82 83 Am 14. Mai empfängt Kaiser Wilhelm U. eine Deputation der Knappenvereine und erwidert auf die Beschwerde der Bergleute, daß er die contractbrüchige Niederlegung der Arbeit ohne Kündigung tadeln müsse und socialdemokratische Tendenzen nicht dulden würde. Er versichere sie aber seines Schutzes, sobald sie zur Arbeit zurückkehren würden. Einige Tage daraus hatten die Grubenbesitzer Audienz und durch die kaiserliche Intervention wurde diese bedrohliche Bewegung allmählich wieder in die normalen Geleise zurückgeführt. Die Königin Mutter Marie von Baiern, die beklagenswerthe Niobe unserer Zeit, stirbt am 17. Mai auf Schloß Hohenschwangau. Der König und der Kronprinz von Italien treffen am 21. Mai, empfangen vom Kaiser Wilhelm, allen Prinzen, dem Fürsten Bismarck, Gras Moltke und allen Ministern, der Generalität und den hohen Würdenträgern, in Berlin ein. Die Hauptstadt des deutschen Reiches prangte im Festschmuck und die Bevölkerung bejubelte den Bundesgenossen Die Festlichkeiten und hohen Ehren, die dem König und seinem Gefolge erwiesen wurden, constatirten nur, welches Gewicht auf das geschlossene Bündnis; in Berlin gelegt wird Es bedurfte nicht mehr der Toaste, aber von großer Bedeutung war die Rede, welche Crispi beim Reichsbankett hielt. Er betonte ausdrücklich, daß diese Tripelallianz Niemanden als den Störer des europäischen Friedens bedrohe. Alle die ungeheuren Opfer werden nur der Erhaltung desselben gebracht. Am 26. verläßt der König von Italien wieder die Hauptstadt des deutschen Reiches, um dem Schah von Persien Platz zu machen, der am 9. Juni in Berlin eintrifst und ebenfalls mit großen Ehren empfangen wird. Am 13. Ium reist er wieder nach Kassel ab. Das Hutten Sickingen-Denkmal wird am 11. Juni in Kreuznach enthüllt. Professor Oneken aus Gießen hielt die Festrede. Die 800jährige Feier der sächsischen Regentenhäuser aus dem Hause Wettin wird am 1*. Juni durch den deutschen Kaiser mit der Enthüllung des König Johann-Denkmals inau- gurirt. Der historische Festzug, der dann abgehalten wurde, war das großartigste Schauspiel, was in dieser Richtung jemals auf deutschem Boden stattgefunden. Am 22. erläßt König Karl von Württenn berg ein Manifest, in welchem er aus Anlaß seiner 23jährigen Regierungsseier seinem Volk für erwiesene Liebe unb Treue dankt. Am 23. trifft der deutsche Kaiser auch zu diesen Festtagen ein und der Jubel der Bevölkerung mochte ihm die Gewähr bieten, daß die Einigkeit zwischen den nord- und süddeutschen Volksstämmen jetzt vollständig hergestellt ist. Der Großfürst-Thronfolger, der König von Griechenland und Sachsen und noch viele regierende Häupter waren Zeugen oieses erwachten deutschen Volksgeistes. Itatien. Italien ist in seinem afrikanischen Besitz wenig auf Rosen gebettet. Anfangs August hatte der Oberbefehlshaber in Massauah einen Conflict mit dem französischen Residenten Mercigny, dec durch die zweideutige Haltung der französischen Consuln, die im Geheimen mit den Feinden Italiens conspirirten, hervorgerufen wurde. Die italienische Regierung ließ sich aber durch diese Intriguen nicht abhalten, die definitive Besitze ergreisung von Massauah allen europäischen Staaten zu notificiren. Frankreich kann seinen Groll über den Anschluß Italiens an die Friedensliga nicht verhehlen und sucht sich durch kleinliche Cabalen und durch Protest gegen diese Notificirung zu rächen. Leider hatten die italienischen Truppen am 31. Juli bei der Besetzung von Saganciti durch den Verrath der afrikanischen Hilfstruppen wieder den Verlust von 100 Mann und mehrerer Offi- ciere zu beklagen. Am 15. September wird in Venedig der Congreß zum Schutz des literar- und künst- lerischeu Eigenthums eröffnet. Die Festtage, welche der Besuch des deutschen Kaisers vom 11. bis 17. October im Gefolge hat, beschrieben wir beim Deutschen ^eich, und die Millionen, die dafür aufgewendet werden mußten, dürften durch die Festigung der Tripelallianz ihre Rechtfertigung finden. Durch