Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

112 bauen, welcher Beschluß auch zur Ausführung gelangte, indem am 28. April die feierliche Grundsteinlegung zum Bane der Schule stattfand. Während der Osterfeiertage war es bekannt geworden, dass der General-Direc- tor der Oesterreichischen Waffenfabrik Josef Werndl an einer Lungenentzündung erkrankt sei, die er sich auf einer Fahrt nach Letten zngezogen hatte, während welcher ungünstiges Wetter eingetreten war und gegen welches er sich im offenen Wagen mit der ihm eigenen Sorglosigkeit für seine Gesundheit nicht hinreichend geschützt | Steyr in Trauer. hatte. Der Ausspruch der Aerzte lautete jedoch aufaugs beruhigend, und die enorm kräftige Körper-Constitution des Erkrankten ließ schlimme Ahnungen nicht aufkommen. Am Freitag den 26. April begann aber die Krankheit einen gefahrvollen Verlauf anzunehmen, der sich immer ernster gestaltete, bis Sonntag Abends der Höhepunkt der Krise erreicht war, die am Montag den 2t). April zwischen 5 und 6 Uhr Morgens mit dem Tode des großen Mannes endete. Hatte die Bevölkerung und die Arbeiterschaft schon den Verlauf der Krankheit mit gespanntester Aufmerksamkeit und banger Sorge verfolgt, so traf sie der Eintritt der Katastrophe wie ein betäubender Schlag. Unmittelbar nach Eintritt und Bekanntwerden des Todes füllte sich die 'Schweizergasse, in welcher im Hanse Nr. 11, dem sog. Petzengütl, der Thenre seine edle Seele aushauchte, mit weinenden und jammerndeu Meuscheu, die Arbeit in den Fabriken stockte fast gänzlich und die Arbeiter wehklagten laut über den Verlust ihres Herrn und Vaters. Während die öffentlichen und Privatgebände der Stadt allmälig die Trauerfahnen hißten, wurde die Leiche des unvergeßlichen Todten in dem Mitteltracte des prächtigen Palmenhauses aufgebahrt, das er, wie den schönen Park, vor wenigen Jahren geschaffen hatte, um im Interesse feiner Vaterstadt die elektrische Ausstellung zu verherrliche!!. Ergreifend stachen die düstere Pracht und der röthliche Kerzeu- schimmer, der die bleichen, doch unveränderten Züge des Dahingeschiedenen beleuchtete, von dem Hellen Frühliligssonnenscheine ab, der im herrlichen Parke das Erwachen der Natur verkündete, während in stummer Resignation zuerst die Freiwillige Waffeufabriks-Feucrwehr und später mit ihr das uniformierte Bürger- corps von Steyr die Todtenwache hielten. Am 1. Mai wurde eiue außerordentliche G e m e i n d e r a t h s - S i tz u n g einberufen, in welcher der Bürgermeister dem dahitt- geschiedenen edelsten Bürger der Stadt einen ergreifenden Nachruf widmete uud beantragte, daß das Bildniß desselben für immer den Nathssaal schmücken und ein ehernes Standbild erstehen möge, das von seinem Wirken bis in die fernsten Zeiten Zeugniß geben solle. Dieser Antrag, sowie der des ^emeinderathes Jacob Kautsch, durch eine Deputation der Familie des unvergeßlichen Mitbürgers das tiefste Beileid auszusprechen und sich vollzählig am Leichenbegängnisse zu betheiligen, wurden einhellig angenommen. Während von der Familie und von der Bevölkerung von Steyr so umfassende Vorkeh- UMgen für die Leichenfeier getroffen wurden, baß in ganz Steyr kein Meter an Trauer- u,offen mehr auszutreiben war, langten unzählige Trauerknndgebungen ein, unter denen eme von der Cabinets-Kanzlei im Auftrage Sr. Majestät des Kaisers Franz Josef L Hut dem Wortlaute: „Se. Majestät der Kaiser^ frühen mich zu beauftragen, der Waffenfabrit öle allerhöchste Theilnahme an dem erlittenen miweren Verluste auszusprecheu. Gez. Braun." Den Sarg schmückten bald mehr als hundert gränze, von welchen der Sr. kais. Hoheit deA Erzherzogs Franz Ferdinand Este, besonders hervorgehoben zu werden verdient. .. Mittwoch Nachmittag um 2 Uhr begann me Leichenfeier im Parke vor dem Palmen- bause, an welcher außer der gesammten Fa- wilie des Verblichenen der Statthalter von Oberösterreich, Freiherr vo-ü^M'eMr, der Vertreter des Kriegs-Ministeriums, k. k. Oberst 