Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

110 111 Vorgesetzten Ausdruck gaben. — Der k. k. Bezirkscommissär Dr. Adolf Ritter von Pitner wurde mit der interimistischen Leitung der Bezirksyauptmannschaft betraut. Das 4vjährigc Rcgicrungs-Jubiläum Sr. Majestät des Kaisers Franz Josef I. wurde, dem Wunsche des erhabenen Jubilars entsprechend, am 2. December ohne rauschende Festlichkeiten, sondern lediglich durch Abhaltung eines GottesdienstesnndAusübung der vom Gcmeinderathe beschlossenen Humanitäts-Acte begangen. Trotz des Mangels an äuszerlichcn Beweisen der Liebe und Anhänglichkeit an den allvcrehrtcu Monarchen verband sich in den Herzen der Bewohnerschaft unseres engsten Heimatlandes mit der Freude über das seltene Jubiläum der innige Wunsch, es mögen dem erhabenen Herrscher noch viele Jahre segensreichen Schaffens zum Wohle seiner Völker beschieden sein. Aus Anlaß des Regierungs-Jubiläums Se. Majestät des Kaisers widmete die österreichische Waffeufabrik der Stadt- gemeinde Steyr 10.000 fl., von tvelcheu 9000 fl. zum Baue der Jndustriehalle und 1000 fl. zu humanen Zwecken zu verwenden waren. Der Kriegsminister Se. Excellenz F r e i h e r r v o n B a u e r kam am 11. December in Begleitung des k. k. Artillerie-Obersten von Hermann hi Steyr an und besichtigte unter Führung des Geueraldircctors I o s e f W e r u d l die Objecte der österreichischen Waffcufabrik in Steyr und Letten, sowie die im Bane begriffene Jägercasernc und kehrte noch am selben Abend nach Wien zurück. Der Gemeinderath von Steyr berieth in der Sitzung am 13. December das Präliminare für das Jahre 1889 und beschloß auf Grund der Ergebnisse dieser Berathung die Erhöhung der Gemeinde-Umlagen von 500/n auf 6O°/o der k. k. directen Steuern. Am 20. December fand die 19. ordentliche General-Versammlung der österreichischen Waffcnfabrik in Wien statt und beschloß die Vertheilung von 15 fl. per Actie, so daß, nachdem der Zinsencoupon am 1. Juli bereits mit 5 fl. eiugelöst worden war, der Dividendencoupon vom 1. Jänner 1889 an mit 10 fl. bezahlt wurde Am Anfänge dcs Jahres 1889 wurde der durch den Tod des hochwürdigsteu Bischofes Dr. Ernest Müller erledigte Bischofsitz in Linz wiederbesetzt und der päpstliche Hausprälat und Rector des deutsche» Nationaliustitutcs der Anima in Rom Dr. Franz Sales Doppelbauer zum Bischöfe von Linz ernannt.. Derselbe war seinerzeit Coopcrator in Steyr und vor seiner Berufung nach Rom Sccretär des hochscligen Bischofes Franz Josef Rudi gier. Zum k. k. BezirkShauptmanne iu Steyr wurde der k. k. Bezirkshauptmauu in Schärding Hugo Ritter von, Hebenstreit ernannt. Derselbe begann seine Thätigkeit bei den seinerzeitigen Kreisänitern in Maiithansc» und Kremsmünster, wurde sodann f. k. Bezirkscommissär in Steyr, in welcher Stellung er sich in unserer Stadt bereits lebhafte Sympathie» errang. Von Steyr kam er als k. k. Statthalterei-Sccretär nach Linz und von da als Bezirkshanptmanu nach Schärding, von wo er nun zum k. k. Bezirkshauptmann in Stcyr ernannt wurde. Ter in Steyr durch viele Jahre bei der k. k. Bczirkshauptmauiischaft thätig gewesene k. k. Oberingenieur Carl H r o n c k wurde über seiu eigenes Ansuchen in den Ruhestand versetzt und ihm bei diesem Anlasse der Titel und Charakter eines Baurathes mit Nachsicht der Taxen verliehen. An seiner Statt wurde der k. k. Ingenieur Rudolf Wiesmeyer zui» Leiter des Baufaches bei der k. k. Bezirks- hauptmannschaft Steyr ernannt. Am 