Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

1Ü 115 Arbeiter-Sängerbund „SJ,gchckck.lKUg" einen Trauerchor, woraus oer^ Arbeiter Norton Frimmel dem Tahingeschiedencu seitens der Arbeiterschaft einen ehrenden Nachruf widmete. Hiemit hatte die Trauerfeier, die an Großac- tigkeit und au Kundgebungen aufrichtigen, tiefen Schmerzes kaum ihres Gleichen hat, Ihr Ende. Welch enormes, theilnahmsvolles Interesse der Todesfall außerhalb Steyrs hervorrief, beweist die Anzahl von 555 Telegrammen, die aus diesem Anlasse einlangten und abgingen. Der Wohlthätigkeitssinn des Verstorbenen, der seinen Untergebenen ein vorsorglicher Chef, den Armen stets ein Vater war, ging auch auf seiue Erben über. Hievon gaben die Wohlthätigkeitsacte Zeugnis, welche der Verstorbene vollständig ihrem Ermessen überlassen hatte und für welche nach den Rathschlägen ihres Vertreters Dr. Johann Hochhäuser im Ganzen circa 300.000 fl. verwendet wurden. Darunter Ifi^iTSTTt^W für eine Stiftung fiir arbeitsunfähige Waffenfabrcks- Arbeiter unter den: Namen „Josef Werndl'sche Stiftung für verarmte Arbeiter und deren Familien der Waffenfabrik in Steyr und Letten." Bei dieser Gelegenheit wurde eiue andere Stiftung bekannt gemacht, welche der verstorbene Generaldirector noch bei seinen Lebzeiten gemeinsam mit seinem fernher Lu dwig Werndl gemacht hatte, luud wodurch utttcr dem Rainen „Stiftung wer Brüder Iosef nnd Ludwig Werndl für verarmte Arbeiter der Waffenfabrik und deren Frauen" 40.000 fl. gleichfalls für verarmte Waffenfabriksarbeiter bestimmt wurden, mit der Bedingung jedoch, daß von derselben in erster Linie jene Arbeiter bedacht werden sollen, welche bei der Firma I. F. Werndl u. Comp. und vordem bei den Eltern derselben bodienstet waren. Nachdem die irdischen Ueberreste des vielbeweinten Todten in der Familiengruft beigesetzt worden waren, schritt der V e r- w a l t u n g s r a t h der österreichischen Waffenfabrik daran, die neue Leitung derselben einzurichten. An Stelle des Gcneral- directors trat ein Ux e c u t i v - C o m i t e, bestehend aus dem^Vicepräsideuten Georg Ritter von Aichinger und den Ver- waltungsräthen Johann Berger, Robert Baron von Buddenbrock und Dr. Johann Hochhäuser, welches die Oberleitung und den gesammten geschäftlichen Theil der Direction übernahm und den bisherigen Jnspector Anton. Spitalsky zum technischen Director ernannte. Die Mitglieder des Executiv-Comitös waren durch deu directeu intimen Verkehr mit dem verstorbenen Gene- raldirector in die Geschäfte und deren Führung vollkommen eiugeweiht, und hatte insbesondere Dr. Johann Hochhäuser als langjähriger Freund und Berather desselben genaue Kenntniß von den schwebenden Geschäften, so daß eine Stockung derselben gar nicht möglich war. Der neue Dircctor Autott Spita^sky ist ein ausgezeichneter Fachmann mid war" M Langem schon die rechte Hand des Generaldirectors Werndl in allen technischen Angelegenheiten. Derselbe war zu Beginn des Jahres 1866 als Werkführer in Letten engagirt, nachdem er im k. k. Arsenale durch lange Zeit bei der Gewehrerzeugung thätig gewesen war, und übernahm die Leitung der dortigen Fabrikswerke. Im Jahre 186' wurde er nach Steyr versetzt und mit der Leitung der Arbeiten bei Umgestaltung der Gewehre nach dem Systeme Wänzl betraut, nach welcher er im Jahre 1868 die Leitung der Erzeugung der Werndlgewehre überuahiu und im Jahre 1870 zum Oberwerkführer und stelbstständigen Leiter der Gewehrfabrikation iu Steyr ernannt wurde. Seit