Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

20 21 Rosse und dieser ganze Zug blitzschnell durch die Nacht dahinschießend — wem wäre bei diesem Anblick nicht ein Märchen in den Sinn gekommen? Dem Ezechiel stockte der Athem, als er diese blendende weiße Karavane an sich vorüberjagen sah. Und mit weitge- öffneten Augen verfolgte er sie, bis Alles im nahen Gebirge im Dunkel eines Tannenforstes verschwand. In die Stube zurückgekehrt, fand er die Eltern am Fenster stehend. „Es war die Schloßfrau von Zvor- banz", sagte der alte Wylassicz gegen seinen eintretenden Sohn, der nur mit dem Kopfe leicht znnickte. „Die", fuhr der Alte fort, „könnte dir sehr gut als Beweis dienen, daß Reichthum allein-nicht glücklich macht." Ezechiel warf erstaunt seinen Kopf empor. „Aus was schließt ihr das, Vater? Ihr habt diese Frau nicht einmal gesehen." »Wer hier, kann sich dessen rühmen? Es gibt nicht einen einzigen Menschen im Orte, der mit Recht sagen könnte, er habe das Antlitz dieser wunderlichen Frau gesehen." „Und dennoch wollt ihr behaupten, daß sie nicht glücklich ist?" „Ich schließe das aus so manchem." „Da wäre ich doch begierig." „Zunächst, sie ist alleinstehend —" „Und unermeßlich reich." „So sagt man und so wird es auch sein", sprach der Alte. „Denn um die alte Schloßruine Zvorbanz in so kurzem Zeitraum in bewohnbarem Zustand zu versetzen, wie cs geschah, das allein er- fordert -schon ein Vermögen. Und im Schlosse selbst soll jetzt ein fabelhafter Reichthum aufgestapelt sein. Gesehen hat ihn allerdings Niemand, wenigstens nicht von uns Bauersleuten. Wer darf über das Parkgitter hinaus? Und vom Schlosse kann man nur die Außcnmauern be- rrachten." „Und dennoch behauptet ihr —" „Lass' mich ausreden! Jetzt ist die Frau ein Jahr in unserer Gegend. Woher kam sie? Kein Mensch müßt es an- zugeben. Wer ist sie, wie heißt sie? Wir nennen sie die Schloßfrau von Zvorbanz weil sie das Schloß Zvorbanz angekauf hat und nun bewohnt. Ihren richtigen Namen aber kennen wir nicht. Ist sic jung oder alt, schön oder häßlich — wer wird dir darauf Antwort geben? Dil Schloßdienerschaft ist verschwiegen wie das Grab und sonst hat noch Nieman!» ihr Gesicht gesehen." „Aber eure Behauptung —" „Jetzt komme ich darauf. Die Fra» muß zweifellos sehr reich sein, das gebe ich zu. Aber sie flieht die Menschen und das thut kein Glücklicher. Zur Nachtzeit fährt sie aus mit einem Pompe, wie wir eben jetzt gesehen. Ins menschenleere Gebirge, wo es bei schönstem Sonnenglanz schon schauerlich genug ist, fährt sie bei Finsterniß und Schnee. Zul Nachtzeit reitet sie aus als Mann verkleidet und mit einer Larve vor dei» Gesichte; zur Nachtzeit sieht man sie i» weißen, wallenden Gewändern auf der Zinne ihres Schlosses gleich einem Ge- spenste dahinwandeln. Derlei mein Sohn, thut kein glücklicher Mensch." „Aber wenn es ihr so gefällt?" „Eben weil es ihr so gefällt, ist ei» Beweis,, daß ihr Verstand oder ihr Her» leidend sein muß " „Ach, ihr versteht das Thun solcher Leute nicht," sagte Ezechiel achselzuckenddem, daß sie die Nacht zum Tage macht, würde ich nur eine etwas ausschwei- fende Laune einer reichen Dame sehen- Und reich ist sie, unermeßlich reich! Und wer das ist, wie könnte er nicht alütf^ lich sein?" a „Womit du also wieder behaupte» willst,' daß nur der Besitz des Geldes glücklich machen könnte?" „Ja," rief Ezechiel aus, „das will ich damit sagen. Geld! Nur Geld! Und dann kann man Alles haben, nach was das Herz Verlangen trägt! An der Schloßsrau von Zvorbanz ihrer Stelle sollte sein, ha, wie wollte ich da leben! Wie wollte