25. Jänner abends 6 Uhr kam Se. kais. Hoheit Erzherzog Rainer in Begleitung des k. k. Obersten Cast aldo und des k. k. Oberstlieutenants v. Jonak von Wels nach Steyr, wurde vom Bürgermeister Johann Berger und dem Generaldirector der Waffcnfabrik Josef Werndl empfange» und ehrfurchtsvoll begrüßt und besichtigte ai» nächsten Tage die Objecte der österreichische» Waffcnfabrik in Steyr und Letten. Um 12 Uhr 12 Minuten Mittags verließ Sc. kais. Höhest mit dcr Bahn wieder unsere Stadt. Die unerwartete Nachricht von dem plötzlichen Hinscheide» des Thronerbe» dek Habsburgischen Dynastie, Sr. kais. Hoheit dcs durchlauchtigsten Kronprinzen Erzherzog Rudolf, welche am 30. Jänner abends i» Steyr eintraf, erschütterte die Bevölkerung auf das tiefste und Trauerflaggen von de» Giebeln der Häuser waren der sichtbare Ausdruck der Trauer über den herben Verlust. Der Bürgermeister berief andern Tags eine außerordentliche Gcmein beraths-Sitzu »8 ein, welche lediglich einer spontanen und ergreifenden Trauerkundgebttng über den Verlust des hoffnungsvollen Kaisersohnes und dem innige» Mitgefühle mit dem Schmerze Sr. Majestät des Kaisers und dcr k a i s e r l i ch e n F a m i l i e gewidmet war. An einem feierliche» Seelen amte am 6. Februar bctheiligten sich der gesammte Gemeinderath, die Spitzen n»d Beamten aller k.k. Behörden, Aemter und Untcr- mÄ^anstalten. Sämmtliche Unterhaltungen, Balle, Concerte cc. wurden zum Theil abgesagt, zum -vheil verschoben, und alle (Korporationen und Vereine veranstalteten spontane, von auf- richtiger Trauer zeugende Trau er kund- gebungen. In der Sitzung des Vudgetausschusses des Abgeordnetenhauses. vom 7. Februar kam eine Petiton der Stadtgemeinde Steyr um Belassung der Oberrealschule in Steyr Zur Verhandlung und wurde von den Abgeordneten Dr. Herbst undSchaup mit solcher Wärme, so genauer Kenntniß der Verhältnisse und so triftigen Argumenten vertreten, daß der Budgetausschuß einstimmig be- 'chloß, die Petition der Negierung zur Angehenden Wirkung abzutreten. . Nachdem die Hilfsaktion für die (heimische Messerindustrie in mehrfachen Sitzungen der o.-ö. Handels- und Gewerbekammer und in mehrmaligen Enqueten und Ver- fammlungen erörtert worden war, sand am Februar bei der k. 1 Statthalterei !.u Linz eine Commission statt, welche über die weiteren Schritte Beschluß fassen } wüte. Es wurde beschlossen, ein Actions- j ^omit6 in Steyr einzusetzen, welches die ) technischen und finanziellen Fragen zu lösen Und zunächst generelle Aufnahmen der Daten bezüglich der eines Umbaues dringend bedürftigen ^chlnfereien in Steinbach durchzuführen hat. Dieses Actious-Comite hielt nun fast all- Nionatlich eine Sitzung und erledigte ein um- Mgreiches Materiale. Dasselbe wurde durch UUmer neue Anforderungen und Projecte immer wehr compliciert und wird nun dem hohen a u d t a g e zur Verhandlung vorgelegt werden. ^-^_Der beliebteste oberösterreichische Wintersport des Gasselfahrens wurde im verflosseueu Winter gleichfalls eifrig betriebe«, indem am Februar ein Erstfa hren und am 17. ein rgerfahren am Kammermayerfelde ab- SWaltcn wurde, welche beiden Neunen sehr Interessant verliefen und große Schaaren von Zuschauern augelockt hatten. Die Erträgnisse ^selben wurden wohlthätigen Zwecken gewidmet. Die evangelische Gemeinde iu Steyr var seit Langem ohne kirchliches Oberhaupt, die Pfarrstelle uicht mehr besetzt worden war. Monate November war Pfarre r August Kotschy in Attcrsee mit dieser