Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

6 leidenschaftliches Temperament. Selbst ihre Augen verbarg sic vorsichtig unter dem Schleier der langen schwarzen Wimpern. Vor ihr, in ihrer nächsten Nähe, stand ^ustuf Vidoky, der junge Kutscher, der die Gerichtsbeamten gebracht hatte, und Ichaute flammenden Auges die Witwe an Seine Stimme klang wie rollender Donner in fernen Wolkenschichten. Er durfte hier nicht laut sprechen — das wußte er — es hätte die Knechte und Mägde, die in demselben Gebäude schliefen, geweckt. Aber er ergriff die Hand der schönen Witwe und preßte sie, daß Irma Föl- dosne beinahe laut aufgeschrien hätte. Ank ^ernei Stirn schwollen die Zornesadern Ä°4 "ls er jetzt heftig auf das junge "<velo entsprach: ^'^0^?"^. "'" dich verdient, du ^^^^ Smug gewesen, daß ich ^ahre und Tage zusehen mußte, wie der alte knickerige Geizhals, der Janos mein Eigenthum, meine Brant besaß? Hab' ich nicht geglaubt sterben zu müssen, als deine ehrgeizige, berechnende Mutter dich dem alten und reichen Verwalter zur Frau gab? Knsztusäh!" Warst du nicht meine Verlobte und hast du mir am St. Stefanstag nicht vor dem Vilde des Heiligen in unserer Dorfkirche ewige Liebe und Treue geschworen?" Die Fvldösnö hielt die Augen gesenkt । Kein Lant kam über ihre troüig anfae- worfenen vollen Hippen. lind als du einst — es war an deinem zwanzigsten Geburtstag — aus Unvorsichtigkeit und toller Laune in den hoch- angeschwollenen Vügafluß stürztest, und ich dich mit eigener Lebensgefahr rettete, da schlangst du deine weißen Arme um meinen Hals, als ich dich die Ufer- bvschung hinauf trug und sahst mich mir Äugen an, daß das Herz im Leibe mir lachte. Deine Lippen aber flüsterten: „Vergelts dir Gott tausendmal, Jussus lch hab dich lieb, tubiczam" (^urteltänberich) - und ich küßte dich vor aller Welt, die zusammenlief, um das Unglück zu schauen. Am St. Stefanstaae da gabst du mir selbst die Hand und schworst vor dem Heiligenbilde „ich will dein sein im Leben und im Tode!" um ein Jahr später den alten Verwalter zu nehmen!" ° Istengylät! Und mich steckte man zu der Zeit unter die Houvöd-Husaren! Ich hatte nicht Ruhe noch Rast und der Dienst des Kaisers, der mich in Kronstadt zurückhielt, war mir schier unerträglich' Von meiner Britsche trieb's mich des Nachts — ich konnte nicht schlafen bei dem Ge- danken, daß mein Mädchen, mein viragom (Blümelein) in den Armen eines Anderen ruhte. Drei Jahre trug ich die Qual' Heimgekehrt in unser Dorf, war ich fast em Fremder — die Mutter gestorben, das alte Häuschen verfallen. Ich verkaufte das kleine Anwesen um einen Spottpreis und suchte mir in einem anderen Orte einen Dienst als Kutscher. Wozil bedurfte ich denn noch ein Hänschen? Meine Irma mein Bräutchen Ivar eine reiche Frau Verwalterin und ich ein armer Bursche wie ehedem!" ' Und heut — heut führte der Zufall und das Unwetter mich hier vorüber und in den Gutshof, und zu meinem Erstaunen, zu meiner Freude höre ich, daß der alN Geizhals das Zeitliche gesegnet — das du Witwe, das du frei bist! Die Nachricht, die mir der lange Poti gab, brachte mir neuen Lebenmuth, Frohsinn, Zuver- sich! All' die Jahre des Leidens, des Kummers waren vergessen, stürmisch schlug mein Herz dir entgegen! Ich erlauschte den günstigen