den Tod Mancinas, welcher am December erfolgte, verlor Italien einen seiner hervorragendsten Staatsmänner; als Justiz-, Kultus- und Minister des Aeußern hat er seinem Saterland große Dienste geleistet. Er gab der ^olonialpolitik eine größere Ausdehnung und hat das deutsch-österreichische Bündniß mitge- lchaffen. Die republikanischen Elemente, welchd sporadisch auch beim Besuch des deutschen Kaisers auftauchten, äußern sich von Zeit 311 in anarchistischen Attentaten. In Florenz man Ende Jänner einer Verschwörung aus me Spur, welche die Paläste und öffentlichen Gebäude mit Dynamit in die Luft sprengen wollte. Der König eröffnete am 28. Jänner die Larlamentssession, in welcher die Erhaltung des Miedens durch das Bündniß Oesterreich-Deutsch- wnds besonders hervorgehoben wird. Unter oresem Schutz wird es auch allmählich möglich werden, die volkswirthschastlichen Verhältnisse heben und das Gleichgewicht im Budget Wieder herzustellen. Diese Hoffnung sollte sich wohl M)t bald erfüllen, denn die Noth wird immer ßrößer, und es kam in den ersten Februartagen Rom zunächst unter den Bauarbeitern, die Beschäftigung mehr fanden, zum offenen Aufstand Die Ruhestörer richteten an Lüden Und Auslagen beträchtlichen Schaden an, wurden Uber bald beschwichtigt. Der Ansturm im Parlament gegen Crispi M? .seine Politik führte anfangs März zu einer Alnisterkrisis. Der König betraute aber den- ^uen trotzdem mit der Bildung eines neuen ^.binets, das noch am 7. März mit Zanardelli, Viale, Brin, Gioliti, Seismit-Doda, Mali, Lacoria, Baccoli zu Stande kam. Crispi ^bt Ministerpräsident. h Anfangs April gelangte die Nachricht von Tode des Negus (Kaisers) von Abyssinien, Dhauns, der als ein Held im Kampf gegen Mahdisten bei Metemmeh fiel. Italien ver- in ihm einen zweifelhaften Freund; es ist noch, ungewiß ob unter den Kronprüten- u.Nten nicht der Muhamedanismus obsiegen Als legitimer Thronerbe gilt der Neffe $ K ttsers Dedjak Mangascha. Steife des Königs und seines Sohnes Berlin, welche am 21. Mai erfolgte, haben schein ihren Nachwirkungen bereits oben ge- Am 9. Juni wurde auf dem Campo dei auf welchem der Märtyrer Giordano §0 für seine philosophische Anschauung am ein §bbruar 1600 den Feuertod erleiden mußte, " Denkmal in Rom errichtet. Nach dem Tode des Negus von Abyssinien zögerten die italienischen Truppen auch nicht länger, vorzugehn und besetzten die wichtige Position Sennabit. Es ist nur zu wünschen, daß sie dieselbe auch behaupten möchten. AranKreich. Die französische Nation muß bekanntlich immer nach zwei Decennien eine andere Regierungsform haben. Die Nachwehen der ersten Revolution von 1789 machen sich auf diese Weise noch immer geltend. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß die Republik im Verscheiden ist und daß auch die Partei der Communards noch nicht ausgerottet erscheint, da sie sich- am 8. August in einer Kundgebung bei dem Be- gräbniß des Communegenerals Eudes sehr bemerkbar machte. Die rothen Fahnen flatterten eine Zeit lang lustig, dann wurden sie von der Polizei confiscirt. Ob sie nicht wieder auftauchen General Boulanger. werden? Vor der Hand folgte dieser Demonstration ein Arbeiterstreik, der eine Zeitlang sehr bedrohliche Dimensionen annahm. Mitte August erlangte General Boulanger einen dreifachen Wahlsieg, indem er zu gleicher Zeit in drei Departements über seine Gegencandidaten .triumphirte. Der ehemalige Marschall Bazaine stirbt am 23. September in Madrid. Das Schicksal und die Verbannung dieses unfähigen Soldaten war nur eine geringe Vergeltung für den Verrath an unserem unglücklichen Kaiser Maximilian. Die ganze politische Agitation in Frankreich ruht auch während der Monate September bis November in den Händen Boulangers. Er macht aus seinen Plänen gar kein Hehl, die Thronbesteigung des Grafen von Paris 31t fördern, lind bedingte sich dafür nur einen hohen Adelstitel und die Kleinigkeit von zwei Millionen 6*
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