Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

24 Raum hinauf, „wo das Geld sicherlich in Scheffeln herumsteht, das liebe Gold, für das man alles haben kann, nach was das Herz verlangt, das Gold, mit dem in der. Tasche man den protzigen Rustiker wie einen Knecht für vierzig Kreuzer Taglohn niederdonnern könnte!" Die Thür des ersten Stockes war glücklich erreicht, aber diese, das wußte Ezechiel, führte zu einer in den Thurm befindlichen kleinen Waffengalerie. Er mußte noch höher hinauf. Fast aller Kraft bar, erreichte er das zweite Stockwerk. Hier war die Thüre, Schlosses eintreten mußte. Er trocknete sich den Schweiß von der Stirne und dann an das viele Gold denkend, das er bald in seiner Tasche haben sollte, öffnete er die Thüre und alsbald stand er in einer kleinen Halle. Von diese» betrat er durch eine entgegengesetzte Thüre einen mit einem Teppich belegten und reich ausgestatteten kleinen , Raum, von dem aus er, wie ihm bekannt war, nur durch eine geheime, durch eine Feder zu öffnende Thür weiter vorwärts kommen konnte. Diese Feder, erkennbar an einer erhabenen Stelle an einer der Wände, hatten seine zitternden Finger endlich ertastet. Ein Druck auf diese Feder und m demselben Augenblicke ließ sich aus einem benachbarten Raume ein zwar' seifer, aber scharf vibrirender Glockenton vernehmen, über welchen der Bursche so heftig erschrack, daß er dem Umsinken nahe war. Und dieser Ton war noch kaum verhallt, als sich plötzlich eine Thür öffnete, durch welche eine wahre Lichtfluth in den dunklen Vorraum hereindrang. Geblendet von diesem Glanze mußte Ezechiel die Augen schließen, und der Schrecken über diese unerwartete Wendung machte ihn jählings ganz kraft- nud wie besinnungslos. Er hörte sich anrufen, und es war ihm, als spalte sich der Boden zu seinen Füßen und er sinke immer tiefer in einen Abgrund. Wie er sich zum zweitenmale angesprochen hörte, schlug er die Augen auf und voll Entsetzen sah er sich einer weißgekleideten Dame gegenüber, die eben mit Hast einen Schleier um ihr Antlitz wand. Die Dame befand sich in dem anstoßenden, hell erleuchteten Raume, von wo sie dem im Entröe mehr todt als lebend stehenden Burschen zurief und zuwinkte. „Nun, wollt ihr endlich näher treten? rief sie abermals hinaus, indem ihre schmale, weiße Hand wie unabsichtlich nut einem kleinen Revolver spiele der auf dein Tische, an dem sie stand,' lag. Bebend am ganzen Körper machte Ezechiel einige Schritte vorwärts. Nun würde er gewiß wieder die Hälfte seines Lebens dafür hingeben haben, wenn er sich hätte stracks aus dem Schlosse davonmacheu können. Die Federthüre hinter ihm siel gleich wieder, kauni daß er in den hellerleuchteten Raum cinge25 wiederholt werden, bis es endlich über die Lippen Ezechiel zögernd hervorbrach: „Ich bin ein armer Mensch. Von meinem reichen Brodherrn hab' ich viel zu leiden und anderswo im Orte bekäm' ich jetzt znr Winterszeit keinen Dienst. Ich hörte so viel erzählen von dem vielen Gelde, das hier im Schlosse aufgehäuft sein soll — nnd ich bin so arm, muß so viel erdulden von dem hoch- müthigen Rustiker — und das viele Gold hier, mit dem man'doch so glücklich werden könnt' —" Weiter getraute sich Ezechiel nicht zu sprechen Und es war wohl auch nicht nothwendig. Die Dame wußte genug. Sie blickte eine lange Weile auf den Burschen, der ihr offenbar etwas wie Mitleid einzuflößen schien, dann wendete sie sich rasch gegen einen Schreibtisch, entnahm einem Fache desselben eine Rotte mit Gold nnd händigte diese dem zitternd aufschauenden Sünder ein. „Da nehmt!" rief sie ihm zu. Es ist Geld! Ihr glaubt damit glücklich zu werden. Ich wünsche es euch. Uud ist dieses Geld verausgabt, so könnt ihr euch wieder welches bei mir abholen. Ich werde der Dienerschaft Auftrag. geben, daß sie euch unbehindert zu mir vorläßt. Uud jetzt geht! Verlaßt das Schloß auf demselben Wege, den ihr gekommen seid, um kein Aufsehen zu erregen." Dem Ezechiel mußte wohl diese Wendung der Dinge wie ein Traum vorgekommen sein, weil er Mit den denkbar blödesten Augen und weitgeöffneten Mundes ausschaute, die Rolle Goldes wie ein Heiligthum vor sich in der Hand hielt uud keine Miene machte, dem Befehle der Dame nachzukommen. Seine Beine schienen plötzlich so hölzern geworden und sein Verstand so wirr, daß er sich über wiederholte Aufforderung der Dame, das Schloß zu verlassen, wie eine Marionette zur Thüre hinausschob. Aber am Fuße der Wendeltreppe angelangt, war er bereits wieder derart bei Besinnung, um die treten war, wie durch Zauber ins Schloß und vorne blitzten ihm mehrere Läufe ' sines Revolvers entgegen und von Scheffeln Goldes war leider Gottes gar nichts zu sehen. Das war nun freilich rine noch weit schlimmere Situation, als unter der Zucht des protzigen Rustikers. Die Dame schaute durch das feine Gewebe ihres Schleiers eine längere Weile auf den an der Thüre wie ganz Zernichtet dastehenden Burschen, dann trug sie mit einer tiefen, wie männlich ringenden Stimme: „Wer seid ihr? Was führt euch hier her?" Wahrheitsgetreue Antwort auf diese Frage zu geben, war hier allerdings rine verdammt kitzliche Sache. Ezechiel Drehte seine Pelzmütze in den Händen, narrte zu Boden und schwieg. .. „Wie seid ihr hergekommen?" hub ^e Dame abermals an. „Ihr müßt mit "rr Bauart des Schlosses wohl vertraut sein." „Der frühere Castellan hat mir hier ?Urs gezeigt." versetzte Ezechiel kaum Mbar, den Blick zu Boden geheftet und uch unter Beben fragend, wie die Sache tudeu werde. ^ „Und was wolltet ihr hier, jetzt nach ■ Mitternacht?" . Auf diese Frage Antwort zu geben ?ar wieder unmöglich. Eine Minute ver- !"ich, dann rief die Dame mit Strenge ^u ganz fassungslosen Burschen zu: }. „Antwortet mir auf meine Fragen! Und redet die Wahrheit! In diesem Falle ?"nt ihr ganz frei das Schloß verlassen, l^ust ah^r übergebe ich euck meiner Diener- 'Mt „Gesteht nur: Ihr wolltet mich ^Norden?" Ezechiel fuhr zuckend in die Höhe. "Um Gotteswillen! Wann wäre mir ein ^danke an Mord gekommen!" „Also wolltet ihr mich bestehlen? ^ksteht es nur! Was sonst hättet euch ^sanlnßt, zur Nachtzeit sich in diese ^luile einzuschleicheu?" Diese Frage mußte noch mehrmals

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