Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

100 Natur hier geschaffen. Endlich brach der Abt das Schweigen und bald war zwischen den beiden Patres ein Gespräch iin Gange, im Laufe dessen sie den unliebsamen Unfall des heutigen Nachmittags fast ganz vergaßen. Es war mittlerweile stark dunkel geworden und einzelne Sterne zeigten sich bereits am klaren Abendhimmel, als der Prior, die Hand gegen Steyr aus- ft reckend, sagte: „Hochwürdigster Herr, seht doch einmal gegen Steyr — ist mir doch, als ob dort gegen die Pfarrkirche zu eine Rauchwolke aufstiege —" „Wird wol Nebel sein", meinte der Abt leichthin „Ist sumpfig dort und Nebel nichts Seltenes um diese Zeit." Das Gespräch nahm seinen weiteren Verlauf, als plötzlich in der vom Pater Prior angedeuteten Richtung eine Feuersäule zum Himmel schoß. Ehe sich die beiden Mönche noch darüber aussprechen konnten, schlug schon die große Glocke am Garstner Kirchthurm an — es war kein Zweifel, das bedeutete ein großes Schadenfeuer und noch dazu in nächster Nähe. „Wo mag das Feuer sein?" frug der Prior. „Ich fürchte, es brennt ein Klostergut", meinte nachdenklich der Abt. „Wenn nur nicht der Maierhof brennt!" „Um Gotteswillen, das könnte wahr sein", rief der Prior bestürzt, und jetzt machte sich auch aus allen Theilen des Klosters Lärm und Geräusch vernehmbar — die Klosterleute eilten augenscheinlich in's Freie, vielleicht um zu retten, wenn der Brand nahe war. Auch der Abt und der Prior begaben sich in den Klosterhof, um nähere Kundschaft von dem Brande zu holen. Drunten kam ihnen aber schon ein Bauer mit verstörtem Gesicht entgegen. „Was gibt es?" rief der Abt, Böses ahnend. „Brennt der Maierhof?" „Es ist leider so, hochwürdigster Herr Abt", rief noch fast athemlos der Bauer. „Der ganze Maierhof sammt den Getreidetristen an der Straße brennt lichlerloh — es ist keine Rettung —!" „Und wie entstand das Feuer?" forschte der Abt. „Erzähle, während wir zur Brandstätte eilen!" „Oh, es ist eine schreckliche Geschichte", erzählte der Bauer, während er mit dein Prior an der Seite des Abtes rasch aus dem Kloster schritt. „Der Ritter Hart- , neid von Losenstein kam sammt Gefolge vor etwa einer Stunde zum Maierhof geritten —" „Also er ist der Brandstifter?" frug überrascht der Abt. „Er — er und kein Anderer", berichtete der Bauer weiter. „Die Arbeitsleute saßen eben im Gespräche unter dem großen Eichbaume, als der Ritter dahersauste, an uns vorüber in den Hof hinein. Wir eilten, nach seinem Begehr zu fragen, allein er wetterte und fluchte, schalt uns zusammen und verlangte Feuerzeug und Fackeln zu erhalten. Der Maier wollte fragen, zu was er derlei wohl brauche, allein der Rittet schnitt ihm das Wort ab und drohte uns niederhauen zu lassen, wenn wir derlei nicht rasch zur Stelle schafften." „Und Ihr habt es gethan.?" frug finster der Abt. „Wir hätten es wol gethan", meinte achselzuckend der Bauer. „Der Ritter und seine Knappen hatten die Schwerter entblößt und schienen nicht gerade zuM Spaßen gelaunt zu sein —" „Glaub's Euch gerne, Mann", sagte da der Prior. „Spaß verstand der Losen- steiner heute Nachmittag auch im Kloster keinen! Doch erzählt weiter!" „Nun, das Uebrige ist ja bald erzählt", erwiderte der Bauer. „Bevor wir uns noch auf den Weg machten, seinen > Befehl