Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

Kurze KHronik von Steyr. Von Änfang Äugust 1888 bis Lude Äugust 1889. So . kurz der Zeitabschnitt des verflossenen Jahres, auf dessen wichtigste Begebenheiten ein kurzer Rückblick geworfen werden soll, auch sein mag, für die Entwicklung und die Geschicke der Stadt Steyr war er gleichwohl von weittragendster Bedeutung. Im Allgemeinen entwickelten sich die Verhältnisse in erfreulicher Weise, da durch die Hebung der Stahl- Eisenindustrie überhaupt, insbesondere durch^die rege Geschäftsthätigkeit der österreichischen Waffenfäbrik die Bedingungen zu wirth- schaftlichem Aufschwünge gegeben wurden, so daß Gewerbe und Industrie die Quellen sich mehrenden Wohlstandes wurden. Im Großen und Ganzen verzeichnet auch die Landwirthschaft ein fruchtbares Jahr, dessen Er- trägniß es ihr ermöglicht, an dem Aufschwünge von Handel und Industrie in Folge der gesteigerte!! Consumkra^t derselben reichen Ertrag zu finden. Gleichwohl fehlte es im abgelaufenen Jahre an schweren Schicksalsschlägen nicht, welche den Eifer der Bevölkerung, durch Schaffung gemeinnütziger Unternehmungen die Zukunft der Stadt nach Kräften vor SchwanUttd aber Johann Vergor, Bürgermeister von Steyr'. kungen zu bewahren, wesentlich beeinträchtigten. Die Lage der Kleineisenindustrie, die einst eine Quelle reichen Wohlstandes W-Steyr und dessen Umgebung war und die einst den Welthandel beherrschend den Nus der Steyrer Eisen- und insbesondere Messerwaaren in alle Welttheile trug, wird allmälig ungünstiger, da die unüberwindliche Concurrenz maschinell erzeugter Messerwaaren, die % ungünstige Verfrachtung sowohl der Rohstoffe, als der erzeugten Waaren, insbesondere aber die längst nicht mehr zeitgemäße, veraltete Erzeugungsweise den Steyrer Erzeugnissen längst ganze Absatzgebiete entrissen, theils den Preis derselben derart eine brückten, dass durch die Kleiniudustrie menschenwürdige Existenz für Meister und Arbeiter unter den dermalen herrschenden Verhältnissen nicht mehr möglich ist. Um diesen Industriezweig womöglich noch zu retten, wurde nach einem Referate des Herrn Hof- rathes Ritter von Baz ant eine Hilfsaktion für dieMesserindustrie im Steyrer Jndn- striebezirke in Angriff genommen, für die in Steyr der Handelskammerrath Josef Huber in der Sitzung des Gewerbe-Vereines des SteyrerJndustriebezirkes am 31. August 1888 mit Energie eintrat, worauf die Intervention der Gemeindevertretung, der Handelskammer und der Abgeordneten im hohen Landtage angesucht und bewerkstelligt wurde. Trotz des regsten Eifers uttd des allseitig behaupteten Entgegenkommens ist die Frage heute noch immer in Schwebe und deren Lösung ungewiß; der Dringlichkeit wegen, die ihr innewohnt, werden wir die einzelnen Phasen anführen, welche sie iM Laufe des Jahres mitmachte, und die sie hoffent- f lich einem befriedigenden Abschlusse zuführen werden. DerVicepräsident der österreichischen Waffen- fabrik Georg Ritter d. Aichinger widmete mit Schreiben an die Gemeinde-Vorstehung vöN Steyr aus Anlass des vierzigjährigen Regierungs-Jubiläums Sr. Maj estät des Kaisers 10.000 Gulden für zwei Stipendien für dürftige Hörer des Overgymna- siums, welche in Steyr geboren und zuständig sind und die Studien mit sehr guten Erfolgen absolvieren. Die Stipendien gelten für die ganze Studienzeit des Betheilten. Die hochherzige Stiftung wurde von dem Gemeinderathe in der Sitzung am 7. September 1888 mit dem gebührenden Danke entgegengenommen. Der Bau d^r^euenJäner-Caserne schritt unter der Leitung' des Baumeisters Franz Lengenfelder so rüstig vorwärts, daß bereits am 1. ^^teJ^^J^ fest begangen werden konnte, an welchem der Bürgermeister Johann Berger, eine große Anzahl von Gemeinderäthen und die beim Baue beschäftigten Geschäftsleute theil- Uahmen, und welches trotz schlechten Wetters sehr animirt verlief. _ Mit Erlaß der k. k. oberösterreichischen , Slatthalterei vom 3. September 18W.Zvurde der Gemeinde-Vorstehung von Steyr mitge- theilt, dass das k. k. Unterrichts-Ministerium die Bitte der Stadt Steyr um Belassung deu-ODerrealschnle in Steyr, m welcher sich dieselbe bereit erklärt hatte, die Oberrealclassen selbst auf eigene Kosten zu er- balten, abschlägig beschreden habe. Als Mund wurde lediglich angegeben, daß kerne Garantie dafür vorhanden sei, daß die