Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

98 Euch in die Küche und trachtet, Speise und Trank herbeizuschasien —" Die so Beauftragten beeilten sich, den Befehlen des Abtes nachzukommen, allein in der Saalthür stießen sie bereits auf den Ritter von Losenstein, der, un- gestüm die Thür aufreibend, eben hereinstürmte. Sein hochgervthetes Gesicht und sein etwas schwankender Schritt bewiesen, dass er scharf gefrühstückt hatte. Er trat sporenklirrend auf den Abt zu, blieb knapp vor ihm stehen, stützte sich auf den Knauf seines Schwertes und sprudelte mit etwas heiserer Stimme heraus: „Grüß Gott, Herr Abt! Bin wol nicht recht willkommen? He? Glaub's gern — der Hartneid von Losenstein ist eben kein Betbruder! Na —keine Angst! Bin nicht in fehdelustiger Stimnlung — wollte nach Steyr zuni Burggrafen — ist aber so verdammt heiß, daß ich von dem scharfen Ritt durstig geworden bin! Werdet wol noch einen Humpen übrig haben?" „Gewiß, Herr Ritter", sagte der Abt, der sich augenscheinlich zwang, gegen diesen Klosterfeind, der sich so unerwartet zu Gaste lud, höflich zu sein. „Auch der Humpen mehr, wenn Jhr's verlangt —" „Gottes Blitz, wenn ich es verlange — " und der Losensteiner schlug eine Lache auf. „Natürlich verlange ich's und auch etwas Rechtschaffenes zum Zubeißen - wie ich sehe, ist die Tafel reich genug gewesen, daß für einen einfachen Rittersmann noch etwas übrig sein kann." Der Losensteiner setzte sich bei diesen Worten ohne Weiters auf den reichgeschnitzten Stuhl des Abtes, während dieser sich beeilte, die ehen eingetretene Gemalin des rauhen Gastes artig zu bewillkommnen und sie ehrerbietig zu einem Sitze an der rasch wieder gedeckten Tafel an die Seite ihres Gatten zu geleiten. In diesen: Augenblicke brachte ein Laienbruder in einem silbernen Kruge Wein, der Abt ergriff selbst einen Pokal, füllte ihn und stellte ihn der Edelfrau vor, während der Prior dasselbe für den Losensteiner that. „Heiffa", rief dieser, seinen Pokal rasch ergreifend und lüstern die feine Ciselirung desselben betrachtend. „Herr Abt, Ihr habt Geschirr, wie an der Tafel unseres Herzogs kaum eines zu fiudeu ist! Wenn ich nicht Ritter wär', wollt' ich ivol Abt von Garsten sein! Abt — ich bring' Euch's!" Der Abt stieß mit dem Ritter au und tippte höflich an den Pokal der Edelfrau, die mit einem Blick auf ihren Gatte» dabei sagte: „Nichts für ungut, hochwürdiger Herr, mein Ehegemal ist etwas ausgelassen heute —" „Was, ausgelassen?" rief der Ritter, seinen auf einen Zug geleerten Pokal heftig auf deu Tisch stelleud. „Bin guter Dinge, weil ich gut zu essen und zu trinken hoffe! Heda!" rief er dei» dienenden Klosterbruder zu, der ebe» Speisen herein brachte, „beeilt Euch, mei» Freund, denn ich habe erschreckliche» Hunger!" . Der Laienbruder stellte die Schüssel» auf die Tafel uud der Abt wollte selbst von den Speisen dem Ritter vorlegem allein dieser hatte dieselben betrachtet uüd schob sie zurück. „Was", ries er uud die Zornesader schwoll ihm auf der Stirne, „kalte Speisen am Maria-Geburtstage, und noch dazu in Garsten, dem reichsten Kloster im Land? Blitz und Hagel, Herr Abt, wollt ihr mich beleidigen?" „Verzeiht, edler Herr", wagte der Prior hier zu sagen, „es ist schon lange nach dem Essen und die Vesper vorüber, wir saßen eben heute länger bei der Tafel als gewöhnlich — es kann daher nichts Warmes mehr da sein —" „Oho", rief der Ritter, gereizt durch diese Worte, „in Garsten brät und backt man an solchen Tagen die ganze Zeit — her mit warmem Braten und frische»! Kuchen!" „Herr Ritter, Ihr kanrt unangesagt und spät", sagte sanft der