dem Jahre 188/ bekleidete er die Stelle eines Betriebsiuspeclo^ der österreichischen Waffenfabrik, in Welchs Stellung er schon beinahe die ganze technisch Oberleitung über sämmtliche Objecte führte und die maschinellen Vorbereitungen, für Erzeugung der Repetirgewehre bis ins kleinste Detail traf. So erlitten die Geschäfte nicht nur keineu Aufschub, soudern gediehet indem die neue Verwaltung im Sinne de^ Geistes und der Principien des Gründers der österreichischen Waffenfabrik weiter arbeitete, soweit, daß die Fabrik allen übernommenen Verpflichtungen hinsichtlich der Güte und der Lieferung der Gewehre Nachkommen kann. Der Bau der Steyrthalbahu legte del Gemeinde-Vertretung von Steyr auch die Verpflichtung zum Baue von Zufahrt^ -Ltr,aHen zum neuen Bahlshofe der S t a t l oirSic hrdorf nahe, und insbesondere die Vorstadt Steyrdorf mußte eine Verbindung mit demselben erhalten, wenn anders nicht der Frachtenverkehr zur und von der Steyrlha^ Bahn den weiten und schwierigen Umweg duro) die Stadt nehmen sollte. Dein Gemeinderath^ lagen drei Projectc vor. Das eine sollte durch den Bruderhausgarteu über die bucklige Wiest zunl Wehrgrabeu führen und durch lieber- brücknng desselben in die Directiousgasse ein' münden. Das andere sollte beim Wasserberg beginnen, über die ganze bucklige Wiese führet und in die Schwimmschulstraße münden. Da^ dritte endlich sollte beim Wasser berge ginne n, in weitem Bogen über die bucklig Wiese zum Wehrgrabeu führen, diesen der Dlrectionsaa.sse überbrücken und /U diese!be emmünde m Der Gemeinderath eutschiJ sich iu seiner Sitzung am 4. Mai für da^ letzte Project, welches einen KosteuaufwalM von 23.000 fl. erfordert und derart ansgefnh^ wird, daß die Straße 7 Meter breit und ulst einer Steigung von 8 V'^/oo IjergcftcKt Wirb, während über den Wehrgrabeu selbst eine eiserne Brücke führt. Der Bau ist bereits weit vorgeschritten und wird die Brücke noch im Herbste des laufenden Jahres dem Verkehre übergeben werden. ^Nachdem der nene hochwürdigste Bischof Dr. Doppelbauer in dem am 11. Februar in Rom abgehaltenen Consistorium von Seiner Heiligkeit dem Papste präconisirt worden war, fand am 10. März in "der Kirche des deutschen National-Institutes, der Anima, die feierliche W e i h e d e s B i s ch o f s statt, wobei derselbe den Namen Franz Maria annahm. Am20.April fegte der hochwürdigste Bischof den Eid in die Hände Sr. Majestät des Kaisers ab, worauf denn endlich am 4. Mai um 3^/4 Uhr Nachwittags der festliche Einzug in Linz und am Sonntag den 5. Mai unter großartiger Bethei- stgung der Bevölkerung der Diöcese Linz und w feierlichster Weise die Inthronisation des hochwürdigsteu Bischofes erfolgte. Ein verheerender Wolkenbruch ging am 11. Mai in unserer Gegend uieder, der in Steyr selbst weniger Schaden verursachte, in der Umgebung jedoch große Verheerungen aurichtete. In Dambach, Mühlbach, Rammg, )Ueiuramittg, Mölln rissen die Flnthen eine Unzahl von Brücken, Wehren, Uferschutzbauten wrt, zerstörten die Straßen, überschwemmten vie Wiesen nnb Felder und enttrugen große Holzmassen. Erdabrntschungen fanden statt und das Wasser draiig in die an, den Usern der Gebirgsbäche tiefer liegenden Häuser ilud verursachte so großen Schaden, daß Private und Gemeiiiden empfindlich berührt wurden. Der Geschäftsbericht, welcher in der^ Ueral-Persaminluua der Sparkasse Steyr 10. Mai vorgclegt wurde, weist au fliuf- ^tcelitigcU Zinsen d^s Rescrvefondes 31.147 fl. 14 kr. ans, wovon ans Steyr 13.243 fl. 23 