Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

8 wo du dich nach dem treuen Jugendfreunde sehnen, seine Hilfe herbei wünschen wirst. Wie du mein Leben vergiftet — so möge das Schicksal dirheimzahlen!" Nun war er fort. Die Thür hatte sich hinter ihm geschlossen. Nachdenklich stand Irma Földös noch ein Weilchen auf demselben Platze — dann begann sie sich langsam zu entkleiden. Bald lag sie in ihrem Bett — aber — seltsam — der Schlaf wollte nicht kommen-— so mancher Gedanke huschte hin und her — schon begann der Haushahn die vierte Morgenstunde zu verkünden, als Irma erst in unruhigen Schlummer verfiel. Bier Tage später gab es auf dem Pachthofe einen großen Festtag, wenn auch — einen officiellen. Vor dem großen Einfahrtsthore erhob sich eine Art Triumphbogen aus frischem Tannen- und> Birkenreis, von dem lange Schleifen in den ungarischen Landesfarben herabwehten. Von dem kleinen Thürmchen, daß das Herrschaftshaus zierte, blähte sich eine Tricolorc im Morgenwinde. Alle Wege in Hof und Garten waren mit Kies und rothem Sande bestreut, während im Stalle die Pferde geputzt, gestriegelt und glänzend, ihre mit bunten Bändern geschmückten Köpfe stolz erhoben. Anch die Knechte und Mägde gingen rin Sonntagsputze umher. Trotzdem seit vier Uhr Morgens fast alles schon fix und fertig war, lief Miklos, der Ober- Boros, vom Stall zum Schuppen, vom Schuppen in den Garten, ins neue Gewächshaus, in den Geflügelhof, wo er die Enten und Gänse einsperrte, endlich aber in die Küche, um von der alten Kathrin zu erfahren, ob es wohl heut fern Leibgericht „Topfen-Haluska mit Speck" zur Feier des Tages geben möchte. Es gab Topfeu-Haluska, was Miklos ln die froheste Laune versetzte. Endlich gmg .Miklos ins Wirthschaftsgebäude, um die Födölsnä zu fragen „ob man den Mägyarüder und Tokayer jetzt schon aus dem Keller wohl holen solle;" aber er fand die Wirthschafterin weder in ihrem Zimmer, noch in der Küche. Irma Földös war im Garten. Sie saß auf ihrem Licbliugsplätzchen — der knorrigen alten Hvlzbauk in der Noseu- und Jasminlaube. Die fesche Wirthschafterin hatte keinen üblen Geschinack. Im ganzen großen Park nnd Garten gab cs kein versteckteres lauschigeres Plätzchen, das sich einst die verstorbene Frau von Csüvossy ausgesucht und nach eigener Angabe hatte Herrichten lassen. Jolantha von Csävossy, die Tochter des Obergespans vom Beszprimer Comi- tate, eine stolze nnd vornehme Schönheit, hatte auf Befehl ihres Vaters dem damals politisch hochangesehenen, reichen Bola von Csävossy ihre Hand gereicht: die Hand wohl, doch nicht das Herz — das war einem schönen geliebten Husarenobersten geblieben. Die alte Laube hatte vieleThränen gesehen — manchen Seufzer gehört; doch ihre Blätter und Blüthen plauderten nichts aus. Sie starben jeden Herbst, um im Frühling ein fröhliches Auferblühen zu feiern. Die Földösn« starrte träumerischen Anges in das grüne Blattwerk/ das sich über ihr wölbte. Irma Földös war sonst keine Natur, die sich viel über den stillen Haushalt der Schöpfung den zierlichen Kopf zerbrach. Heut aber saß sie in der Jasmin- laube und ganz seltsame Gedanken durchschwirrten wie Fledermäuse ihr Gehirn. Der