Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

90 91 sieht; denn der Freundschaft der französischen! Oesterreicher Laendler und Binder in die Berqe Republik wagte der Vertreter des autokratischen I geschleppt, ist nicht nachzuweiscn. Despotismus gar nicht einmal zu gedenken. Griechenland. Dieser kleine Staat erfreut sich unter der Regierung König Georgios eines volkswirth- schaftlichen Wohlergehens, welches den Ausbau der begonnenen Eisenbahubauten und eine neue Armeeorganisation ermöglicht. Dies befestigt auch die politische Bedeutung, so daß die Regierung zum Schutz der griechischen Schwammfischerei zu energischen Maßregeln schreiten konnte. Bei dem am 31. October stattgefundenen 26jährigen Regierungsjubiläum des Königs kamen die guten Beziehungen, in welchen derselbe zu seinem Volke steht, zum beredtesten Ausdruck. Wukgarien. Eines der erfreulichsten Zeichen cultureller Entwicklung dieses Balkanstaates war die Eröffnung der bulgarischen Eisenbahn, welche am 12. August unter großen Feierlichkeiten stattfand. Damit ist endlich nach decennienlangem Zögern die Verbindung des Abend- mitdem Morgenlande hergestellt. Prinz Ferdinand betonte in seinem. Toast die Einigung, die Einheit und den Frieden, und daß es gelungen ist, diese Weltlinie unter den schwierigsten Verhältnissen durch bulgarische Kräfte und Hilfsmittel zum Abschluß zu bringen. . Um in der. Brigantenaffaire eine Satis- faction zu- schaffen, werden von dem Kriegsgericht in Teteren 12 Räuber zum Tode und 30 Mitschuldige zu Zwangsarbeiten verurtheilt. Ob es aber d-ie richtigen sind, welche die beiden Auf den bulgarischen Minister Natschewitsch wird von einem wegen Unterschleifes davongejagten Beamten Names Kisselow in Rustschuk am 16. September ein Attentat ausgeübt, das trotz abgefeuerter sechs Revolverschüsse doch nur leichte Verletzungen zur Folge hatte. Der Thäter wird verhaftet und beim Verhör stellte es sich heraus, daß russischer Einfluß dabei im Spiel war. Am 20. December reichen wieder einmal sämmtliche Minister, mit Ausnahme Stambuloff's und Zirkoffls, ihre Demission ein. Eine Reconstruction des Ca^inets lag schon lange in den Intentionen des Fürsten Ferdinand, welche auch schließlich , den Sieg davontrugen. Stojanoft' wird Präsident der Sobranje und Stambuloff verfügt über die Majorität; die Regierung des Fürsten Ferdinand erscheint dadurch neu gekräftigt. Ein weiterer cultureller Fortschritt ist durch den Beginn der Eisenbahn Burgas-Jamboli, an 'welcher am 12. Mai Prinz Ferdinand I- den Spatenstich vollzog, zu verzeichnen. Rumänien. Die Bauernaufstände, deren Provenienz zweifellos auf russische Inspiration zurückzuführen ist, werden endlich Mitte August niedergeschlagen. Ueber 360 Bauern, die gefangen und schuldig befunden wurden, kamen vor das Schwurgericht. Auch ein ehemaliger Kriegsminister Anghelesiu kam auf die Anklagebank und wurde am 19. December wegen Erpressung zu dreimonatlichem Gefängniß, 3000 Francs und 30.000 Francs Entschädigung verurtheilt. In der Kammer wird der Antrag Janesco's auf absolute Neutralität und Union der BalkaN- staaten vom Minister Curt bekämpft und damit die Richtung der gegenwärtigen Regierung gekennzeichnet. Es ist dies ein bedeutendes Zeichen für den wiederwachsenden Einfluß Rußlands, das seine unterminierende Maulwurfspolitik mit Erfolg in Serbien und nun auch in Rumänien übt- Da die Ehe König Carolls eine kinderlose ist, so wurde Anfangs April Prinz Ferdinand von Hohenzollern als Nachfolger seines Oheims auf den rumänischen Thron designirt. Die russischen .Blätter nennen ihn schon jetzt einen von Niemand anerkannten Kron- prätendanten. Das Ministerium reconstruirt sich mit Cartagin, Lahovary, Nano, Vernescu und gilt als ein entschieden außenfreundliches. Am 20. April reist Prinz Ferdinand von Pest nach Bukarest ab, wo er mit Enthusiasmus von der Bevölkerung begrüßt wird. Am 21. Mai sand seine Einführung im Senate unter großen Feierlichkeiten statt. Der Prinz erklärte in rumänischer Sprache sich stets nur von nationalen Gesinnungen leiten zu lassen. Die Befestigungsarbeiten