Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

M4 lernte, das er für praktisch hielt und das er immer mehr vervollkommnete, bis es die Vorzüge des nach ihm benannten Werndlgewehres erreicht hatte. Der Feldzug des Jahres 1866 machte die Einführung der Hinterlader zum unabweis- lichen Bedürfnisse, denn die Erfahrung batte gelehrt, baß der Überlegenheit des preußischen Hinderladers über tzen österreichischen Vorderlader hauptsächlich die Niederlage des österreichischen Heeres zugeschrieben werden muß. In dem Concurrenzkampfe der verschiedenen Systeme wurden deren über hundert vorgelegt und das Remington-Gewehr war bereits angenommen, als Jose f Werndl das Werndl- gewehr vorlegte, das. all^n anderen Systemen - vorgezogen und zur Einführung in der österreichischen Armee angenommen wurde. Vorerst übernahm die Firma I. F. Werndl u. Comp. 80.000 Stück Hinterlader zum Umarbeiten in Werudlgewehre, später die gesammte Lieferung für die österreichische Armee und da die Er- zeugnisse tadellos und musterhaft geliefert wurden, kamen auch Bestellungen anderer Regierungen, theils auf Lieferung neuer fertiger Gewehre, theils auf Transformirung älterer Systeme itt neue. Diese großartigen Bestellungen überschritten bald die Kräfte der Firma, da die Fabriken bedeutend vermehrt, die bald nicht mehr ausreichenden Wasserkräfte durch Dampfkräfte ersetzt und das Be- triebs-Eapital wie die gesammte Geschäftsanlage vergrößert werden mußte. Zu diesem Ende wurde die Firma I. F. Werndl u. Comp. im August 1869 in eine Acti en-G ese ll- schäft mit einem Aetieu-Capitale von 3 Millionen Gulden umgewandelt, au deren Spitze Herr Josef Wern dl als Genera l director verblieb. Immer größer wurden die Aufträge, immer größer die Zahl der Fabriksobjecte, immer größer aber auch der Ruhm von der Solidität und Leistungsfähigkeit der Waffen- fabrik, der alle Länder der Welt erfüllte. Die deutsche Regierung hatte zuerst das Zündnadelgewehr in ihrer Armee eingeführt, sah sich jedoch bald bewogen, an Stelle desselben das Mausergewehr anzunehmen. Die österreichische Waffenfabrik erntete einen schönen Erfolg ihrer Concurrenzfähigkeit, als bei ihr im Jahre 1873 ein sehr großer Theil der neuen Mäusergewehre und außerdem die Lieferung großer Mengen von Gewehrbestandtheilen bestellt wurde. Die Lieferungen, ausgezeichnet durchgeführt, brachten bald weitere Bestellungen verschiedener Staaten und so wurden Gewehre für R u m ä n i e n. G r i e ch e n- land, Montenegro, Frankreich, Persien, P o r t u g a l rc, geliefert, während riesige Sendungen nach den transoceanischen Ländern abgingen. Ueberall verbreiteten die Erzeugnisse den Weltruhm der Waffenfabrik und der Name Werndl wurde der ganzen Welt bekannt. Zu Beginn des letzten Decenniums tauchte abermals eine neue Specialität voll Armeegewehren, das Magazins- und Repetier- gewehr auf und die allgemeine Spannung in der politischen Constellation trieb die einzelnen Staaten, der Einführung dieser Gattung Schußwaffen die ganze Aufmerksamkeit zuzuwenden. Es ist begreiflich, dass die enormen Auslagen die eine abermalige Beschaffung neuer Gewehre erforderte, die Regierungen zu den eingehendsten Untersuchungen veranlaßten und daß Alles geprüft wurde, um das Beste behalten zu können, womit naturgemäß eine Stockung in der Gewehrerzeugung verbunden war, die so lange ruhte, bis die Regierungen sich für ein System entschieden hatten. Auch in der österreichischen Waffenfabrik