ich dem auf seine Geldsäcke pochenden, großprotzigen Rnstiker be- Zegnen, wie wollte ich ihm seinen Hochmuth und seine Hartherzigkeit vergelten!" „So ist es!" sprach der Alte. „Und uas habe ich mir auch gedacht. Im Hause Rustiker bist du so geworden. Er ist mn stolzer, herrschsüchtiger Mann, und sein Weib ist nicht besser. Beide fordern ^urch ihr hartes, schroffes Benehmen zum Haß und zur Rache förmlich heraus. Na, das wird ja wieder anders werden, wenn du nur erst das Haus des Rusticker ver- mßt. Bei uns siehst du Armuth, aber duch Zufriedenheit, und so wie wir sind md wie wir waren, so warst auch du Md sv wirst du auch wieder werden " „Warst ja sonst immer so brav und fügsam," sagte Ezechiels Mutter zu Mm Sohn, „und hast niemals 93er- anQen gehabt nach fremden Gut. Glaub' B? nur, man kann auch mit wenigem ÄEkich sein. Sein Glück findet man in der Tasche, sondern in der eigenen <>?pft.... Aber nun gehen wir" zu Bett wird schon spät." c n »Ja, gehen wir schlafen. Und träumen ^ dir davon," rief der Alte seinem der ^ zu- „daß ich gesagt habe: mit h ^chloßfrau von Zvorbanz wollte ich, ui^mne fünfundsechzigjährige Landmann, ^i für Millionen tauschen." $ Ezechiel lachte laut auf, zündete seine -Ka "'"pe "" und begab sich auf seine sj^wer, wo er, angekleidet wie er war, 1 auf das Lager warf. Ucke ? Augen starr nach der Decke ge- feit E' sann er über das nach, was schon i)-kk.mehreren Tagen seinen Sinn uuab- "sslg beschäftigte' ^ Der Reichthum im Rustikerhof, in dem fy^ „ armer Taglöhner bedienstet war, b°sj?^pige Leben, das der reiche Grund- U^^,führte, hatte seinen Neid erweckt, Wkr <= hochmüthige, hartherzige Be- sg^Mung, die er dort erdulden mußte, das b in seiner Brust du Gefühl au, Er bisher uicht gekannt hatte. „Es dem Rustiker gleich thun und mich an ihm für seine Verachtung der Armuth rächen zu können, das wär mir nicht mit meinem halben Leben zu theuer bezahlt!" Das war sein steter Gedanke. Und zu diesem gesellten sich bald andere. Im Rustikerhofe sprach man wahre Wunderdinge von dem immensen Reichthum im Schlosse zu Zvorbanz. Darnach hätte dort das Gold nur so herumliegen müssen. Früher fühlte sich Ezechiel ganz zufrieden mit dem Wenigen, was er besaß, und es siel ihm nie ein, die Reicheren um ihr Vermögen zu beneiden. Anders jetzt, wo er die Macht des Geldes im Rustikerhof auf recht schmerzliche und erniedrigende Weise zu verkosten bekam, wo er täglich von seinen Leidensgenossen' im Dienste hören mußte, das nur der Besitz des Geldes allein glücklich machen kann. „Für Geld kann man alles haben, alles!" Insbesondere aber wirkten die abenteuerlichen Erzählungen über den großen Reichthum im Schlosse zu Zvorbanz sehr nachtheilig auf seine durch er- littene Kränkung wild erregte Phantasie. Das viele Geld in dem nahen Schlosse ging ihm bald gar nicht mehr aus dem Sinn. Und je länger dieser Gedanke in seinem Kopfe nistete, desto brennender wurde in ihm das Verlangen nach dem einzigen Schatze, für den man alles haben kann; alles!" Mit solchen Gedanken war freilich nun auch schon der Weg betreten, der zur Erlangung dieses einzigen Schatzes führen konnte. Für Ezechiel lag dieser im Schlosse zu Zvorbanz und er sann Tag und Nacht darüber nach, wie er sich in den Besitz desselben setzen könnte. Sein Gemüth wurde schließlich so verbittert, seine Urtheilskraft so gelähmt, daß er, als er bereits zu einem Verbrechen entschlossen war, kaum inne wurde, welch entsetzliche folgenschwere That in seinem Vorhaben liege. . Nun als er nach dem Anblick der

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