46 beigegcbeu waren, auf denen die Marlerwerkzeuge uud die Art und Weise ihrer Verwendung genau beschrieben sind. Wir glauben durch Vorführung dieser historischen Bilder die Schwärmerei uud Sehnsucht nach der „guten alten Zeit" einigermaßen abgedämpft zu haben. Wohl könnten wir noch eine ganze Serie von geschichtlichen Daten vorführen, in welchen der Nachweiß geführt wird, daß der Menschengeist unter der Zwangsherrschaft despotischer Fürsten und fanatischer Priester niemals zu einer freien Entfaltung gelangen kann. Wir glauben indes, daß die obigen Nachweise schon genügen dürften. Erst als die Aera der erleuchteten Fürsten, wie der großen Maria Theresia, ihres unsterblichen SohnesKaiser Josef II., Friedrich des Großen u. a., heranbrach, erwachte bas Volk aus seiner dumpfen Apathie. Nachdem der Menschengeist sich befreit fühlte von den ihn bedrückenden. Lasten der Tyrannei, des Aberglaubens, der Aftcrweisheit verzopfter Gelehrsamkeit, regten sich die Schwingen. Die Heroen der deutschen Literatur traten auf. den Plan und erfüllten durch ihre unsterblichen Schöpfungen die unterdrückte Menschheit mit neuen, erhebenden Ideen, die größten Erfindungen aller Zeiten: des Dampfes, der Telegraphie, des elektrischen Lichtes, wurden m unserem Jahrhundert gemacht. Industrie, Handel und Gewerbe nahmen einen nach den Begriffen der guten alten Zeit unerhörten Aufschwung. Diesen rapiden Fortschritten auf allen Gebieten menschlichen Schaffens und Wirkens konnte auch die weltliche und geistliche Macht nicht länger Widerstand leisten. Die Fürsten erkannten dem Volk den ihm gebührenden Antheil an der Gesetzgebung und der Regierung zu, in fast allen Culturstaaten wurden die Verfassungen eingeführt, und die Geistlichkeit bequemte sich zu einer etwas größeren Toleranz. Indes wir wollten keine Beiträge zur Culturgeschichte der Gegenwart, sondern nur der Vergangenheit liefern. Wir wollten das Bewußtsein wecken, daß unsere Epoche, bei vielen Mängeln nud Schwächen, doch die beste, die fortgeschrittenste aller Zeiten ist. Dieses Bewußtsein muß jedem eine größere Stärke im Kampf um das tägliche Brot verleihen, denn er muß sich sagen, daß seine Altvordercn jedenfalls noch weit schlimmer daran waren. Die Klagen über schlechten Geschäftsgang, Erwerblosigkeit, erdrückende Concurrenz betreffen immer nur Einzelne. In der Gesammtheit lebt die Menschheit heute besser als jemals, und mancher kleine Gewerbsmann darf sich heute einen größeren Luxus und behäbigere Bequemlichkeit vergönnen als in der guten alten Zeit mancher hochgeborene Herr. Der Unterschied ist mir der, daß, weil die Bevölkerung durch schlechte Lebensweise, ungenügende Ernährung durch, Kriege und Pestilenz nicht mehr constant dccimirt wird, dieselbe in fortwährender Zunahme begriffen ist, so daß heute von einer Quadratmeile Land zehnmal so viel Menschen wie vor hundert Jahren sich ernähren müssen. Wien hatte noch zu Kaiser Josef II. Zeiten 225.000 Einwohner, heute zählt cs deren eine Million. Berlin, die Hauptstadt des Deutschen Reiches, hatte zu Friedrich des Großen Zeiten cirka 100.000 Einwohner, heute hausen daselbst 1,400.000, die Quote des auf den Einzelnen entfallenden Verdienstes kann deshalb auch nur eine Proportionelle sein. Auch die Klagen über zunehmende Theuerung sind nicht gerechtfertigt. Alle Jndustrieartikel sind durch die Maschinenarbeit um die Hälfte und mehr billiger als früher, wo sie mit der Hand hergestellt wurden. Es ist berechnet worden, daß die sämmtlichen Maschinen, die in den Cnlturstaaten der bewohnten Erde in, Thätigkeit sind, die Arbeit von 1000 Millionen Menschen leisten, und dennoch sind wieder Millionen Arbeiter erforderlich, um diese Maschinen im Gang zu erhalten. Auch die Lebensmittel sind eigentlich nicht theurer geworden, es ist nur der Werth der Geldzeichen gesunken, die in tausenden von Millionen cursiren. Im Mittelalter kostete ein ganzer Mastochse 5 fl., ein Scheffel Getreide 1 fl. Ein Huhn 5 kr., eine Maß Wein 4—5 fr.; der größte Theil der Bevölkerung konnte sich aber trotz dieser billigen Preise derartige Luxusnährmittel nicht gönnen; denn der Taglöhner, Arbeiter und kleine Gewerbsmann verdienten im Tag nicht mehr wie 5—10 kr. heutiger Währung, da das Geld sehr rar war. Millionäre und Capitalisten im heutigen Sinne des Wortes gab es vor Alters deshalb nur sehr Wenige, während sie heutzutage sich Zu hunderten in jeder größeren Stadt und auch auf dem flachen Lande be- sinden. Der Bauernstand, der heute über drückende Steuern und schlechte Preise seiner Ackerproducte klagt, hat gegen sicher eine wahrhaft goldene Zeit. Zur Zeit der Leibeigenschaft und der Robot war er gänzlich besitzlos, während.er letzt den Grund und Boden den er^ bebaut, doch sein eigen nennen darf. Wenn ^3 nicht zu weit führen würde, so könnten Mir historisch Nachweisen, daß der Bauer uoch vor hundert Jahren schlechter wie da§ Vieh gelebt hat. In unserer gerechtfertigten Bewunde47 rung der gegenwärtigen Aera wollen wir aber doch nicht verschweigen, daß dieselbe eine krankhafte Erscheinung aufweist, mit welcher die früheren Zeiten nur theilweise behaftet waren. Und das ist der Militarismus, unter dem die Völker Europas schmachten. Vom Osten und vom Westen bedrängt sind die Mittelstaaten Europas zu einer Machtentfaltung gezwungen, welche das Mark der Völker aufzehrt. Millionen von Streitern werden der Blüthe der Menschheit entnommen, ihrem Beruf entzogen und dadurch der Nationalwohlstand untergraben. Beinahe muß man wünschen, daß ein gesunder kräftiger Krieg diesem ungeheuren bewaffneten Frieden ein Ende machen möchte, wenn jener nicht noch schrecklicher in seinen Folgen wäre. Die Ideale der Genfer Friedensliga werden dadurch in die weiteste Ferne gerückt; wir geben aber doch nicht die Hoffnung auf, daß eine Zeit kommen wird, wo eine Verbrüderung der Menschheit eintritt und diese mit Staunen und Grauen, wie wir auf Inquisition, Tortur und Hexenpro- cesse, so auf den Militarismus unserer Zeit zurückblicken wird. SinnspD üHe. Nutze deine Zeit, so lauge es uoch au der Zeit ist. Nimm die Menschen wie sie sind, und nicht wie sie sein sollen. Der Mensch hat vor Allem die Pflichten gegen sich selbst uud gegen die Seiuigeu zu erfüllen, daun kommen erst die Pflichten gegen die Anderen. Sei was du willst aber was du einmal bist sei in Ehren ganz, und strebe nach Vollkommenheit in deinem Beruf.
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