Moment, wo du die Gäste zur Ruhe geleitet, erspähte den Ort, wo du dich zur Ruhe begiebst — nun bin ich hier — und du empfängst mich kalt und fremd, reichst mir nicht einmal die Hand------- ach, Irma — edesem----------" Jussuf schlug die Hände vor's Gesicht und weinte bitterlich. „Wan weujva!" (Geh doch, du) sagte die Földösnv achselzuckend. Sie setzte sich auf den braunen Polstersessel in ihrer Nähe. „Hast recht — verlache mich nur; mich, den Thor, der einst an Deine ehrliche Neigung glaubte. Was weißt du von Liebe? Ich liege noch in jenem Banne, der einst mein Herz mit festen Fäden umtpanu. Du bist noch immer meine Haide- blume, der meine Seele gehört. Weißt du was lieben heißt? Es heißt aus Seufzern ganz^ bestehen, und Thränen! grillst Földösnö sah erstaunt einen Äugenblick ihrem ehemaligen Verlobten, ju dem sie jede Neigung verloren, ins Gesicht. Wo hatte er, der einfache Bauernbursche eine solche Sprache gelernt? Der blugar ist mit Beredsamkeit begabt, sobald seine Leidenschaft einmal ge- weckt, b emüht er sich, den Gegenstand seiner Liebe für M) zu gewinnen. An Jussuf waren eben die drei Jahre in Kronstadt und auch das bosnische Militärleben unter geblldeteuKameraden nicht spurlos vorüber gegangen. , sie sah ihn an und mußte sich sagen, ^ /e Figur und das nicht unschöne Gesicht ihres Jugendgespielen, seit den fahren seiner Abwesenheit bedeutend zu Wlnem Vortheil sich verändert hatten. ^usiufsAugen glänzten in einemThräncnmeer — fast hätte die schöne Irma wieder Mitleid mit ihm bekoinmen------ — doch da erinnerte sie sich eines glühenden schwarzen Augenpaares, eines weichen süßen Mundes, einer kräftigen, lebensvollen Gestalt, die oft ihre Arme um sie schlang und an ihrem rosigen Ohre flüsterte: „Hiddel galambom, rözsäm, ugy sze- retlek majed megennelek!“ — (Glaube mir, Täubchen, ich liebe dich bis zum Sterben.) Und diese Augen, dieser Mund, diese schöne Gestalt — diese süße Stimme gehörten — Tilos, Tilos Fököte, dem neuen jungen Verwalter. Armer Jussuf — du wußtest nicht, daß ein zweiter Nebenbuhler dir erstanden, und daß dein, von dir nie besessenes Kleinod sich bereits das zweite Mal unter die Brautkrone begeben wollte. Irma Földös nahm sich vor mit ihrem früheren Verlobten kurzen Proceß zu machen. Was geschah, wenn Tilos Fäkäte Morgens heimkehrte und den verliebten Jussuf noch vvrfand? „Geh schlafen, Jussus! Du mußt dir die schwermüthige Narrheit aus dem Kopfe schlagen! Wie es einmal ist — so ists! Ich tauge nicht mehr für dich, kann nicht herabsteigen in ein Leben der Armuth und schweren körperlicher Arbeit. Der damalige Rausch, und die Kinderliebe sind verflogen und haben reeller, vernünftiger Anschauung Platz gemacht. Ich tauge nicht mehr für dich — hast du mich verstanden?" Er hatte die Augen und das Gesicht mit der verkehrten Hand abgetrocknet. Jetzt sah er sie finster und verächtlich an. „Ei — wie gar so vernünftig das ans deinem Munde klingt, Imkern! Die Narrheit und Kinderliebe soll ich mir aus dem Kopfe schlagen? Wohlan — es sei! Ich werde deinen Rath stricte befolgen — doch du —" er drohte ihr mit dein Zeigefinger der rechten Hand — „Du erinnere Dich dieser Stunde! Vielleicht ist die Zeit nicht mehr fern»

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