Stelle £C.nnut worden und wurde den 17. Februar Irlich in sein neues Amt eingeführt. Auch wurde er gesetzmäßig zum Vertreter der in ^eiischen Gemeinde im Stadtschulrathe und w Armenrathe von Steyr ernannt. Durch den Ban von zehn neuen Arbeiter- ( Elsern am Eysufelde sind zwei neue Gassen X ut'tanden, deren Benennung seitens des Ge- / luderathes dem Geueraldirector Henn Josef ' Werndl überlassen wurde. Derselbe benannte ^ erste Gasse „Ludwig-Gasse" und die dem ^.dschlnsse des Wehrgrabens zu gelegene „Anna- x ^ise", welche Benennungen auch angenommen x^Urde«. ' Die GemeinderathSwahlen für das 1888,89 begannen am 11. März mit der ^?hl des Ul. Wahlkörpers. Aus dem Ge- t^Ulderathe wurden wegen Ablauf der Func- ousdaner ausgelost im W. Wahlkörper die Gemeinderäthe: Anton Jäger von Waldbau, Leopold Huber und Anton Mayr, im U. Wahlkörper die Gemeinderäthe: Carl Auböck, Emil Göppl, Dr. Alois Kurz, Mathias Perz, Johann Redl, und im I. Wahlkörper Jacob Kautsch. Die fortschrittlich gesinnte Wählerschaft stellte sämmtliche ausgeloste Gemeinderäthe, welche zumeist ihrer Parteistellung angehörten, als Kandidaten auf, bis auf den Ul. Wahlkörper, in welchem sie an Stelle des Gemeinderathes Leopold Huber,- den Hafnermeister Rudolf Sommer- huber als Candidateu nominirte. Bei der Wahl des Ul. Wahlkörpers wurden von 398 Wahlberechtigten 251 Stimmen abgegeben; als gewählt erschienen: Anton Jäger von Wald- au, Bräuereibesitzer, mit242, Anton Mayr, Bürstenfabrikant, mit 167 Stimmen, während Leopold Huber und Rudolf S om mer- - Hube r, ersterer mit 123, letzterer mit 125 Stimmen in die engere Wahl kamen. Bei dieser wurde Leopold Huber, Fleischselcher, mit 109 von 193 abgegebenen Stimmen gewählt. Für die Wahl des U. und I. WahlkörperK am 13. und 15. März stellte die clericale Partei keine Gegencandidaten auf und wurden im U. Wahlkörper die bisherigen Gemeinderäthe: Johann Redl, Maler, mit 256, Carl Auböck, Bräuereibesitzer, mit 253, Emil Göppl, Apotheker, mit253, Dr. Alois Kurz, k. k.Notar, mit 253, Mathias Perz, Kaufmann, mit 249 von 261 abgegebenen Stimmen und im l. Wahlkörper gleichfalls der bisherige Gemcinde- rath Jacob'Kautsch, Bankdirector, mit 211 von 225 abgegebenen Stimmen wiedergewählt. Die enorm gesteigerte Thätigkeit der österreichischen Waffenfabpik machte derselben bald die Fabriksräumlichkeiten zu enge, weßhalb dieselbe die einstens G. Siegl'sche Maschinenfabrik in der Währiugerstraße in Wien ankaufte und schnellstens in Betrieb setzte. Mit dem ersten Avrils traten in Oberösterreich die Natural - Verpflegsstationen > ins Leben, ^Veren 104 errichtet wurden, und welche der drückenden Landplage des Vaga- bunden-UnWesens steuern sollen. Wie überall wurde auch in Steyr eine solche Station errichtet und die Wirkung war allerorten eine so überraschend günstige, daß der lästige Haus- und Straßenbettel auf ein Minimum zurückging. Zur vollen Wirkung der Verpflegsstationen erübrigt nur noch, daß die Bevölkerung weder im Hause, noch auf der Straße etwaigen Bettler«, insbesondere Kindern, Almosen verab- \ reicht, was sie, ohne sich dem Vorwurfe der Hartherzigkeit auszusetzen, thun kann, weil für ^> die Armen insbesondere der Stadt Steyr so ' ausreichend gesorgt ist, wie kaum anderZwo. j Die Gemeinde Sierning hatte beschlossen, / aus Anlaß des vierzigjährigen Regierungsjubiläums Sr. Majestät des Kaisers eine Kaiser Franz Josef -Bolksschnle zu er-

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