Oberrealclassen künftig besser besucht sein werden. Der Erlass wurde dem für die Realschulfrage eingesetzten Comitä zur Berathung und Stellung von Anträgen übergeben. Anhaltende Regengüsse brachten anfangs September Hochwasser, das am 3. September leinen Höhepunkt erreichte und in ganz Oberösterreich bedeutende Verheerungen an- rlchtete. Auch die Euns und Steyr schwollen Mächtig an, doch blieb die Stadt Steyr und bereu Umgebung von größeren Verwüstungen berschont. Wohl trat der Teufelsbach bei Neu- ust aus und setzte ein Theil desselben seinen ^auf durch die Zieglergaffe^ort, richtete jedoch ^URit bedeutenden Schaden an. . DerVerwaltungsrath derSteyrthalbahn beschloß in senrer Sitzung am 8. September Ausbau der Strecke von Grünburg bis ^onstein-Molln unmittelbar nach Fertigstellung des ersten Bauloses Grünburg—Steinach vorzunehmen und zu diesem Behufe die ^"bscription auf das Baucapital einzuleiten, ^belches für die 11 Kilometer lange Strecke fl. Per Kilometer, somit im Ganzen M.540 fl. beträgt. Generaldirector Josef Werndl eröffnete die Subscription mit einem Abträge von 50.000 fl. und faßte der Ver- baltungsrath den Beschluß, beim Landtage Zeichnung eines weiteren Betrages von fl. seitens des Landes einzuschrerten. Schöpfer und Gründer der Steyrthalbahn Johann Hochhäuser berief daraufhm ?lu 15. September eine Jnteressetttett-VersalUltt- im Hotel' Eiselmeyr ein, in lvelcher er den Stand des Baues der ersten Strecke Steyrthalbahn von Steyr bis Grünburg .gerierte und um Einleitung einer Subscrip- L-bU zum Weiterbaue ersuchte. Die Subscnp- lon wurde unter den Anwesenden selbst gleich Wonnen und lieferte anl selben Abende bereits ein Ergebnis von 100.000 Gulden. 107 Znm größten Bedauern der Wählerschaft des Jndustrial-Vezirkes Stehr legte der Reichsraths-Abgeordnete Dr. Johann Hochhäuser mit Schreiben vom 17. September ^4888- sein Sl-eW) s r a t h s m a n d a t _niede,r„.da er sich einerseits körperlich unwohl fühlte, andererseits durch vielfache Thätigkeit im Interesse seiner Mitbürger und der Stadt nicht hinreichend Zeit fand, das Reichsraths- Mandat vollkommen auszuüben. Wohl veranlaßten den an eine ersprießliche und erfolgreiche Thätigkeit gewöhnten Mann auch die Verhältnisse im österreichischen Abgeordnetenhause zu dem Schritte, da er die Unmöglichkeit einsah, für die deutsch-liberale Partei, die er im Reichsrathe vertrat, mit irgendwelcher Aussicht auf Erfolg zu wirken. Am 22. und 23. September fand in Steyr im Hotel Schiff der H. oberösterreichische Gewerbetag statt, welcher jedoch nicht den erhofften Massenbesuch aufzuweisen hatte, wie der in Linz ab gehaltene erste. Am 21. September Abends fand eine gesellige Zusammenkunft statt und am 22. wurden die Verhandlungen gepflogen, welche folgende Anträge zur Annahme brachten: 1. Trennung der Handels- von der Gewerbekammer; 2. Abänderung der M 14 und 37 des Gewerbegesetzes durch Erweiterung der Nothwendigkeit des Befähigungs-Nachweises auf jene Fabrikanten, welche handwerksmäßige Artikel erzeugen; 3. eine Petition an die oberösterreichische Handels - und Gewerbekammer um Einleitung einer Hilfsaction für die Kleiueisenindustrie in Steyr und llmgebung; 4. eine Petition an den ober- österreichischen Landesausschuß um kräftige Unterstützung der gewerblichen Fortbildungs- curse; 5. Aufhebung der Strafhausarbeit und Regulirung des Hausierwesens; 6. Errichtung von Meister-Kranken- und Unterstützungs- Cassen; 7. Reactivirung des ein- oder zweijährigen Curses im Thierarznei-Jnstitute zur Ausbildung der Hufschmiede für das Hufschmied- Gewerbe. Das Ueberhandnehmen von Schlägereien mit blutigem Ausgange, namentlich an Samstagen und Sonntagen, hatte zu deren Verhütung energische Polizei-Maßregeln und unter Anderem mit 20. September auch die Ein- führung der Sperrstunde nm 18 Uhr Nachts für Gast- und Kaffeehäuser zur Folge. Der katholische Gesetlenverein 'm Steyr hatte das Gasthaus „Zum blauen Bock" in der Sierningerstraße und das Haus Nr 19, Mittere Gasse, angekauft, um beide Häuser für Vereinszwecke zu adaptiren. An Stelle des Letzteren wurde ein Vereins- haus erbaut, das am 23.' September durch den k. k. Armeebischof und EMM sämmtlicher katholischer Gesellenvereine Dr. A n t o n G r u s ch a aus Wien feierlich eingeweiht wurde.

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