stockte die Fabri- i kation und sank die Arbeiterzahl, welche in Steyr und Letten bereits 7000 betragen hatte, all- ! mählich auf 8- bis 900 Mann herunter. Diese Geschäftspause ließ den Generaldirector Joses iWerndl nicht ruhen. Die Verwendung der Elektricität für gewerbliche, insbesondere ifur Beleuchtungszwecke bildete gerade den Ge- / genstand lebhafter Erörterungen und rasch ent- schlossen, versuchte er die diversen Anschauungen ; durch Thatsachen zu erproben, richtete die ' Erzeugung elektrischer Lampen ein, und mH der Welt die praktische Verwendbarkeit der Wasserkraft als Motor für Erzeugung der Elektricität zu Beleuchtungszwecken zu beweisen, veranstaltete er im Jahre 1884 im Vereine mit seinem treuen und in allen Lagen seines Lebens stets bewährten Freunde Dr- Johann Hochhäuser eine elektrische Ausstellung in Steyr, wodurch der Ruhm seiner Vaterstadt neuerdings weit über die Grenzen Oesterreichs getragen wurde. Se. Majestät der Kaiser Franz Josef l., Se. kais. Hohen weiland Kronprinz Rudolf sammt höchst" dessen Gemahlin Erzherzogin Stefani^ Se. kais. Hoheit Erzherzog Carl Ludwig und hochdessen Gemahlin Erzherzogin Maria Theresia, Se. kais. Hoheit W Herzog Rainer, die Minister Gra f T a aff^ Graf Falkenhain, Conrad v. Eybes- feld und viele Celebritäten des In- und Auslandes beehrten die Ausstellung mit ihrem Besuche und sprachen sich über dieselbe sew lobend und schmeichelhaft aus. Bald jedoch kam die Repetiergewehrsrag? ins Rollen und Generaldirector W e r n d wendete derselben alle ihm eigene Energy Sachkenntnis und Schaffenskraft zu. Sem Kennerblick hatte unter den vielen Systemen das Mannlichergewehr als das Beste erkannt; rasch schritt er an die Einrichtung del Maschinen für dasselbe und als dieses System angenommen worden war, bekam die öste^ reichische Waffenfabrik einen großen Theil det | Lieferung für die gemeinsame Armee, die neuerdings eine ungemein rege Beschäftigung' ble Vermehrung der Fabriksobjecte, Maschinen und Arbeiter zur Folge hatte. Zn gleicher Zett hatte auch Deutschland beschlossen, M Mannlichergewehr, allerdings mit einer Abweichung von dem österreichischen, einzu- suhren, und die enorme Leistungsfähigkeit und musterhaften, tadellosen Erzeugnisse der onerreichischen Waffeufabrik einerseits, wie die Ansicht, Energie und geschäftliche Erfahrung Werndls anderseits brachten es dahin, daß, U'otz der großen Staatsfabriken Deutschland's, großer Theil der deutschen Mannlicher- ^ewehre der österreichischen Waffenfabrik zur Anfertigung übertragen wurde. ~ Die Vorarbeiten hiezu waren beendet, die Zeugung begann, da verlautete am Char- i^ltage 1889,der Geueraldirector Josef W er n d l an einer Lungenentzündung leicht er krankt, me er sich auf einer Fahrt nach Letten zugezogen INtte, in demselben Orte, in dem sich auch sein ^ater den Todeskeim geholt hatte. Die Kränkelt nahm einen erschreckend rapiden Verlauf Md nach eiuer Woche banger Befürchtungen und 'chwankender Hoffnungen hauchte er am 29. April 7-00.9 in deu Armen seiner tiefgebeugten Ange- mngen seine edle Seele ans. 7. Den Schmerz und die Bestürzung zu Mluderu, welche die Familien-Angehörigen, me ganze Bevölkerung der Stadt, die Arbeiterschaft und die weitesten Kreise, welche in Begehungen zu der österreichischen Waffenfabrik Müden, erfaßte, ist unsere Feder zu schwach. ja doch Werndl nicht blos ein genialer, achvergewühulicher Geschäftsmann, sondern auch ^Uler der edelsten