8 er mann, der Vertreter des Arsenals k. k. Oberst Czadek, der gesammte Verwaltungsund die Beamten der österreichischen Waffen- Mrik, mit dem Präsidenten Excellenz FZM. Meiherrn von Tiller an der Spitze, dis samten der Wolfsegg Traunthaler Kohlens !?erks- und Eisenbahngesellschaft, die vollzäh? Gemeinde-Vertremug unter Führung des Herrn Bürgermeisters Johann Berger, treue Freuud und Mitarbeiter des Dahin- gEschiedeneu, Landtagsabgeordneter Dr. Jo- bann Hochhäuser, der Neichsraths-Abge- brdnete August Edlb ach er, der Präsident k. k. Kreisgerichtes Michael Ritter v. ^eismayr und der k. k. Bezirkshauptmann bou Steyr Hugo Ritter v. Hebenstreits ,^de mit sämmtlichen Beamten beider Bebör- M eine Unzahl von Freunden und Vertretern Geschäftsfirmen,- sämmtliche Vereine und uniformierte Bürgercorps von Steyr, ^ch letzteres unter dem Commando des Hauptmannes Leopold Stummer den b^ltärischen Theil des Conductes besorgte, ^ach der Einsegnung im Trauergemache sang „Steyrer Liedertafel" einen er- ^ifentzen Traucrchor, worauf sich der Leichen- M entfaltete. Denselben eröffnete das unifor- Uerte Bürgercorps in Steyr, an welches sich ^butationen der Bürgercorps von Sierning '113 und Bad Hall, die k. k. Finanzwache, die k. k. Gendarmerie, die Veteranen-Vereine von Steyr, Sierning und Bad Hall, die städtische Freiwillige Feuerwehr von Steyr, die Feuerwehren von Letten und Unterhimmel, der Turnverein, die Knappschaft der Wolfsegg-Traunthaler Kohlenwerks- und Eisenbahn-Gesellschaft in Uniform und mit der vollständigen Werkskapelle unter Führung des GeneralsecretärS Andreas Ecker und Directors Guido Schneider, der „katholische Gesellenverein", der Arbeite die „SteMr^Lieöer^ eine Deputation der „Gesellschaft der Musikfreunde", des „Lieder- kranz" in Bad Hall und der „Liedertafel" in Sierninghofen-Nenzeug, der Männergesangverein „Kränzchen", der Arbeiter-Sängerbund „Stahlklang", und eine Deputation des „Arbeiter-Lesevereins" schlossen. Von allen diesen Vereinen und Deputationen trugen die an der Tete Schreitenden prachtvolle Kränze. Unmittelbar vor dem Leichenwagen schritt eine Abtheilung der „Freiwilligen Waffenfabriks- Feuerwehr", worauf der geistliche Conduct, geführt vom Pfarrer Joh. Ev. Aichinger, und sodann der von vier Rappen gezogeue Leichenwagen folgten. Den Leichenwagen und die demselben folgenden Leidtragenden flan- kirten Mitglieder der Freiwilligen Waffenfa- briks-Fenerwehr mit Wachslichtern und Knappen der Wolfsegg-Traunthaler Kohlenwerks-Gesell- schaft mit brennenden Grubenlampen. Auch nach den bereits erwähnten zahllosen Leidtragenden schritten noch Genossenschaften, Bruderschaften, Vereine und Corporationen, sämmtliche Kränze tragend, und hierauf eiue ungeheure Menge Trauernder aus alleu Stauden der Stadt und Orten der Umgebung. Der Zug bewegte sich vom Werndlparke durch die Redtenbacher- und Pfarrgasse über den Stadtplatz, durch die Enge über die Steyrbrücke, dieKircheu- uud Sierningergasse bis zur Einmündung der Mitteren Gasse; von hier durch diese über den Wieserfeldplatz und die Gleinkergasse zum Friedhofe. Längs des ganzen Weges brannten die Gaslampen, welche mit Trauerfloren verhängt waren. Die Arbeiterschaft, mit schwarzem Flor am linken Arme, bildete während des ganzen Zuges Spalier und war behufs einheitlichen Vorgehens in Gruppen unter besonderen Ordnern vertheilt. Dicht gedrängt standen theilnehmende Zuschauer, wo immer der Zug erschien, und lautes uud unterdrücktes Schluchzen geleitete den unvergeßlichen Todten bei jedem Schritte, der ihn dem Grabe näher brachte. Am offenen Grabe sang der Männergesangverein „Kränzchen" einen Trauerchor, worauf der Generalsecretür Andreas Ecker eine Ansprache an die Bergleute hielt und nach echter Bergmannsweise dem geliebten Todten ein dreifaches „Glück auf!" nachrief, worauf die Bergmannskapelle einen Trauerchor spielte. Sodann sang der 9

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2