36 37 fängnis spedirt, ohne daß auf seine Flüche, Betheuerungen rc. geachtet oder sonst ein Wort mit ihm gesprochen hätte. Auch sein Einwurf, er werde sich schon beim Obergespan des Comitates, der sein Freund sei, bitter beklagen, fand kein Gehör. Man machte kein Federlesens mit ihm und steckte ihn in eine finstere Zelle. Am anderen Morgen ließ ihn sich der dicke Pandurenwachtmeister Csipos vorführen, und schimpfte ihn statt des Frühstücks derart, daß kein Hund ein Stück Brot von ihm genommen hatte. Der Verdächtige legte sich erst aufs Bitten, endlich nahm er eine Zehnguldennote aus der Brieftasche und bot sie dem Wachtmeister, und da das sichtlich nicht half, versprach er noch dreimal so viel, wenn man ihn la-ufen ließe. Aber da kam er schön an. Der dicke Csipos warf seine Pfeife zu Boden, daß sie in Stücken gieng. Dann schrie er wild nach den Paduren: „Kutya tererntette! Bringt's die Bank eina und gebt's ihm gleich fünsuudzwanzig & postorii!“ „I. ch w. w.. werdemi. . mich beim G. .Grafen Na. . Rädny be. .schweren, da. daß man s . so mit m.. mir umgeht!" Das nahm der Pandurenwachlmeister gar übel. „Ah, lens 6x76 weg-! Brauch ich kamen Grüf Räday! Gebt's im glaich lieber fünfzig' Prügel!" Es hätte nicht viel gefehlt und Graf Räday — denn er selbst war es und steckte in der Verkleidung des Spiritus- Desraudanten — hätte fünfzig Stockschläge von seinen eigenen Panduren bekommen. Obwohl er Vollbart und Brille herabriß, hatte er Mühe, die aufgeregten Gemüther zu beruhigen und zu überzeugen, daß er selbst Räday sei, und nur ihre Unbestechlichkeit habe prüfen wollen. Von einemreichen WuchererSzegedins war dem Grafen zu Ohren gekommen, daß derselbe, nicht nur gleich einem Vampyr die ärmere Bevölkerung total aussauge, sondern auch ein Diebshehler sei, zu dem das Raubgesindel von Nah und Fern alles Gestohlene schleppe, das er ihm um einen geringen Preis abnahm und in der Hauptstadt, meist aber in dem nahen Belgrad — in Serbien — zu Geld machte. Wiederholt war Koby Löwy, so hieß derWucherer, in Untersuchung, schwindelte sich aber jedesmal glänzend heraus, ver- ■ schwor sich und seine Vorfahren im Grabe aufs gräulichste; that de- und wehmüthig, wie cs solcher Gattung eigen, und trieb sein unehrlich Handwerk im Stillen weiter. Um ihn einmal in flagranti zu er- { wischen, ersann Graf Räday einen sehr einfachen Plan. Er nahm aus seiner eigenen Behan- 1 sung sechs Stück schwere, silberne Schüsseln, urältester Faeon, die sowohl das Wappen als den Namenszug der Grafen Räday trugen. Auch einen schweren achtarmigen Silberleuchter ans der Schloßkapelle fügte Räday hinzu und gab diese Stücke zweien seiner besten, geriebensten Geheimpolizisten. Ihnen wurde der Auftrag: „Ihr steckt euch in die Kleidung bulgarischer Grenzer, tragt bei Nacht das Silber zu Koby Löwy, bezeichnet es direct ; als „Gestohlenes" und geht jeden Handel ein, selbst zu den niedrigsten Preisen". Zn diesem Abenteuer wählte Graf Räday eine dunkle, stürmische Nacht- Der Regen floß in Strömen und heulend fuhr der Wind durch die überschwemmten Gassen Szegedins. Der Wucherer wohnte am Ende einer der schmälsten und schmutzigsten Gassen und trotz seines Reich- thums glich sein zerfallenes Haus einet wahren Diebsspelunke. Es-konnte gegen zwölf Uhr Nachts sein, als es leise an Koby Löwy's grau- । getünchte Fensterläden klopfte. Der Jude, der an solche Besuche bei Nacht und bei solchem Wetter gewöhnt war, saß in seinem zerfetzten Ledersessel und schrieb auf Zettel die Namen seiner Gläubiger, die er in Kürze dem Fiskal zu übergeben gedachte. Koby Löwy war ein Fünfziger, von langer, doch gekrümmter Gestalt und einem Antlitz, das an in Schweinsleder gebundenen Folianten erinnerte. Die Hackennase, der lange, spitzigeKncbel- bart und die langen Locken zu beiden Seiten der Schläfen, verriethen den Juden auf tausend Schritt. „Wer klopft?" fragte Löwy und horchte gespannt. „Simon Schwarz schickt uns aus, Modos. Ocfinet nur Meister Löwy!" Dieser Schwarz war ein im Temeser Eomitate bekannter Wucherer und dem Löwy befreundet. Der Jude nahm das Licht und ging eigenhändig zu öffnen. Dann führte er die beiden Bulgaren in sein dürftiges Zimmer. Beim Anblick des Silbers funkelten seine Augen vor Habgier, dennoch gab ^ sich den Anschein, als sei ihm am Kaufe dieser kostbaren Sachen äußerst ^venig gelegen. Geringschätzig die Achseln Zuckend, bot er den beiden verkleideten Detectivs einen wahren Spottpreis. Gleich ^sten Hallunkcn feilschten sie um jeden Silbergulden Konventions Münze,und der Wucherer ließ sich durch ihre jammervollen Mienen so täuschen und war über das "gelungene Geschäftchen" so vergnügt, baß er einen zweiten geheimnisvollen Kubekannten empfing, der eine halbe stunde später klopfte. . Es war dies ein langer Zigeuner, ber eine „gestohlene" goldene Uhr brachte. Kuch diese kaufte Löwy gegen einige alte, o>cke Silberknöpfe, groß und hohl, wie sie K Zigeuner an ihren Jacken zu tragen Wegen. Kaum war jedoch die Uhr in des putzen Hand und die Silberknöpfe in ^' des Zigeuners, als der Letztere auf ?^m kleinen Pfeifchen ein Signal gab, ^l das nicht nur die beiden verkleideten ^"lgaren, sondern noch zwei Panduren Zblötzlich erschienen und den erschrockenen oby Löwy am Kragen packten. Graf Räday aber riß die langhaarige Perücke sammt den Kalpak vom Kopfe und rief: „Mit Speck fängt man die Mäuse!" Der Lajos Bäcsi aber hatte über diesen Fall in sein Tagebuch geschrieben: Den 21. October 1853. „Endlich verfluchter Jude erwischt! Vor dem Verhör glaich 25 bekommen. Js viel zu wenig, beste glaich hängen!" Dies sind so einige kleine Daten aus Lajos Föhervärossy's Tagebuche. Zwei Jahre später, als ich wegen eines asolut nicht zahlen wollenden Schuldners neuerdings nach Szegedin kam, fand ich meinen alten Freund im Bette. Er hatte das „Rheumatische", wie der Deutsch-Ungar für Rheumatismus sagt, und fluchte gottesjämmerlich über seinen Zustand, der eines alten Soldaten höchst unwürdig sei. Nicht Pfeife, nicht Tokayer vermochten ihn zu trösten. Zu dieserZeitwurde mir Graf Räday's Gerichtspflege aus eigenerAnschauung klar. Die Verhandlungen mit AladärUjtett, meinem hartnäckigen Schuldner, hatten den ganzen Vormittag in Anspruch genommen, da sich mehrere Gläubiger
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