Menschen, großartigsten Wohlthäter, der beste, treueste Sohu seiner r^crjhbt Ein Vater seiner Arbeiter, für ^^'en Wohlergehen und sorgenfreie Existenz er Jc schönsten, besten Einrichtungen traf, ein ^armfühlender, großmüthiger Wohlthäter der lrrnen, deren Elend und Noth er, wo immer Wle fand, großmüthig und reichlich zu liudern seinen Freunden ein treuer, aufrichtiger prüder, seiner Vaterstadt ein echter Sohn, Mts mit Rath, ausgiebiger That und offener ^and bereit, für ihre Zukunft und ihr Wohl- ^gehen zu wirken. , Der unnennbare Schmerz über das Ab- . des unersetzlichen Mannes manifestirte in dem L nch eubegängnisse des Jetten Todten, bei dem sich die Stadt in "stere Trauergewandung hüllte und au dem M Ker den höchstgestellten Personen des Landes, ^elt^eteru des Kriegsministeriums und der ^!Wten llnteruehmungen, die mit ihm in Ver- < Mdung getreten waren, die ganze Bevölkerung bk Stadt und ihrer weitesten Umgebung und die 105 gesammte Arbeiterschaft theilnahm und wohl kein Ange trocken blieb, wo immer der mit Hunderten von Kränzen bedeckte und von allen Vereinen der Stadt geleitete Sarg mit den sterblichen Hleberresteu des seltenen Mannes erschien. Selbst Se. Majestät der Kaiser be- theiligte sich an der Trauer über den Verlust des verdienstvollen Mannes, der er durch ein Beileids - Telegramm tiefempfundenen Ausdruck gab. Der emsige Fleiß und die praktische Geschäftsgebahrung brachten dem Generaldirector Josef Werndl reichen Lohn und ein bedeutendes Vermögen, das an seine beiden Töchter übergeht, von welchen die ältere, Caroline, au Max Baron Imhof, den Besitzer des Schlosses Dorf an der Enns, die jüngere, Anna, au I o s e f G r a f e n L a m b e r g, Besitzer des Schlosses Trautenfels iu Steiermark, verehelicht ist. Trotz seiues bedeutenden Reichthums ließ Werndl Pracht und Luxus unbeachtet und liebte es, als einfacher, schlichter Geschäftsmann «litten unter seinen Freunden und Mitarbeitern aufzutreteu. Schlicht und einfach im Bürgergewande, gerade und offen in seinen Worten und Thaten, blieb er sich ganz derselbe, ob er mit Potentaten sprach, mit denen ihn sein Geschäft in Verbindung brachte, oder im Streife seiner Mitbürger und Mitarbeiter verkehrte, und trotz der mitunter ergötzlichen Episoden, die infolge dessen vor- kamen, wurde er doch wegen seiner Biederkeit, Ehrenhaftigkeit und unübertroffenen Geschäfts- kenntnis vom Throne bis zur kleiusten Hütte gleich hochgeschätzt und verehrt. In seinem öffentlichen Wirken wurden ihm reiche Auszeichnungen und Ehren zu Theil. Er war Comthur des österreichischen Franz Josef-Ordens, Ritter des österreichischen Ordens der eisernen Krone III. Classe, Besitzer des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone, Commandeur des königl. preußischen Kronemordens, Comthur des köuigl. sächsischen Al- brechtsordens, Officier der französischen Ehrenlegion, Officier des italienischen Kronenordens, Commandeur des Ordens der rumänischen Krone, Officier des griechischen Erlöserordens, Commandeur des portugiesischen Christusordens, Großofficier des kaiserlich persischen Löwen- und Sonnenordens rc., Ehrenbürger der Stadt Steyr, Ehrenmitglied fast sämmtlicher humaner und künstlerischer Vereitle sc. Das Andenken Werndls wird imvergeßlich bleiben für alle Zeiten und sein großes Wirken, seine edlen Bürgertugenden werden kommenden Generationen als glänzendes Vorbild dienen. 8

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2