Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

26 Situation wie sie war, richtig erfassen zu können. Die Gartenmauer wurde von ihm mit einem einzigen Sprunge übersetzt. Und bergab und dann über das weite Schnee- feld lief er in rasender Eile, die Gold- rolle krampfhaft in der Hand haltend und immerfort sich sagend: „Gott, welch ein Glück! Geschenkt, geschenkt erhalte ich das Geld und kann noch mehr haben, und bin ein reicher Mann, und dem Ru- stiker kann ich an die Zähne fahren, und kann das Everl heiraten, und kann herrlich leben!" Zu Hause augelangt, kam ihm nicht der leiseste Gedanke an Schlaf. Nun konnte er wirklich im Golde wühlen, wie cs so ost sein heißester Wunsch war, und das that er bis zum'Morgen, wo er seine Eltern mit dem Anblick des Goldes mehr in Angst und Schrecken als in Freude versetzte. „Nur rechtschaffen erworbenes Gut gedeiht", sagten die Alten. „Auf diesem Gelde, auch wenn es geschenkt ist, wird kein Segen ruhen." Ezechiel lachte zu diesen Worten und zu den besorgten Mienen seiner Eltern und machte sich auf den Weg nach dem Rustikerhof, absichtlich eine Stunde später, als er hätte an der Arbeit sein sollen. Und da blieb natürlich das Donnerwetter bei seinem Erscheinen nicht aus, was dem Ezechiel ganz recht war. „Ich bin überhaupt nicht gekommen, um bei euch noch weiter zu arbeiten", sagte er so hochfahrend und schnippisch als wie möglich. „Sucht euch nur einen anderen Hanswurst, der euch für vierzig Kreuzer täglich sechzehn Stunden arbeitet. Ich hab' das Dienen gottlob nicht mehr nothwendig. Vielleicht, daß ihr, Rustiker, einmal in Arbeit gehen wollt — na, dann kommt nur und fragt euch bei mir au." Und da schepperte er mit seinen Dukaten in der Tasche und hoheitsvott schritt er unter den ihn überrascht folgenden Blickennder Rustikerleute davon. Denselben Tag noch kaufte er sich ueue Gewänder und dann ließ er cs im Dorfwirthshause hoch hergehen. An Arbeit wurde nicht mehr gedacht. Zu was auch? War das Geld aufgezehrt, so konnte er sich ja im Schlosse anderes holen. „Nur der Besitz des Geldes kann glücklich macheu!" Ja, das empfand der Ezechiel nun zur Genüge und daraus schwur er jetzt mehr denn je mit Leib und Seele. Führte er denn nicht das herrlichste Leben? Er schlief so lange als er wollte, er aß und trank, wie viel und was er wollte, und arbeiten brauchte er nicht und das that er auch nicht. Im Wirthshaus beim vollen Schoppen und bei Kartenspiel war es ja ungleich schöner als beim Pflug. Und so strich ein Tag nach dem anderen in Inch! und Jubilv! dahin. Und als die Rolle Goldes verbraucht war, bekam er im Schlosse richtig wieder ebenso viel Geld und die Erlaubniß da- zu, sich abermals welches abholen z» dürfen, wenn dieses auf die Neige gehe. Und so konnte mit dem Leben in Jubilo wieder fortgesetzt werden. Die greisen Eltern waren über de» jetzigen Lebenswandel des Sohnes aller-" dings sehr betrübt und sie ermahnten ih>> täglich zur Mäßigung und zur Arbeit- Dasselbe that seine Braut, und sie flehte ihn oft au, mit dem Gelde nicht so groß zu thun, das wecke Neid bei den Andere» und sie habe oft mit Angst wahrgenommen, wie die Blicke der Burschen haßerfüllt auf ihm ruheu. Zu solchen Ermahnungen lachte er aus vollem Halse und schlug auf seine mit Gold gefüllte Tasche. „Wer das hat- kann alles haben und der bedeutet was- Alles Andere ist eine Null und nicht werth des Nachdenkens." Und so lebte er nach seiner Weist weiter, Woche um Woche, Monat m» Monat, und da nahte schon der Jahrestag, an welchem er das erste Geld vv» der Schloßfrau erhalten hatte. Bon der Arbeit hatte er sich längst entwöhnt, die Häuslichkeit ist ihm fremd geworden, das Wirthshaus wurde für ihn alles in allem. Bon dem vielen Genusse geistiger Getränke ist aus ihm dem hübschen/ kräftigen Burschen, ein halb blödsinniger, schwammiger, nervenschwacher, jähzorniger, rasch alternder Mensch geworden; seinen Eltern hatte er sich entfremdet und seine Braut wurde gegen ihn täglich kühler. Aber sein herrliches Leben wollte er dennoch nicht aufgeben. Eines Tages mitten im Winter traf er unverhofft mit seiner Brant zusammen. Er kam eben aus dem Wirthshaus, wo er „seiner Nerven wegen" einige weitet Zu sich genommen hatte. Das Everl wollte an ihm vorüber gehen, ohne von ihm Notiz zu nehmen, und das brachte ihn gewaltig in Harnisch. „Du bist ja mit eiuemmale gar stolz worden!" rief er ihr höhnend zu. »Auf was denn eigentlich?" „Na, auf dich schon g'wiß nicht!" Zersetzte sie kurz im Weiterschreiten. Das war Oel für die Gluth seines Zornes. Er eilte ihr nach und an ihrer ^eite weiterschreitend, rief er: „Du willst wohl damit sagen, daß ich für dich viel zu schlecht bin?" „Hast's errathen," sagte sie. „G'rad' das hab' ich mir gedacht und längst 'chon wollt' ich es dir sagen." Er faßte sie plötzlich beim Arm und nöthigte sie zum Stehenbleiben. „Wiederhol' es!" schrie er ihr außer sich vor ^»grimm zu. „Tausendmal, wenn dn willst! Und ^?dem will ich es sagen, daß ich dich Ulcht für werth halte, mit mir noch weiter zu verkehren." Einen Augenblick glaubte er zu träu- wen. Das ihm, ihm, der unausgesetzt wlt Gold in der Tasche klimpern konnte! , „Mir scheint," rief er dann, „dn weißt nicht, was du sprichst." ,.. „Ich bin weder betrunken noch ver- sUckt," sagte sie erregt und mit nicht dlßzuverstehender Betonung. 27 „Und bin etwa ich betrunken?" „Ich will mich mit dir nicht wieder in einen Streit cinlassen. Wir streiten schon seit Monaten jeden Tag und es nützt doch nichts, du willst nicht besser werden. Und darum sage ich dir kurz: lass' mich in Frieden. Ich will nichts mehr hören, nichts mehr wissen von dir." „So, so! Und weshalb nicht?" „Und da fragst du noch? Seit Jahr und Tag arbeitest du nichts, sitzest immerfort iin Wirthshaus, bist ganz verlottert und verbummelt, und einen solchen Menschen sollt' ich zum Manu nehmen?" „Und das", rief er wuthschnaubend aus, „das sagst du mir, mir?". „Könnt' es etwa einen Zweiten angehen? Im ganzen Dorfe gibt es nur einen — Lumpen und der bist du! Jetzt ist's einmal heraus, jetzt weißt du, wie ich über dich denke. . . Geh' nur wieder ins Wirthshaus . . ." „Ja, dahin geh' ich!" „Und lass' nur fleißig die Goldstücke in deiner Tasche aneinanderschlagen, wie es schon längst deine Gewohnheit ist. Ich verachte dich sammt deinem Teufels- gelde! Denn aus ehrlicher Quelle kaiu

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