Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1892

40 41 zur gnadenreichen Gottesmutter, sank auf die Knie und verrichtete ein kräftiges Gebet, das lindernden Balsam in sein wundes Herz träufelte, so daß alsbald Friede, süßer Friede in dasselbe einkehrte. Vom Schlafe überwältigt, legte der Hungrige sein müdes Haupt auf den Rasen und schlief ein. Da klang es um ihn her wie himmlischer Engelchor, und im strahlenden Lichtglanze erschien Maria, die Himmelskönigin, mit dem holden Jesukindlein' auf dem Arme. Mit Wundermilden Blicken näherte sie sich dem Bergmann und sprach: „Wache auf, öffne die Erde unter Deinem Haupte und vertraue fest auf Gott!" Der Bergmann erwachte; heiliger Schauer durchrieselte seine Glieder, da er noch immer die überirdischen Klänge zu vernehmen meinte. Neugestärkt sprang er auf, ergriff, um sich zu überzeugen, ob er geträumt oder gewacht habe, seinen wuchtigen Wanderstab und wühlte an jener Stelle, wo er geschlafen, die Erde auf. Doch kaum hatte er einige Zoll aufgeschürft, da sank er plötzlich in die Knie, hob seine Hände gegen Himmel und riefaus: „Gepriesen sei der allmächtige gütige Gott und die seligste Jungfrau Maria, ich bin gerettet!" Ein Klumpen Gold lag zu seinen Füßen, der nun aller Noth ein Ende machte. Mit beflügelten Schritten eilte der Bergmann zii den Seinigen heim und verkündigte ihnen mit freudestrahlendem Gesichte das wunderbare, rettende Ereigniß. Wer beschreibt wohl den Jubel der armen Familie, die auf überaus seltsame und stannenswerthe Weise in die angenehme Lage kam, sich die. lange entbehrten, nothwendigen Nahrungsmittel anzuschaffen, und so ihre Gesundheit bald wieder herzustellen? Gottes reicher Segen aber begleitete auch fernerhin die Unternehmungen des Bergmannes, der von jetzt an auf eigene Faust den Bergbau an jener wunderbaren Stelle betrieb und daselbst viel edles Erz zu Tage förderte. Zur bleibenden Erinnerung an die glückliche Errettung seiner Familie ließ der Bergmann aus tiefer Religiösität und Dankbarkeit neben der kleinen Berghütte eine Statue der heiligen Jungfrau Maria errichten und lebte mit den Seinen noch viele Jahre glücklich und zufrieden beisammen. Manches Jahrhundert ist seit der Eröffnung der Grube, die schon längst nicht mehr im Betriebe steht, im Strome der Zeit dahingerollt, aber einer hohen Verehrung erfreut sich immer noch die Muttergottes-Statue bei reinen und frommen Herzen. V. Per Merggeist und die Mennig- semmet. Eng umgürtet von Bergeshöhen liegt, im romantisch schönen Weseritzthale tief gebettet, die altehrwürdige Metropole des böhmischen Erzgebirges, die k. Bergstadt Joachimsthal, deren Gründung in das Jahr 1516 fällt. Geradezu fabelhaft war der Silberreichthum dieser Gegend, denn man fand, um mit dem berühmten Joachimsthaler Pfarrherrn M. Johannes Mathesius zu reden, an vielen Orten das Erz unter )em Rasen und unter den Wurzeln der Bäume und hielt Ausbeute, wozu man kein Grubenlicht bedurfte. DieKunde von dem überaus gesegneten Bergbaue drang mit Blitzesschnelle durch das ganze Erzgebirge, und von allen Seiten strömten mit dem Rufe: „Im Thal, im Thal mit Mutter, mit all"*) baulustige deutsche Bergleute und Gcwerke herbei, so daß in ungewöhnlich kurzer Zeit Joachimsthal zur glänzenden Blüthe gelangte. Mathesius gibt die Ausbeute der ersten 44 Jahre — die Blüthenperiode war vom Jahre 1516—1577 — aus 40 Tonnen Goldes, d. i. 4,049.568 st nach damaligem Silberwerthe an. Keine der späteren Epochen des Bergbaues konnte sich zur ersten Glanzperiode emporschwingen, nach welcher der arme *) Worte des Chronisten Mathesius. Bergknappe unserer Tage mit frommer Verehrung blickt. Darum haben sich denn auch aus jenen Zeiten des unermeßlichen Erzsegens auf uns so mannigfaltige Bergmanns- sagen vererbt, von denen ich folgende erzählen will. Vor langen Jahren lebte in Joachimsthal ein erfahrener, aber armer Berg- mann, namens Christof Wattmer, der ^ch und seine zahlreiche Familie, so gut es eben Hing, durch seiner Hände Unermüdeten Fleiß red- tich nährte. War auch ostinseiuerHütteSchmal- hans Küchenmeister, so bewahrte sich doch Vater Wattmer stets einen hei- wttn, zufriedenen Sinn, "m den ihn seine Kameraden nicht selten beneideten . Einmal hatte er aber w der Nach! einen bösen ^-raum, der ihn recht traurig stimmte, da er ein großes Unglück be- iürchtete. Derowegen wäre er gern von der kommenden Morgen- tchicht weggeblieben, al- ^in wo die Pflicht tust, da müssen des Menschen Gefüh le schw ei- An. . Mit sorgenschwerem Herzen machte sich also Wattmer beim Tagesanbrüche auf den Weg zum Grubeuhause, Errichtete daselbst den Bergmannssegen ^nd suhr, den üblichen Gruß: „Glück ^nf!" ben Kameraden zurufend, im Manien Gottes in den tiefen Schacht. , . Als er vor Ort kam, arbeitete er spaßig imb unverdrossen, bis er plötzlich t" nächster Nähe ein Klopfen und Häm- wern, ein Aechzen und Stöhnen vernahm, bn» ihm nichts Gutes erwarten ließ. Wie er nun in Gedanken versunken dastand, sah er einen großen, dicken Mann im schmierigen, erdfahlen Gruben- kittel auf sich zuschreiten. Er hatte einen großen runden Hut auf dem Kopf, Schägel und Eisen im breiten Gürtel, in der rechten Hand aber trug er ein Grubenlicht, das die ganze Strecke taghell erleuchtete. Je näher die unheimliche Gestalt kam, desto enger schnürten Furcht und Grausen des Bergmanns Brust zusammen. „Fürchte Dich nicht," redete der Berggeist den zitternden Bergmann an, Zch will Dir kein Leid zufügen, denn Du bist mir gerade willkommen. Sorge täglich für eine Pfennigsemmel, es soll nicht Dein Schaden sein." Der Bergmann that, wie ihm besohlen Waid, und brächte dem Berggeiste jede Schicht eine Pfennigsemmel.

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