Abt. „Hätte» >vir geahnt, daß Ihr kommt, solltet Ihr jährlich nicht zu klagen gehabt haben. Ihr müßt uns daher diesmal eickschuldigen —" „Warmen Braten will ich", schrie der Ritter jetzt erbost und schlug mit der Faust auf den Tisch, dass es klirrte. „Habt Ihr wohl gehört, Herr Abt?" „Aber Hartneid", wollte die Ehefrau ihm wehren. „Schweig!" herrschte der Losensteiner seine Gattin au uud trank abermals den »tüchtigen Pokal zur Neige. „Was soll das Zieren seitens des Abtes? Wenn ich auch manch' Hühnchen mit dem Kloster 8» pflücken habe, bin ich nicht Gast hier und ein edler 'Gast? Und haben nicht meine Ahnen dein Kloster schon den Braten geschenkt, den ich jetzt warm haben will?" „Gewiß, gewiß, Herr Ritter", bellte sich der Abt zu sagen, der seine Lage drohend fand, „allein bedenkt doch, daß es augenblicklich schwer hält, Euren Wunsch, zu befriedigen! Wollt Ihr und Eure edle Frau Gemalin Euch nur ein kleines Stündchen gedulden, so soll Euer Begehren erfüllt werden." „Gewiß ivollen wir ein Stündchen Marten", sagte die Edelfrau und legte chre Hand auf ihres Gatten Schulter. „Mein Gemal sieht es ja selbst ein —" „Nichts sieht er ein", schrie der Lvsensteiner, erhitzt von dem rasch, ge- Uvssenen Weine und sprang ungestüm hau seinen: Sitze auf. „Gar nichts sehe uh ein, als daß ich in Eurem Kloster uicht gerne gesehen bin und daß man Mir kalte Speisen vorstellt, damit ich das Wiederkommen vergesse! Aber Ihr habt misch gerechnet, Herr Abt, grundfalsch! Lottes Blitz! Ich. will Euch den Braten Marinen, daß Ihr die Mäuler Euch d'ran verbrennen sollt! Komm!" Uud er nahn: seine überraschte Ge- Maliu an der Hand und zog sie hinter hch aus den: Saale. Bestürzt und Mutlos standen der Abt und die Mönche aa. Aber schon in: nächsten Augenblicke erscholl des Losensteiners heiseres Fluchen 99 in: Klosterhof, die Pferde wurden herbeigeführt und der Ritter hob seine Ge- malin auf den Zelter. „Wohin willst Du so plötzlich, Hartneid?" frug diese dabei, erstaunt über ihres Gatten Beginnen. „Das Mittagn:ahl will ich wärmen", schrie der Losensteiner in: Aufsitzen, „das Mittagmahl wärmen! Gottes Zorn über diese geizigen Pfaffen! Hollah! Gute Mahlzeit, Herr Abt!" u>:d er lachte den: Abt^ der im Klosterhof erschienen war, uni seinen Gast zu beruhigen, höhnisch zu, gab seinen: Nenner die spitzen Dorne in die Weichen, daß sich das edle Thier hoch aufbäumte, uud jagte aus dem Kloster, gefolgt von seiner entsetzten Gattin und den: halbtrunkenen lärmen- den Gefolge. „Um Gotteswillen, was wird der Unhold thun?" frug händeringend der Prior, der neben dem Abte stand und wie dieser dem abziehenden Reittertrupp nachsah. „Irgend etwas Böses", gab der Abt Nikolaus mit wehmüthigem Ernst zur Antwort. „Ich kenne den Losensteiner — er ist ein gar gewaltthätiger Herr! Gott schütze uns vor seiner Bosheit!" * ... * Die Klosterbewohner sollte,: darüber bald in: Klaren sein, was dec Mtter von Losenstein im Sinne hatte. Als derselbe das Kloster verließ, sandte die scheidende Sonne eben ihre letzten Strahlen in das reizende Ennsthal und hüllte Alles in eine Fluch vou Licht. Leise murmelnd floß die Enns ruhig dahin und ihre Wellen wispelten wahrscheinlich sich zu, welcherlei Ränke die Menschheit gegeneinander fähig ist und sich dadurch die kurze Spanne Zeit, die sie Leben heißt, selbst vergällt. Der Abt Nikolaus war init dem Prior oben im Saale an ein Eckfenster, das die Aussicht sowol auf die Enns, als auch gegen Steyr gewährte, getreten, und beide sahen mit stummer Bewunderung auf das herrliche Bild,, das die

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