiral Georg Freiherr v. Millosicz schied am 24. Juli im Alter von 7l Jahren aus dem Leben. Vom gemeinen Matrosen rückte er allmälig zu den höchsten Ehrenstellen in der k. und k Marine vor. Er war 86l5maä6 man im schönsten Sinne des Wortes. - Aber auch die cisleithanische Reichshälfte beging in Gemeinschaft mit dem Herrscherhause nach düsteren kummervollen Tagen ein Familien- und Freudenfest. Am 31. Juli reichte Erzherzogin Valerie, die jüngste Tochter des Kaisers und Königs, ihrem Vetter, dem Erzherzog Franz Salvator, in Jschl die Hand zum unauflöslichen Herzens- bunde. Die Politik hatte mit diesen: Herzens- bündniß nichts zu schaffen.. Die Kaiserstochter durfte frei dem Zug ihres Herzens folgen, der Mann, dem sie gehören will, ist von ihr auserkoren und wenn der Schemel, auf dem sie bei der Vermählung kniete, auch keine Staffel zu einem Throne bildet, so braucht doch kein bürgerliches Mädchen sie um die Freiheit der Wahl zu beneiden. Erzherzogin Valerie ist durch viele Züge eines edlen Herzens längst volksthümlich geworden. Sie ist eine poetisch begabte Natur und ihr Geist schlug schon frühzeitig eine vornehme Richtung ein, welche durch die sorgfältigste Erziehung unter den Augen ihrer erlauchten Mutter fortgebildet wurde. Erzherzog Franz Salvator, von der toscanischen Linie, steht in dem blühenden Alter von 24 Jahren und hat als braver Reiterofficier soeben die ersten militärischen Grade zurückgelegt. Möge ein Widerschein der stillen Seligkeit, die an den Ufern der Traun am 31. Juli begründet wurde, auf ganz Oesterreich-Ungarn fallen und der Genius des Friedens und der Zufriedenheit auch allezeit unser des Friedens bedürftiges Vaterland beglücken. Der Kaiser und König erließ ein Dankschreiben an die Minister beider Reichshälften, in welchem er besonders die wohlthätigen Stiftungen und Widmungen, die aus dem freudigen Anlaß der Vermählung seiner Tochter ins Leben gerufen wurden, hervorhob Am 3. August eröffnete Seine Majestät in Graz die allgemeine steierische Landesausstellung. Die Aufnahme der gesammten Bevölkerung war eine enthusiastische. Der alte Rieger kam am 8. August nach Wien und conferirte mit Minister Taasfe, un: weitere Zugeständnisse in der inneren czechischen Amtssprache und Anderes zu erlangen. Er kehrte aber unverrichteter Sache wieder zu seiner ohnedies vernichteten Partei zurück. Am 3. und 6. August fanden entsetzliche Katastrophen aufderTiroler und derFranzJosefs- Bahn bei Völs und Blowitz statt. Am 9. August starb der Doyen der österr. Schriftsteller, Eduard v. Bauernfeld, im hohen Alter von 89 Jahren. An Ruhm und Ehren reich war er durch mehr als ein halbes Jahrhundert der literarische Repräsentant der gebildeten und freisinnigen bürgerlichen Gesellschaft Wiens. Auf diesem Boden hatte er sich eine hervorragende Stellung in der deutschen Literatur als der gefeiertste und fruchtbarste Lustspieldichter erworben. Aber er war auch Patriot, allerdings nicht im vormärzlichen Sinn; denn er geißelte unbarmherzig den Bureaukratismus und die Reaction.' Sein Leichenbegängniß war eines der pompösesten, welche Wien je gesehen und gab Zeugniß, daß hier der deutsche Dichter noch geehrt wird. Am selben Tage wurde die Riescnhalle des deutschen Sänger-Bundesfestes vom Bürger- Meister Prix übernommen. Wenn auch nur von Holz ausgeführt, ist es doch eine Meisterkunstleistung des Stadt-Zimmermeisters Otte, die durch Kühnheit und Großartigkeit ihres Gleichen sucht. Am 16. August fand dann der pompöse Einzug der Sängerbünde statt und hat Wien seit dem Makart'schcn Festzug nichts Aehnliches mehr gesehen. Die Sänger fanden sich in Wien, als 67 einer deutschen Stadt, heimisch und haben sicher die besten Eindrücke in die Heimat mitgenommen. Am 23. August fand die feierliche Eröffnung der neuen Productenbörse statt. Wien ist dadurch wieder um einen architektonischen Prachtbau bereichert worden. Dem österr.-ungar. Flotten-Geschwader wird in Kiel von der deutschen Marine ein glänzender Empfang bereitet, selbst der König von Dänemark zeichnet mehrere Officiere durch Verleihung des Danebrog-Ordens aus.. Die frühere gehässige Stimmung hat also auch in Dänemark nachgelassen. Die panslavistische Propaganda in Dal- matren nahn: am 26. August durch die Enthüllung eines Denkmals für den bereits 1760 verstorbenen croatischen Dichter Katschich Gelegenheit, sich wieder zur Geltung zu bringen. Die Dalmatiner zeigen aber trotzdem keine Neigung, sich slavisiren zu lassen. Eduard v. Aarrernfetd. Gegen Ende August wütheten in Ungarn verheerende Brände, die Stadt Tokaj ist am 26. August zu vier Fünftheilen niedergebrannt, außer 4o0 Wohnhäusern verzehrte das rasende Element auch die Kirchen und öffentlichen Ge- bäude. Am 27. August starb in Leipa der Vertreter des verfassungstreuen böhmischen Großarund- ^ Reichsrath, Abgeordneter Prior Caj. Posselt un 81. Jahr. Der Dahingeschiedene hat ^utschthum nie verleugnet und sich auch Auster stets offen als ein ehrlicher Freund des Volksschulgesetzes bekannt. Sein treues Ver- halten, seine.große Bescheidenheit, sein humanes, wahrhaft pnesterliches Wirken haben ihm stets ^rehrung und Liebe seiner Parteigenossen, Achtung seiner politischen Gegner erworben. ^:e Deutschen in Oesterreich werden diesem edlen Priester ein ehrendes Andenken bewahren. den ersten Septembertagen schwollen durch furchtbare Regengüsse beinahe sämmtliche 6*
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2