Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

82 Gott, das rare Zeng ist manchmal theuer, dafür spar' ich ja sonst, wo ich nur kann, und lass' unnöthig keinen Kreuzer aus der Hand. Nicht einmal ein bettelnder Krüppel kriegt von mir was. Der Kirch' schenk' ich auch nichts und auch nichts der G'meind'. Die Zeiten sind eben zu hart. Sonst aber bin ich ein guter Christ und freu' mich recht vom Herzen, wenn Andere für die Kirch' recht viel spendiren. Für die Ortsarmen, die Bettler, Abbrändler oder sonst durch Neberschwem- mung Verunglückte ihn' ich nichts. Ueberhaupt knicker' ich, wo's nur Halbwegs angeht. Kartenspielen oder Kegelscheiben? Ei freilich! Niemand wird mich bei Karten sitzen sehen — es müßt' denn sein, daß ich dazu- verleitet werd'. Freilich verlier' ich da fast immer ein paar Gulden, aber das ist ja 'ne wahre Ba- gatell'! Der Mensch muß ja doch auch dann und wann seine Zerstreuung haben. Ich spar' sonst genug, zu Haus' muß 's Weib, die Kinder, Knecht und Magd tüchtig d'aus losarbeiten, die Einnahmen sind nicht übel, und doch — es ist zum Teufelholen! — Wo bleibt mein Geld? Schneider und Schuster erhalten wenig von mir und was ich ihnen zahl', ist für mein G'wand. Ich, der Bauer, muß ja reputirlich dahergehen. Bei die anderen liegt nichts daran, wenn's barfüßig daherlaufen. G'spart wird an allen Ecken und Enden — unlängst erst hätt' der Kronen- wirth einen so schönen gemästeten Kapaun g'habt, so goldgelb gebraten war er, 's war schon ein Gusto! Ich hab' mir ihn müssen versagen. Die Hälfte bloß ließ ich mir geben und dazu hab' ich eine Flasche Gerebelten getrunken - ich hätt' noch Appetit g'habt, aber, sagt' ich mir, es muß nicht sein, kannst dich dann zu Haus an Selchfleisch und Speckknödl, die heunt für dich bereit sind, sattessen und ersparst ein hübsches Stück Geld. So stehl' ich mir oft den Groschen vom Mund' ab, und dennoch wird die Tasche leer, rein wie durch Zauberei. Von Passionen, wie sie andere Leut' haben, ist bei mir keine Idee. Andere machen Ausflug', fahren zu Kirmessen, leben lustig in den Tag hinein, und kommen's dann nach Wien, so geht's ju i in Juch und Jubelo. Bei mir gibt's derlei nicht. Nach । Wien komm' ich oft, 's ist wahr, aber dort wird g'spart und der Kreuzer druckt, wie nur was. Höchstens, daß ich mir dort etwas Besser's zum Essen vergönn', ein besser's Weinl trint', mir ein Bist serl was anschau im Theater, im Prater, oder bei den Volkssängern und dann,, wenn sich's just trifft, ein kleines Spiel mach'. Eingekanft wird nichts, umsonst, wird nichts ausgegeben, und wenn ich zu Haus komm' — man könnt' darüber rein den Verstand verlier'n! — zeigt sich's, daß fast nichts in der Tasche ist, obschon ich die Frucht recht vortheilhast verkauft hab'. Und so geht's Woche »m , Woche, Monat mit Monat. Gearbeitet wird tüchtig, verdient wird so ziemlich, ' und die Casse ist doch all'weil leer. Ja, wenn ich nur wüßt', wo mein Geld bleibt! So lamentirt der Hirselbauer jeden Tag — wie man hört, soll es noch einige solcher Hirselbauers geben. Eduard Narik. Rus dem Tagebuche eines ungarischen - Profohen. WWUor einigen Tagen starb im Alter von 8 95 Jahren Lajos Föhervärossy, der 57 älteste Pandnren- ^ profoß Szegedins in Ungarn. Ich habe seine Bekanntschaft auf eine sonderbare Art gemacht, die ich hier er- ^hlen will. . Es war im Jahre 1854. Ich lebte oamals in Pest und wurde als Zeuge in slnemProzesse gegen den Italiener Rigotti 'n ^ozegedin vorgeladen. Geschäftsreisende ffob Marktleute, die vor 25—30 Jahren ^ve Reise aus irgend einem Theile Un- ^'ns nach der Hauptstadt, oder umge- fbhrt zu machen hatten, pflegten alle Vvr- breitungen zu einer Reise ins Jenseits s toffen, als da sind: Testament machen, schied von Haus, Weib, Kind und ,""d und der gesammten Freundschaft zu ^shmen, sintemalen und alldieweilen es um ^ Sicherheit des Lebens und Hab und ^Ut nicht besonders bestellt war. k, Auch ich hatte mich gründlich vorge- tzsn; den bequemen Steirerwagen mit d^e? docken ausgepolstert, die Achsen ^lchmiert, daß das Fett heranstropfte, ui ??» Seitentaschen wohlgeladene Pistolen in Munition. Für Proviant brauchte on nicht zu sorgen. Gutes Weizenbrot wi ^^ edler feuriger Tropfen, den findet T s damals, auch heut noch ein Jeder, u ° die lustige Fidel des Zigeuners läßt , e, wie damals, die Sorgen auf Stun- o vergessen. So machte ich mich denn das ^bm Freunde auf den Weg, der — u? Eann ich versichern — nur etwas uth ^et war, als er heute noch ist. Aus- ^oscheue, holperige Wege sind einmal eine Eigenthümlichkeit Ungarns, die es sich nicht nehmen läßt. Es regnete in Strömen, als wir in Udjanfalva, einem Neste unweit Szegedin, anlangten. October war es und der Herbst zog mit all' seinen Unfreundlichkeiten über die Fluren. Trotzdem es schon zu dunkeln begann, mußten wir auf jeden Fall Sze- gedin noch erreichen. Die „Tagsatzung" oder besser, der Gerichtstermin war für den nächsten Morgen 9 Uhr bestimmt. So ließ ich denn die Pferde füttern, und von des Wirthes rosigem Töchterlein uns je einen Schoppen Glühwein fabriciren. Der Wirth war ein echter Schwabe, hieß Claude Michel und erfreute sich der struppigsten, brennrothen Haare zwanzig Meilen in der Umgebung. Mit herabge- zogenen Mundwinkeln, die Pfeife zwischen den Zähnen, die Hände in den Taschen der kurzen Beinkleider, zu faul, die Augenlider zu öffnen, stand Claude an den Ofen gelehnt, in dem ein lustig Holzfeuer prasselte. Eine Heerde junger Schweinchen lief unter seinen Beinen hindurch und machte gemeinsame Dache mit fünf jungen Katzen, deren Mutter behaglich schnurrend und spinnend ans der Ofenbank saß und sich die Pfoten leckte. Noch war der Glühwein nicht fertig, als vor dem Wirthshaus ein Mordspektakel sich erhob. Gräuliches Fluchen, ungarisch natürlich, Peitschenknallen. Plötzlich flog die Thür auf und meinen Poti, den Kutscher, am Kragen haltend, stolperte ein Pandurenanführer über die Schwelle, zwei andere Panduren hinter ihm drein. „Kutya teremtette! Daher Betyar! Wo is dein Herr? Wonn hast du gelogen, 3

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