Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1892

46 47 schreitende Cultur mehr und mehr eingeengt, das Weideland in Weizen tragende Fruchtfelder umgebaut werden, gibt es doch in Ungarn, Croatien und Slavonien noch über 4000 solcher Pußten, worunter viele von meilenweiter Ausdehnung. Auf diesen führt der vielbesungene Csikos (Pferdehirt) noch immer ein ungebundenes Naturleben. Er ist das Musterbild einer unverfälschten Race, welche das Gepräge oes magyarischen Volksstammes in seiner ganzen Reinheit an sich trügt. Geboren auf der Pußta, verläßt er Der IuHLsz. dieselbe beinahe nie. Die ihm innewohnende Urkrast schützt ihn vor jeder Krankheit, r trotzt den sengenden Sonnenstrahlen ebenso wie den Winterstürmen. Sein freies ungebundenes Naturleben, bietet ihm Ersatz für alle Genüsse einer höheren Cultur. Mit leidenschaftlicher Liebe hängt er an seinem Roß und an der ihm zur Hut anvertrauten Psecdeheerde. Seinen Namen hat er von dem ungarischen Wort csiko (Füllen) und der Csikos ist auch noch heute der gewandteste und verwegenste Reiter und Pferdehüter, den an Ausdauer, Schlauheit und Kühnheit kein Zweiter der Welt übertrifft. Die Pferde, die seiner Aufsicht anvertraut werden, bleiben mehrere Jahre lang in halbwildem Zustand bis der Zeitpunkt der Zähmung naht. Dann sucht sich der Csikos ein auf der Steppe frei herum- laufendes junges Thier aus, wirft ihm anschleichend die lange Schlinge gleich dem Lasso der Gauchos um den Hals nud nun beginnt der erste tolle Ritt des wüthenden Thieres, das aber bald der Meisterschaft des Reiters unterliegt. Der Csikos unterlag früher dem Verdacht, ein arger Pferdedieb und stiller Bundesgenosse der Betyarcn zu sein. Da aber diese immer seltener werden und schon längst keine geschlossene Zunft in Ungarn mehr bilden, so wird es wohl auch mit dem Pferdediebstahl nicht mehr so schlimm sein. Etwas weniger romantisch angehaucht sind die anderen Pußteuhirtem Der Kuhhirt des Dorfes heißt Csordos (von osoräo = Heerde), die Hüter der großen Rinderheerden, aus denen dae berühmten ungarischen Mastochsen gewonnen werden, nennen sich die Gulyäs (von ^ni.yä — Rinderheerde). Dw Gulyäsen sind starke stämmige Bursche und die Erfinder der ungarischen Nativnal- speise — des Gulyas-bu» — die bereits über die ganze Erde verbreitet ist. Der Schafhirt der Pußta ist der Juhüsz (vongnd —Schaf). Gleich seinem Thier ist er auch der gutmüthigste uuo friedfertigste- unter allen ungarischen Hirten. Er hat meistens eine Heerde von WO Stück Schafen zu überwachen »no znr Weide zu führen, wobei er von jene« gefürchteten großen weißen Wolfshunden unterstützt wird. In Ungar» zählt man gegen 15 Millionen Schafe und wenn auf je 100 ein Jnhäsz kommt, so dürfte der Fürst Eßterhazy seinerzeN in England nicht geprahlt haben, als er bei Vorführung der großen Schafheerde eines englischen Grundbesitzers bemerkte: er habe auf seinen ungarischen Pußten mehr Hirten, als er hier Schafe sehe. Der Kanäsz oder Schweinehirt (von bau — Schwein) ist ein wilder Gesell, der weniger in der Pußta als in Sumpfgegenden und den undurchdringlichen sirwäldern mit seinen ebenfalls halbwilden Thieren haust. Er trägt den Szür, einen weißen aus Kvtzentuch gefertigten Mantel und flicht sich seine lang herabhängenden fchwarzen Haare in Zöpfe, die täglich »iH Schweinefett gesalbt werden. Die Galtst, eine kurzgestielte mit Blei ausgegossene Handaxt ist seine stete Begleiterin und eine Waffe, die er mit furchtbarer Geschicklichkeit handhabt. Mitten Uus der Heerde heraus erlegt er ein beliebiges Stück mit einem aus ziemlicher Ferne geschleuderten Wurf. Man sagt , deshalb: Der Kanäsz ist durch seine Balta sicher vor Jedem, aber nicht Jeder vor ihm. Die Kanüßen bilden eine eigene Äaste und halten fest an ihren Gebräuchen und Gerechtsamen. . Es soll sogar eine Landwirth sch aftliches. Um junge Fauöen auf schnelle Weise zu mästen, setzt man sie, wenn sie anfangen Federn zu bekommen, in ^nen Korb auf eine weiche Unterlage bon Moos oder Heu an einen Ort, welcher der Luft Zutritt gestattet, das ^icht jedoch ausschließt. Mau füttert siun die Thiere füglich dreimal in Zmi- fchenräumen von je fünf Stunden mit gekochtem lauwarmen Mais, wobei man ^hnen den Schnabel öffnet und nach und siach etwa dreißig Körner zum Verschlingen gibt. Hat man dieses Verfahren ^ehn bis zwölf Tage fortgesetzt, so erhält man Tauben, welche au Zartheit Und Geschinack nichts zu wüusche» übrig lassen. Zusammenstellung des MserdeArt Vehme unter ihnen bestehen und finden an gewissen Plätzen ZusammenDer KarrLsz. fünfte statt, wo sie sich über ihre Angelegenheiten berathen und Contracte mit denen abschließen, die ihrer bedürfen. sutters, Sehr wichtig ist die Zusammenstellung des Futters für die Leistungsfähigkeit der Pferde; Heu ist viel we- uiger werthvoll als Stroh. Wenn die Heuration zu Ungunsten der Strohmenge vermehrt wird, zeigt sich bald eine be- mcrkenswerthe Trägheit bei den Thieren, gleichzeitig die Neigung zum Schwitzen, auch bei der leichtesten Arbeit. Bei Vermehrung der Strohmenge tritt das Um- gekchrte ein. Die Thiere kommen nach angestrengter Arbeit ganz trocken in den Stall zurück. Vermehrung der Haferration, Verminderung der Heumenge hat gleich günstige Ergebnisse. So wohlthä- l'ge Folgen gutes Heu für Milchkühe liaben mag, so sehr sollte man die Heu- fütterung bei Pferden eiuschränken.

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