zu befolgen, waren schon einige Knappen abgesessen und ins Wohnhaus geeilt. Wir ahnten Unheil und wollten ihnen nach, doch befahl man uns zn bleiben. „Es dauerte keine Viertelstunde, da sagte der Maier halblaut zu mir und bekreuzigte sich: ,Utü Allerheiligenwillen — es brennt st Und so war es auch, und bald schlug die Helle Lohe an allen Ecken und Enden Herfür. Es brannten die Gebäude — es brannten die Speicher. Wir wollten löschen eilen, allein man drohte, uns mit dem Schwerte niederzufloßen, und wir waren vollkommen wehrlos ! Endlich, als Alles lichterloh brannte, schickte sich die Mordbrennerschaar an, abzuziehen.,Sage dem Abte', rief der Ritter dem Maier zu, ,das Feuer sei gemacht, er möge jetzt den Braten zubereiten lassen' — und dabei deutete der Unmensch höhnisch nach den brennenden Stallungen, in denen das Vieh, das uicht herauskonnte, vor Schmerz und Angst brüllte und wimmerte. .Jetzt kommt der Geizhalz gewiß nicht mehr in Verlegenheit, wenn er Gäste bekommt!' bind fluchend und lachend ritt der Losensteiner mit seiner rohen Schaar — seine Gemalin war gleich Anfangs mit einem Pagen weitergeritten — von dannen, gegen Steyr!" Der Bauer machte eine Pause in der Erzählung. „Und was thatet Ihr nach dem Abzüge des Losensteiners?" frug jetzt Abt Nikolaus, der ohne eine Miene zu derziehen den Bericht, des Bauers angehört hatte. „Es war ja nichts mehr zu thun, hochwürdigster Herr", jammerte ängstlich der Bauer. „Es brannte ja überall: im Wohnhaus, in den Stälen, in der Scheune und auch die Getreidetristen im Freien! Ihr werdet nur mehr einen suchenden Trümmerhaufen finden, Herr Abt!" , Der Abt gab keine Antwort mehr, sondern schritt eilends aus dem holperigen Sträßchen dahin‘ und bald waren die Drei beim Maierhofe angelangt, in 101 dessen Nähe viel Leute angesammelt standen und gafften. Alles grüßte ehrerbietig den Prälaten und dieser, der sich bei ihrem Anblick vorgenommen hatte, den Garstnern seinen Unwillen über ihre Unthätigkeit zu erkennen zu geben, gab diesen Vorsatz alsbald auf, da er sich mit einen: Blick überzeugte, dass die Leute nichts Besseres thun konnten, als müßig zusehen — das gefräßige Element hatte so rasch um sich gegriffen, daß an eine Rettung gar nicht zu denken war. Der ganze Maierhof lag in Trümmern und die Flanlmen züngelten nur mehr aus den öden Räumen hervor, wenn sie augenblicklich noch Brennbares ergriffen hatten. Nur draußen am Dreschplätze brannte eine große Getreidetriste noch wie eine Niesenfackel — auch sie war verloren. Der Abt sah mit Kummer und Entrüstung das schöne Gut des Klosters vernichtet. „Fürwahr", sagte er, sich zum Prior wendend, mit bitterem Spotte, „der Losen- steiner ist theuer zu bewirthen — das kalte Mittagmahl hat er sich gründlichst aufgewärmt!" „Gott gesegne ihm die Mahlzeit", murmelte der Prior zwischen den Zähnen, „und verzeihe ihm die Sünde, soviel Vieh und Getreide verbrannt zu haben. Das sollte doch bestraft werden — solcher Frevel!" „Besser Unrecht leiden, als Unrecht thun!" gab der Abt zur Antwort und wandte sich zum Weggehen. „Gewalt geht vor Recht und der Schwächere hat zu schweigen! In Garsten wirds wol nicht anders sein, als überall!" Und stumm schritten die Beiden wieder heim in's Kloster.

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