der Grenzforts werden ununterbrochen fortgesetzt. Welgien. Die Zustände in diesem kleinen, aber so ungemein industriösen Lande können nicht zur kommen. Das Großcapital steht der Arbeitenden Classe noch immer schroff gegenüber, und das clericale Ministerium, welches sich oer weise und einsichtsvolle König Leopold 11.. oon der Majorität aufzwingen lassen mußte, hat wohl trostreiche Redensarten für die hungernden Arbeiter, aber keine Aenderung in deren Lage geschaffen. Mit der Arrangirung einer inter- "ationalen Weltausstellung in Brüssel wurde Trumpf ausgespielt, der sich schließlich auch ^.ur als eine Geldmacherei zu Gunsten einiger Kapitalisten entpuppte. Die Arbeiter in den Bergwerken stellen im November die Arbeit ein, flehen bettelnd und brandschatzend im Land unher und setzen die Bevölkerung in Schrecken. Anarchisten schüren offenkundig und arbeiten Dynamit. Die Eisenbahnbrücke von Charle- wird unterminirt, aber noch rechtzeitig das a* vereitelt, sogar die Königin wird in- 9000 Arbeiter aus dem Hennegau ziehen "ach Brüssel, um von der Kammer Abhilfe zu Begehren. Nach Verhaftung der anarchistischen Wuhrer erhalten die Arbeiter wohl keine Lohn- ^höhung, aber das Coalitionsrecht, KrankenUnfallversicherungen. .^^o diese traurigen Vorgänge haben das ^olk überzeugt, daß die gegenwärtige Kammer- ^lorität nicht länger das so unfähige Mini- crium Bernaert stützen dürfe. c- Dasselbe hatte sich außerdem unsauberer Polung durch Lockspitzeln, die die Arbeiter & Ä mehr aufreizen und zum Zug nach Brüssel "lmmen sollten, wo sie dann nieder kartätscht orden wären, zu Schulden kommen lassen, o' wurde also mit großem Jubel im ganzen begrüßt, als am 11. Juni der liberale dav Sieg über seine clericalen Gegner bereinigte Staate« von Amerika. Diese mächtige .Republik gehört zu den ib^^bn, welche die besten sind, weil man von am wenigsten spricht. In der That ist ag^s große Land in der glücklichen Lage, von hei^ politischen Ereignissen, von allen Krank- des alternden Europa verschont zu bleiben, ^z Ut mächtig genug, um keiner Eroberung und ^/vgrößerung zu bedürfen, und da es keine sy ?oen und keinen Hofstaat zu unterhalten hat, llud seine Finanzen die blühendsten, und der Finanzminister daselbst weiß schon nicht mehr, was er mit dem jährlichen Ueberschuß anfangen soll. Einer der Männer und Helden, welche die amerikanische Einheit und Freiheit herstellen und die Sclaverei abschaffen halfen, General Sheridan, ist am 6 August gestorben. Er war 1831 geboren und gehörte zu den dort selten vorkommenden Berufssoldaten, die ihre Ausbildung in der Militärakademie zu Westpoint erhalten. In den Kriegen mit den Indianern brachte er es als Dragoner zum Rittmeister. 1862 war er bereits Oberst und machte den ganzen Feldzug gegen die südstaatlichen Sclavenhalter mit. Unter Grant entschied er die Schlacht bei Chattanoaya; 1866 zum Oberbefehlshaber der gesammten Cavallerie ernannt, beendigte er den Krieg durch den Sieg bei Appomatox. 1888 zum Höchst- commandirenden der ganzen Armee ernannt, nahm er sein Hauptquartier in Chicago, wo er sein thatenreiches Leben endete. Präsident Harrison. Nach Ablauf des dreijährigen Präsidententurnus erklärt Harrison die Canditatur anzunehmen und stellt gleichzeitig sein Programm auf. In der That hat er bei den Wahlen über Cleveland gesiegt und seine Ernennung steht außer Zweifel. Im Senat wird ein Antrag auf Beschränkung der Einwanderung eingebracht. Die vereinigten Staaten bedürfen derselben nicht mehr wie früher, sie wollen eine Auswahl treffen, und besteuern deshalb jeden Einwanderer mit 6 Dollars, lasten auch keine Arbeiter mehr herein, die nicht Arb ckscontracte besitzen. Anfa gs März erläßt der neugewählte Präsident Harrison seine Botschaft, in welcher er sich für dis schutzzöllnerische System und gegen jeden fremden Einfluß auf amerikanische Verhältnisse ausspricht. Damit ist auch die Panamacanalfrage entschieden, indem die Beherrschung dieser Wasserstraße durch eine fremde Macht entschieden zurückgewiesen wird.

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