Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

34 krumm schließen lasse ich dich, sene egye mcg!" Psti, der Kutscher, dem bei meinem Anblicke sofort der Muth wuchs, schüttelte seinen Angreifer von sich, den ich mir nun näher betrachten konnte. Es war ein langer, hagerer Mann von über 60 Jahren, doch rüstig und von sonst wohl martialischer Haltung, die momentan unter der Einwirkung eines tüchtigen Rausches bedeutend litt. Der alte Haudegen, den verschiedene Tapferkeitsmedaillcn schmückten, konnte sich kaum auf den Beinen erhalten. Seine Nase zeigte eine rubinrothe Färbung, aber m den kohlfchwarzen Augen leuchtete, vom Weindunst noch angefacht, ein ungebändigtes Feuer. „Ah! Krisztusät! Ich lasse Dich hängen, wann gestehst dn nicht ganzer Wahrheit!" So tobte der Alte. Mir schien es an der Zeit, für meinen Kutscher zu inter- veniren. Aber da kam ich schön an. Viel fehlte nicht, und der Alte hätte nun mich am Kragen genommen. „Teremtetw! Wer sain Sie! Wann is er Ihre kocsis, hat! Worum laßt er saufen der Pferde aus meinem Amper!" (Eimer). Plötzlich fixirte mich der Alte, schob dann hastig die Kappe ins Genick, so daß eine breite rothe Narbe auf der Stirn sichtbar wurde; legte die Hand an das Büschel Haare, das genau einer Indianer- ] srisur glich, trat auf mich zu und hielt mich an -'den Knöpfen des Paletots fest. Endlich drehte er sich halb zu einem der jüngeren Panduren, die mit ihin ins Schauklokal getreten, und rief diesem zu: „He Kepes! Schau Dir on, den Schwaben! Hot er verdächtige Phisio- nomie! Undkons,langenblonden Schnurrbart — nix gewichst — schaut er aus wie Spitzel schwäbische —" Unter Spitzel verstand man damals preußische Spione. Ich griff in die Brusttasche und zog meinen, vom damaligen Polgarmester (Bürgermeister) und vom Polizeikapitän unterschriebenen Passirschein hervor, den ich dem alten „Schwabenfresser" reichte- Sofort schlug das Wetter um. Er griff salutirend an die Kappe, nannte mich - ,,edes barätom“, entschuldigte sein unfreundliches Auftreten mit der liebenswürdigen Aeußerung, daß „ollerhand Ge- sindl im Ungarland herumlanfe", und nach wenigen Minuten saß Lajos Fehär- vürossy, oder „Lajos-Baesi", wie man ihn allgemein hieß, mit mir und meinem Fxeunde beim Glühwein, von dem ich gleich eine neue Auflage bestellte. Einige Stunden später zogen wir in der Pandurengesellschaft in der alten Festung Szegediu ein, und waren Lajos- Bücsi's Gäste, der es sich nicht nehmen ließ, uns splendid zu bewirthen. . So oft ich nun nach Szegediu kam, pflegte ich meinen alten Freund Lajos aufzusuchen. Saßen wir dann bei einem echten Tropfen Tokayer, der wie Feuer durch die Adern rollte, dann thaute der Alte auf. Er führte seit seinem 25. Jahre, in welchem er'in den Dienst der Festung trat, ein regelrechtes Tagebuch, aus de'M er mir dann Interessantes vorlas. Dies Vergnügen erlitt für mich dadurch keine Störung, daß ich sehr wenig ungarisch, der Lajos-Bacsi ein schlechtes „Deitsch" lvußte. Wir verstanden uns doch. .. Sein Ideal, das Ideal eines ener- Rschen ungarischen Oberbeamten aber war ^raf Nüday, von dem er mir nicht ge- ""g erzählen konnte. Auch ich lernte damals den Grafen kennen, der zu Anfang der Sechziger- w)te, als Festungscommandant mit allen Vollmachten ausgestattet, nach Sze- gedin kam, um deu vielen Räuberbanden, ^e sich zu der Zeit viel zn Schulden kommen ließen, „inores“ zu lehren. , Vor allein machte ihm der berühmte ^közsa Sandor viel zu schaffen. Doch ihm eüt andermal Ausführlicheres. Dem Grafen machte Rüzsa Sandor "Hk so mehr zu schaffen, als es allgemein ^ß^selbst die Beamten und Schließer . k Festungen Komorn und Szegedin — Kluft jene Budapests — steckten mit dem käuberhauptmann unter einer Decke und dlsirten ihn von allen Verfügungen, die ^gen ihn getroffen wurden. .Auf einem seiner Tageblätter hatte s^ajos Föhervarossy folgenden Kommentar "."Zu geliefert, den er mir, so gut es ^'"g, verdolmetschte. Den 26. Juni 1853. »Heute Nacht mit Bola, Hipot und rMkhn Mann die Csarda und das Ge- AÄ "'" Lipotfalva abgesucht. Lagerplatz, Ichenhausen, verkohlte Rehknochen und [, 4 Steinflinte vorgefunden. Asche noch R> o Hundsfötter wieder durchgebrannt. "k^Wind bekommen haben. Na, krie- ^ 1^'ch schon noch!" ob '".sich persönlich davon zuüberzeugen, wen " ^'^si'"> für die ungarischen Beamten -»»"'3 ehrenhaften Gerüchten etwas ertv ^^ sei, verfiel Graf Raday auf Mj^"llunte, ost drastische, aber treffende stin,^""'^ Tages verreiste er auf unbe- wns?^ -3eit und ging officiell nach Or- brm, ^' ""s ftm Stammgut. Zu er- lick "^ die Beamten wirklich bestech- dex'^'E ganz Ungarn behauptete, ließ ^raf von Temesvär aus dem Sze35 gediuer Gerichte durch eiuen reitenden Boten die Nachricht zukommen: „Am 3. Juli Nachts, zwischen 2—3 Uhr kommt der flüchtige Direktorstellvertreter der Spiritusfabrik zu K.. .ny, der im Verdachte steht, 25.000 fl. unterschlagen zu haben und sich auf dem Wege nach Amerika befindet. Derselbe ist von großer, starker Persönlichkeit, trägt langen, braunen Vollbart, blaue Brillengläser, langen Havelok und eine seidene Reisemütze. Kutscher ist ein Walache, spricht kein ungarisch. Blauer, offener Reisewagen, zwei Füchse 3—4 jährig. Der Mann ist anzuhalten und sofort zu verhaften. Besonderes Kennzeichen: Hat ein steifes Bein und stottert." Am 3. Juli, Nachts halb drei Uhr lauerten sechs Panduren — Lajos-Bäcsi an der Spitze — auf der einzig fahrbaren Landstraße. Richtig fuhr ein offener Neisewagen, mit Füchsen bespannt, im Schritt daher und das helle Moudlicht beschien grell einen Reisenden mit braunen Vollbart und blauen Brillengläsern. Sofort war der Wagen umringt, der Reisende wurde verhaftet und ins Ge-

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