Gutsherr konnte jede Minute eintreffen. Er kannte sie nicht, hatte sie noch niemals gesehen, da sie ihrem Gatten, dem alten Janos nach der Abreise des Gnädigsten angetraut worden war. Würde sie ihm gefallen? Würde erste im Dienste behalten? Auch dann, wenn sie ihre Hand dem jungen schönen Tilos---------Der Gutsherr war alt, hoch in den sechziger Jahren; war kränklich, vielleicht starb er bald — sie könnte versuchen---------. Der Földölsnö Gedankenflug ging hoch. Sie war ein speculatives, berechnendes Weib. Das hatte sie ja schon bewiesen, als - sie vor vier Jahren den armen Jussuf laufen ließ, um ohne Bedenken und jedwede Neigung für ihn . alten Verwalter zu nehmen. Welch nn Triumph, wenn sie, die arme frühere Schafhirtin es erreichte, daß der Gnädigste sich für sie interessire — Sie trat ans der Laube und unter den Schatten einer mächtigen, vierschrötigen Eiche, die erhaben über das Garten- Plateau auf einem Hügel stand. Von hier aus konnte man ein gut Theil des Parkes, des Gartens und der Gebäude übersehen. „Wenn das Alles dir gehörte?" tagte sich Irma leuchtenden Auges ..Gleichviel, auf welche Weise — 'nur Herrm möchtest du hier sein " ^„,?" Földösnä ehrgeizige Träume SM ^ä) Zwei Hände, die sich ur- ^^“fc legten, gestört, volle Stimme f 9 klang- ^'' ÄM\mtliberte lachend ^"^ ~ "MitSpeck fangt man Mäuse —" lachte Tito«^ ”"• “^ die Weiber!" X ¥ °* der junge Verwalter. „Hier nb Quillst am hellen Tag U ^eum Augen, die einen her- — mmenden Christenmenschen nicht sehen Riis d,-^9 ?pften Ohren, die selbst den ruf des Liebsten nicht hören? Der Herr . lebe S.«d. stiiTangeii Ä f ehst hier und banst dir Leitern in den Himmel?" " w ., ®v zog sie zärtlich an sich ntlb c^u IntfäiX Duzenden Augen. Wie viel Wei n ^ fr erspart geblieben, Seele bätt- ^ ^" Grund von Irmas „ hhtte leien können. Ob er sie wobt Sä?1: Wir glauben kaum! ve^/ir^ .^vjdvsno verstand, trotz ihrer zu beherrick, '? ^"- ^Bll'nd, sich ungemein Ehe die« l^ u «sie hatte in dreijähriger oft brutal,-'« M^^" "lten, launenhaften, in Malaien Manne gelernt. Sie schwiea 'N Momenten, in denen jedes ander? temperamentvolle Weib die Geduld verloren hätte — aber sie vergaß nicht, und wartete geduldig, bis ihre Zeit kam, um das Erlittene mit Zinsen heimzahlen zu können. Als sie jetzt ihre rothen Lippen dem Tilos zum Kusse bot, hätte kein Mensch geahnt, welch seltsames Resumä noch vor wenigen Minuten ihr Köpfchen durchzogen — welches hohe Ziel sie sich bereits vorgesteckt. Tilos besaß eine hohe, prachtvolle Gestalt. Sein blühendes Gesicht, sein blitzendes Auge, jede Bewegung athmeten Leben und Gesundheit. Von dem tadellos schönen Kopfe mit der edlen Nase und den dunklen großen Augen, dem glänzend schwarzen gelockten Haar und dem langen, steif gewichsten Schnurrbart, bis zu den kleinen Füßen herab, die in hohen Jagdstiefeln steckten, war der Verwalter der Typus eines schönen feurigen Ungarn. Auch Irma Földös dachte dies in dem Augenblicke. Dennoch gab sie den einmal gefaßten Plan nicht auf. Doch hieß es, vorsichtig sein, um Tilos nichts merken zu lassen. Der Verwalter zog Irma zurück in die Laube.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2