lr., Uf Aschach 989 fl. 45 kr., auf Garsten 3o08 fl. °? kr., auf ©leint 1990 fl. 45 kr., auf Sier- ''">g 4535 fl. 30 kr., auf LosenfleinleMen 1>>56 fl, 17 fr., auf Teruderg 1857 fl. 24 kr., W Thanstettcu 1395 fl. 24 kr. und cuf St. Ulrich 2055 fl. 13 kr. entfielen und ver- ✓—MEt wurdest. , v In Folge der immer mehr wachsenden Zahl ber in der Waffenfabrik beschäftigten Arbeiter F^lRanb allmälig eine Wol)nungsuoth, zu deren RUloernng die.Waffenfabriks-Gehellschaft Allerdings zum Bau von Arbeiterhänferu chritt und zuerst am Eysnfelde 10 Hauser Zld auf der sogenaunten buckligen Wiese eben10 Häuser nod) bei Lebzeiten des General- ?0'eetors Werndl zu bauen begann. Da dies Woch noch lauge nicht ausreichte, kaufte der s^Nvallungsrath der österreichischen Waffen- labrik von der Gelneiude das sog» Capellen- l^ld nächst dem städtischen Armenhause in Aicher 1,11 Ausmaße von 2400 fl., um darauf neuerdings 8 Arbeiterhäuser zu erbauen. Der Ge- meiuderath genehmigte in seiner Sitzuiig am 24. Mai diesen Verkauf. Der „Fortschrittsverein in Steyr" beging am 27. Mai die Feier des zwanzigjährigen Bestandes der Volksschul- Gesetze durch eiue würdige Feier im Hotel Eiselmeyr, welche sehr zahlreich besucht war und einen erhebenden Verlauf nahm. Die Festreden hielten der Bürgermeister Johann Berger, der Vorsitzende-Stellvertreter des Stadtschul- rathes, Dr. Alois Spängler, der Secretär des Vereins Dr. Franz Angermann und der Schulleiter Wenzel Wen hart, während die „Steyrer Liedertafel" mehrere passende Chöre sang und mehrere Herren einige Orchesterstücke vortrugen. Am 27. Mai abends erschreckten ^L^er- signale der städtischen Freiwilligen Feuerwehr die Bewohner der Stadt. Unter der Stech^r-br-ü cke in deut Winkel, den die Wehre mit der Heindlmühle bildet, waren Oelfetzen und Abfälle wahrscheinlich durch ein von der Brücke geworfenes Streichhölzchen in Brand gerathen und brannten lichterloh. Die Gefahr für die Brücke war groß, doch gelang es, das Feuer zu ersticken, bevor es die hölzerne Brücke ergriff. , r Die erste General-Versammlung der..Steyrthalbahtt-Gesellschaft" fand am 31. Mai unter dem Vorsitze des Präsidenten Josef Grafen Lamberg statt. In derselben erstattete der geistige Schöpfer und eigentliche Erbauer der Steyrthalbahn, Dr. Joh. Hochhäuser, den Geschäftsbericht über die bisherige Thätigkeit des Verwaltuugsrathes uud über die Fortschritte im Baue des Unternehmens, der insbesondere von dem nimmermüden, ans- opserungsvolleu Wirken des Referenten selbst ein glänzendes Zeugnis gibt. Der Revisor Eduard Werndl erstattete deu Revisions- befund über die Cassagebarung, worauf die bisherigen Verwaltungsräthe: Josef Graf Lamberg, Dr. Johann Hochhäuser, Johann Berger, Leopold Putz, Josef Reder (Garsten), Carl Holub und Fritz Hähnel und in 'den Revisions-Ausschuss Eduard Werndl, Josef Huber, Guido Schneider und als Ersatzmann C. A! m e r o t h wiedergewühlt wurden. Nachdem das Unterrichts-Ministerium, trotz der einhelligen Befürwortung der Petition durch deu Budgetausschuß des Abgeordnetenhauses und durch dieses selbst, alle Bitten der Gemeinde Steyr um Wiederbelassnng der Ober-Realschule unberücksichtigt ließ, begab sich am 3. Juni eine Deputation bestehend aus dem Bürgermeister Jo hauu Berger uud den Gemeiuderätheu Anton Mayr und F r a n z T o m i tz nach Wien, um die Bitte der Bürgerschaft von Steyr S r. M a j e st ä t dem Ltaiser selbst vorzutragen. Die Deputation

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