Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1892

56 der a!te Rauchhansl, steht auch beim Sonnenwendfeuer und starrt in die Flam- men. Ei, das wär' nichts, wenn es der Hausvater zu Gesichte bekäme, wie gemüthlich 's der Stösfel mit dem Dirndl treibt. Beim Feuer geht es bunt zu. Die Jungens und erwachsenen Mädchen springen durch die Flammen. Der Bartl, der langbeinige Ochsenbube, ist der erste, der durch's Feuer geht. Der Stösf springt auch durch, da er ankvmmt. O, der Stösf, er geht auch für die Vcfi durch's Feuer.... Und Du, Vefcrl, springst auch durch die Flammen? Freilich, damit der Bub sieht, wie schneidig sie sei. Und noch aus einem andern Grunde: damit — wie-der Volksglaube sagt — einem die Hexen nicht „anmögeu". Hanhan! Die Rauchhansl Negiua und Marianne, die sich nicht über das Feuer zu Hüpfen getrauen, tanzen um die Flammen herum, dabei das Sprüchlein trällernd: „Sonnawend', Soimawend', Daß mich nit 's Feuer brennt, Daß ich bald z'heiraten kumm, Drum lanz' ich 'rum." . . . So !(?§? Ja. — .Jessns, wie's nnterhaltlich ist!" sagt einer der Bursche. „Und wie schön's Wetter ist," darauf der Bauer. „Soimwendnacht hell und rein Bringt viel Heu in dieScheu»'" „Wenn's am Sonnenwendtag regnet, regnet es der Bäuerin in die Teigschüssel," sagt der Ennsthaler und Sölk- nerbauer, damit sagend, daß das Mehl, das dem Sonnenwendregen ansgesetzt ist, nicht so gut „ausgibt", wenigstens nicht so gut sei, als jenes, das — als Getreidekorn nämlich — kein Regen spürte. Der Bauer geht heim in's Bett. Noch lange geht es lustig bei der Fenerstelle zu. Dann schleichen sie sich heim. Und auch der Stösf mit der Vefi. Gute Nacht, meine Lieben!... H n m otiftis ch e s. Aer geschickte „Wakdmann". Förster (seinen Hund an eine vor dem Forsthaus stehende Bank anbindend): Will Dir das Hasenjagen austrerben! Zur Straf' bleibst Du hier angebunden, bis ich aus'm Wald heimkomm'. Weib (ein Bündel Reisig und einen todten Hasen tragend): Alloan z' Haus, Waldl! Wo ist denn Dei'Herr? Na, da hüt' halt schön das verreckte Haserl bis Dei' Herr zurücklimnit. I hab's im Feld g'fnnden. (Legt den Hasen auf die Bank.) Förster (zurückkehrend, indem er den Hasen erblickt): Da hört sich doch Alles auf. Reißt sich der Malefizhnnd von der Leine los, erjagt einen Hasen und bind'l sich selber wieder an. Bilder und VvlKsgeoränche in Tirol. Das Airrgerhakctn. (MArL^ie Cultur, die alle Welt be- deckt, hat sich glücklicherweise noch nicht auf unsere Berg- bcwohner erstreckt. Wer beispielsweise heutzutage in der Schweiz Urwüchsjgkeit, ungeschminktes Volksthum, Einfachheit in Sitten und Gebräuchen suchen wollte, würde höchstens einein mitleidigen Lächeln begegnen. Auf den höchsten Gipfeln der Berge haben sie dort ihre luxuriösen Hotels errichtet, Zu denen man bequem per Dampf gesungen kann. Eigentlich ist die ganze Schweiz nur ein großes Pensionat, in welchem man nach der Classe der Zimmer, me man einnimmt, taxirt und behandelt wird. Anders ist es in unserem lieben Tirol. Wer das Bedürfniß fühlt, in einer erwischenden Gebirgsluft an dem Busen uer Natur von den Mühsalen des Be- (uss und den Aufregungen des städtischen Gebens einige Zeit ausruhen zu wollen, der sindet dort Ruhe, Frieden und Heilung. Unverschämte Hotel-Rechnungen, arrogante und srisirte Kellner, gepantschte Weine und gepantschtes' Essen wird er recht gern vermissen, denn der Tiroler- weiß von Alledem nichts. Von Natur gerade und offen, verschmäht er alle Hinterlist und Gefühlsduselei. Er gibt sich, wie er ist und gibt, was er hat, echt und unverfälscht. Den Fremden betrachtet er als Freund und Bruder und seine tiefe Religiosität gestattet ihm keine gewissenlose Ausbeutung eines Neben- menschen. Er ist noch immer der wahre Sohn seiner Berge; stark, fest und unerschütterlich wie diese, hängt er ani Bleibenden und kennt keinen Wandel der Gesinnung. Gutmüthig und zutraulich, seht er bei Jedem die gleichen Eigenschaften voraus und wenngleich sparsam, ja knickerig, kennt seine Mildthätigkeit doch keine Grenzen. Die Freiheit liebt er über 1’lUeS, doch fügt er sich ans

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