Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

4 Wir werden das Vieh davonjagen, wenn wir zu Nacht gegessen haben werden, und wenn Sie im Bett sind, dann ziehen Sie die Decke über die Ohren---------ah! Da ist ja die Földölsne!" Mit einem Knixe lud die drei- bis vierundzwanzigjährige Wirthschafterin des Pachthofes die Herren ein, ihr ins Speisezimmer zu folgen, was Arvay sich nicht zweimal sagen ließ, denn er war durch die Rüttelei auf dem elenden, holperigen Wege rechtschaffen hungerig geworden. „No, hat! Kommen Sie nur, lieber Tüpfel" — meinte der Bezirksrichter mit einem Anfluge von Gutmüthigkeit — „werden schon Ordnung machen — kommen Sie nur, lelkem!" (Seelchen.) Das Eßzimmer war ein großer, matt erleuchteter Raum, in welchem sich eine Tafel, an deren einem Eck zwei Couverts aufgelegt waren, befand. Auf dem Tische stand ein großer Glaskübel, gefüllt mit rubinrothem echten Palugyaiweine, und von den mächtigen Schüsseln duftete ein köstlich braungebratenes Spanferkel und frischer Krautsalat mit geröstetem Speck. Selbst- den hasenfüßigen Tüpfel ließ- dieser Anblick, dieser Duft, Furcht und Aversion vergessen, und während Arvay schon lebhaft mit Gabel und Messer agirte, ließ er sich. langsam in den großen schwarzen Ledersessel gleiten, fuhr aber sofort wieder mit einem Schrei i» die Höhe, denn mit quäkendem Laute und einem mächtigen Satze — sprang eine große gelbweiß-gestreifte Zibetkatze davon. »Hat — teremtugyse!“ brauste der Bezirksrichter auf, mußte aber gleich darauf über Tüpfels jammervolles Gesicht aus vollem Halse lachen, und auch die Földösna konnte sich, trotz des. Respectes, nicht enthalten in dies Gelächter cinzustimmen. „'s ist ja nur die Mizusch — dem Gnädigsten seine Lieblingskatze" — versicherte sie und ihre blitzenden Augen und rothen Lippen beruhigten den Ädjuncten weit mehr, als alle Vernunfts- gründe es vermocht hätten. Die Földösnö war aber auch zum Anbeißen hübsch. Oder gab es irgendwo auf der Pußta zehn Meilen weit ein Figürchen, dem der faltige grüne Tuchrock, das rothe Sammetmieder, die rosa- und grüngestreifte Atlasschärpe und das buntgestickte Busentuch so zierlich standen? Die Földösnv hatte sich, um ihren Gästen zu gefallen, flink hcrausgeputzt, und diesen Zweck hatte sie vollkommen erreicht. Der Adjunet ließ, während er an seinem Schweinsbeinche» herumsäbelte, kein Auge vou der rundlichen hübschen Gestalt der Wirthschafterin, und Herr von Arvay, der sonst die Standesunterschiede und den Edelmann überall herauskehrte, wo es nur anging, forderte die hübsche Wirthschafteriu auf, sich zu setzen. . Földösnü's Augen glänzten wie Raketen. Sie rückte einen der Hohm Leder- stühle altmodischer Fayon in die Nähe Arvays, der ein Glas mit dem rubin- rothen Safte anfüllte, und es ihr reichte. „Thue uns Bescheid, schöne ro^sa". (Rose.) „Irma heiße ich, gnädiger Herr Bc- zirksrichter. Ich bin die Witwe des langjährigen Verwalters, des alten Janos, der vor einem Jahre und zwei Monaten gestorben ist — —" „Und den du nicht allzuviel betrauerst, wie ich deuke? Und wie konimts, daß du die Honneurs des Hauses machst und kein neuer Verwalter bisher ernannt wurde?" Die Földösnö strich sich die rosa Schärpe über dem Knie glatt und zupfte verlegen an den Fransen ihres Brusttuches. „Wir habeu schou einen neuen Verwalter, den Tilos ur — aber er ist gestern hinüber nach