Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

22 23 märchenhaften Schlittenfahrt der reichen unbekannten Dame aus dem Schlosse auf seinem ärmlichen Lager lag, waren seine Gedanken mehr denn je mit seinen verbrecherischen Plänen beschäftigt. „Wer doch nur das Geld hätte, was dieser Schlitten und diese zwölf weißen Rosse kosten!" sagte er sich, und da malte er sich im Geiste das herrliche Leben aus, das er mit diesem Gelde führen könnte. Mit diesem, nach Willkür vor sich hingezauberten üppigen Gemälde noch beschäftigt, brach er plötzlich in ein schrilles Lachen aus. „Ja, arbeite nur und darbe und hast du auch keinen Groschen in der Tasche, so kannst du dennoch glücklich sein. Waren es denn die Eltern auch wirklich bei ihrem ewigen Elend? Und mir soll es auch so ergehen? Wir sind bettelarme Leute, und ich muß im Taglohn arbeiten, um nur das nackte Leben zu erhalten. Wann soll ich mein Evchen heimführen? Die kleine Wirthschaft ernährt kaum die Alten. Wir müßten alle vier verhungern. Und wie der Rustiker lebt und wie der in seinem Gelde herumwühlt!" Bei diesem Gedanken sprang der erregte Bursche von seinem Lager auf und ging in der Kammer mit weiten Schritten auf und ab. „Und wie höhnisch mir der herrische Bauer heute zugerufen: L>o ein Bettel- volk wie du, muß überhaupt froh sein» wenn es in einer Wirthschaft, wie der Rustikerhof ist, arbeiten darf! Was? Bis acht Uhr Abends arbeiten, ist dir zu viel und vierzig Kreuzer täglich Lohn sind dir zu wenig?... Ha, diesem Menschen nur ein einzigesmal den Herrn zeigen können! Nur ein eiuzigesmal diesem hochmüthigen Manne zudonnern zn können: Such' dir einen anderen Narren für deine vierzig Kreuzer täglich und für deine Seccatur! Ich brauche dich nicht, ich hab' Geld genug! Hui, wie der vor Galle springen und blut roth werden und Augen machen würd', wenn ich ihm eine Hand voll Gold unter der Nase stecken könnte!" Bou solchen und ähnlichen Gedanken mehr ließ sich Ezechiel stundenlange fol-! lern, wobei seine längstgehegten Pläne immer deutlicher iu seinem Innern hervortraten. Plötzlich schien er selbst von einer mit einemmale in seinem Geiste aus- getauchten Idee überrascht worden ZN sein. Er blieb stehen, verfolgte den Gedanken, wobei sein immer röther werdendes Antlitz deutlich seine innere Erregung wiederspiegelte. Endlich hatte er einen Entschluß gefaßt. „Und daß ich darauf nicht schon vor Stunden verfallen bin!" sagte er sich tief aufathmend, indeß er anch gleich hastig nach seiner Joppe und nach seines Pelzmütze griff. „Das ist ja diejenige Gelegenheit, auf welche ich wochenlang^ gewartet habe! Die Schloßfrau fort, der größte Theil der männlichen Dienerschaft fort, wie lange müßte ich warten, ui» es wieder so passend wie heute anzu- treffen? . . . Aber, wenn sie von ihrer Ausfahrt schou zurückgekehrt wäre!" Einen Augenblick blieb er unschlüssig Das glückte dem Burschen vollkommen. Im Park herrschte die Stille eines Friedhofes und im Schlosse schien auch Alles bereits im tiefen schlafe zu liegen. Daß die Herrin des Schlosses von ihrer Schlittenfahrt zurückgekehrt sein und noch wachen könnte, fiel dem verwegenen Menschen im Augenblicke gar nicht ein. Er sah kein Fenster des Schlosses beleuchtet, er horte ringsum nicht das leiseste Geräusch und das ließ ihn hoffen, daß er ungehindert seinen Plan werde ausführen können. Nun hastete er über die Wendeltreppe des Thurmes empor. Dieser Thurm, ein walzenförmiges Ungeheuer, stand rückwärts des Schlosses, fast angelehnt an den Felsen. Bour Garten aus gelangte man durch eine kleine Pforte zn der Wendeltreppe des Thurmes und über diese konnte man direct in das Innere des Gebäudes kommen, und zwar in diejenigen Gemächer, die, wie Ezechiel von dem früheren Castellan erfahren, von den jeweiligen Schloßbewohnern als Schlafgemächer benützt werden. Für den Burschen war es ganz zweifellos, daß die gegenwärtige Besitzerin von Zvorbanz ebenfalls in diesen Gemächern wohnen und hier ihre Reichthümer verwahrt haben werde. Im Glauben, direct auf sein Zrel losznsteueru, näherte er sich der kleinen Pforte des Thurmes; doch schreckte er ängstlich zusammen, als er die Pforte offen, die Wendeltreppe mit einem dicken Teppich belegt fand, und die Wände des Treppengehäuses urit Goldtapeten geschmückt sah. Er hielt diesen sonst so verwahrlose gewesenen dumpfen Aufgang für einen geheimen und niemals benützten, und nun diese Ausstattung, die bentlid) verrieth, daß dieser Weg oft benützt werde! Seine Knie zitterten, als er die teppichbelegte Wendeltreppe emporschritt, die Augst trieb ihm große Tropfen auf die Stirne, aber er ging dennoch vorwärts, schleppte sich gewaltsam in dem in dem nächsten aber war er schon zum Fenster seiner Kammer hinaus und auf dem Wege nach dem Schlosse Zvorbanz. Dieses lag etwa dreiviertel Stunden vom Dorfe entfernt, auf dem platten Gipfel eines Hügels und ringsum fast eingeschlossen von mächtigen Bergen. Man konnte es erst dann wahrnehmen, wenn man bereits unmittelbar vor dem- felben stand. Das Innere des Schlosses war dem Ezechiel aus der Zeit noch bekannt, als in dem zerbröckelnden Gebäude Niemand sonst als ein alter Castellan wohnte. Dieser fand an dem hübschen,, aufge- weckteu Bauernburschen ein besonderes Gefallen, er führte ihn oft durch die weiten Räume des Schlosses und was er selbst ihm nicht zeigte,, hatte der Neugierige und stndige Bursche alleiu errathen. So kam es, daß Ezechiel mit der Bauart des Schlosses vollkommen vertraut wurde und auf diese seine Localkenntnisse baute er seinen verbrecherischen Plan. Unterwegs zum Schlosse schreckte er Wohl mehrmals zusammen; die tiese Stille ringsherum erfüllte ihn mit Angst, jedes noch so leise Geräusch ließ ihn keichenbleich zusammenfahren — aber jede Regung seines Gewissens wurde gleich wieder unterdrückt durch die Aussicht, bald im Golde wühlen zu können. „Geld, nur Geld, und ich bin glücklich! • Und was schadet es der reichen Dame, wenn sie in ihrer Casse um einige hundert Gulden weniger findet!" Das Ziel war endlich erreicht. Schloß Zvorbanz stand mit seiner Hinter- sront an einem mächtig emporstrebenden Granitfelsen angelehnt, der vordere Theil war von einem weiten baumreichen Park umgeben, den eine hohe Mauer umschloß. Ezechiel ging die Parkmaner entlang bis zu der Stelle, wo die Maner in den rückwärtigen hohen Felsen förmlich hin- eingebaut zu sein schien. Da allein war es möglich, die Mauer ohne sonstige Hilfsmittel zu übersetzen.

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