lvvWlcewot geritten und noch nicht zurück, und dann — dann erwarten wir jeden Tag den alten gnädigen Herrn von Pest. Es geht ihm nicht mit der Gesundheit am besten, und dann kann er bei dem vielen Reisen und in den großen Städten nicht seine einzige Freude — feine Katzen um sich haben." _ Der Bezirksrichter legte die Gabel bei Leite und griff zum Weinpokal. „No hat — istengyelät! Das ist für einen Mann, noch dazu für den reichen Erbherrn eines altadeligen Geschlechtes eine seltsame Leidenschaft, das muß ich lagen! Tutya, edesem, ich hab' schon -.».^^lvoreucliePaiilonenvei Menschen gesehen, aber einen Mann und — Katzen — new hiszem!" (Ich glaubs nicht.) "Nu Wahrheit — eine schreckliche Passion", ließ sich Tüpfel vernehmen, mdem er neben und hinter seinen Sessel ?“5te und nach einem saftigen Schinken- ?^9Ä dmu im Anfang hatte ihm der Schreck über Herrn vou Csüvossis -leblingskatze den Appetit genommen. f.6 V ^oldosne lachte, und der Schalk $ «IW”1 Bübchen der Wangen, d-- m / J$ $Dr ^uel Jahren auf Befehl „^Autersmeiuen alten Janosch heirathen mußte, und hleher kam von der Lorenzer- Putzta, da war uiir's auch unheimlich, das ganze Haus voll Katzen zu finden und für em gutes Leben der Thiere zu sorge» — öfter letzt hab' ich mich schon daran ae- Achte!' Wlssen's, gnädiger Herr Bezirks- nchtci, au diedreißigStück müssen immer besolden ^ ^ der alte gnädige Herr befohlen, und wenn er daheim ist auf dem aottüäii ^ ^rQud) uoch mehr. Der gesLL^l^^r.n lächelte kokett und van,-"!c ^^ „und warf auch Tüpfel ein paar ihrer zündenden Blicke zu. 5 „Also in diesen Tagen erwartet ihr euren Herrn?" fragte Arvny und stopfte sich eine kleine kurze Pfeife mit echtem Ker-Tabak. Die Cigarre hatte ihm nicht gemundet. „Schon morgen, oder übermorgen! Vielleicht erwarten die Herren die Ankunft des Gnädigsten?" fragte die Földösne lauernd. Tüpfel, der gern einen Ruhetag gehabthätte, blickte gespannt und erwartungsvoll auf seinen Vorgesetzten. Seine Hoffnungen wurden getäuscht. Geht nicht, kutya teremtette! Geht nicht! Müssen schon morgen Nachmittag bei der Congregation in Nagy-Kanizsa sein! Lieber Tüpfel — ins Bett!" — Arvay sah nach seiner goldenen Uhr — „wir müssen um acht Uhr im Wagen sein." Seufzend erhob sich der Adjunct. Ihm war, als seien ihm alle Glieder total zerschlagen. Arvay bemerkte die Jammermiene Tüpfels. „No, hat! Das ist nur in erster Zeit so — nachher gewöhnt man sich schon an unsre Landstraßen. Und nun, isten äldja meg! (Behüt Sie Gott) Földösnö Irma! Wir sehen uns wohl noch morgen Früh —?" Die Wirthschafterin erhob sich behende und knixte. „Gewiß — beim Frühstück, älbiro ur und für heut kezet csokolom!" (Ich küsse die Hände.) Irma Földös ergriff den Silberleuchter von der Tafel und geleitete ihre Gäste zu dereu Zimmern. Während der Bezirksrichter schon laut und vernehmlich schnarchte und Tüpfel alle Heiligen anrief, ihm den nöthigen Schlaf zu senden, gab es im ersten Stock des Wirthschaftsgebäudes eine erregte Scene, und zwar im Zimmer der Földösnö. Die hübsche Wirthschafterin stand am Tische, noch in demselben Putz, den sie zu Ehren ihrer Gäste angelegt. Sie hatte die eine Hand auf die Eichentafel gelegt und stützte die andere auf die breite Hüfte. Sie hatte die Mundwinkel ein wenig herabge- zogen und beherrschte ersichtlich ihr sonst

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