68 69 von der kaiserlichen Familie mit größter Herzlichkeit ausgenommen wird. Am Abend fand das Hofconcert statt. Bei dem am 4. abgehal- tenen Galadiner trank unser Kaiser auf das Wohl seines hohen Gastes: mit den Gefühlen jener herzlichen, treuen, unauflöslichen Freundschaft und Bundesgenossenjchast, welche uns zum Besten unserer Völker vereint. Der deutsche Kaiser dankte mit gerührtem Herzen und betonte: „Nicht als Fremder bin ich hieher gekommen, sondern schon vor Jahren durch Euer Majestät Huld ausgezeichnet, führe ich ein heiliges Vermächtniß meines in Gott ruhenden Herrn Großvaters ans. In dem Gefühle bewährter und unverbrüchlicher Freundschaft erhebe ich - mein Glas und trinke auf das Der Besuch des deutschen Kaisers anl österreichischen Kaiserhof. Das Gabelfrühstück in Schönbrunn. Wohl meines hochverehrten Bundesgenossen, Sr. Majestät des Kaisers von Oesterreich, Ihrer Majestät der Kaiserin und des gejammten kaiserlichen Hauses." Dann wurde noch auf die Waffeubrüderschaft toastirt. Die außerordentliche politische Bedeutung dieser Versicherungen unauflöslicher Verbrüderung verfehlten nickt, in ganz Europa größte Sensation zu erregen. Der deutsche Kaiser nahm dann noch an den Jagden im Lainzer Thierpark und in Steiermark theil und reiste am 10. October nach Rom ab. Die Anwesenheit Kaiser Wilhelm II. führte auch zur Aussöhnung mit dem seit 1866 in Wien -domreUireuden Herzog von Nassau, der stets treu zu Oesterreich gehalten hatte und dem nun das Luxemburgische Thronrecht vom deutschen Reich garantirt wurde. Anl 9. October stirbt der Abgeordnete für Leitmeritz, Dr. Pickert. Die deutsche Partei erleidet durch den Tod dieses wahren Volksmannes einen schwer zu ersetzenden Verlust. Am 12. October langt König Milan mit seinem Sohn aus Gleichenberg zum Besuche in Wien ein. Da er im strengsten Jncognito reist, so sand auch kein officieller Empfang statt. Der König Albert von Sachsen besuchte am 13. October die Jubiläums-Gewerbeausstellung, über welche er sich in anerkennendster Weise aussprach. Am 12. October erfolgte mit der Vorstel- lung „Iphigenie auf Tauris" der Schluß des alten Burgtheaters. Der Abschied der Mitglieder wie des Publicums von dem alten Hatlse war ein ergreifender. Graf Schönborn, der vormalige Statthalter von Mühren, wird zum Justizminister ernannt. An seine Stelle tritt Herm. Ritter von Loebl. Am 10. October wird das neue Burgtheater mit einem Prolog Weilen's und Grillparzer^ „Esther" in Anwesenheit des Kaisers, der ganzen kaiserlichen Familie und König Milan's eröffnet. Ueber die Pracht und Kunst, welche auf die Aeußerlichkeiten verschwendet wurden, herrschte allgemeine Bewunderung; der eigentliche Zweck, ein gemüthliches und ' praktisches Theater zu schaffen, scheint aber .außer Acht gelassen worden zu sein. Es zeigten sich nach Kurzem Reeonstructionen im Bühnen- und Zuschauerraume unerläßlich. Statt des deutschen Kaisers, der auf der Rückreise noch einmal in Wien erwartet wird, Errfft Prinz Heinrich, des Kaisers Bruder, ein, mit großer Auszeichnung empfangen und SUM Admiral in der österreichischen Flotte er- Uunnt wird. Am 23. October wird die Eröffnung des Abgeordnetenhauses durch eiue Ovation für ^Molka, der 40 Jahre hindurch die Präsidenten- ^urde bekleidet, feierlichst begangen. Eine weitere 6'eier gilt dem Begräbniß des Deficits im Merreichischeu Staatshaushalt. Zum ersteumal A dieser Aera kaun der Finanzminister ein ^"dget mit einem kleinen Ueberschuß vorlegen, bekanntlich hatten aber schon vor 20 und Jahren Bruck und Brestel dieses Ziel Am 1. November wird die Jubiläums- Gewerbe - Ausstellung durch den Präsidenten, ^oaron Banhans mit einem Hoch auf den Kaiser ^schlossen. Das volkswirthschaftliche wie finanzielle Ergebniß war ein ansehnliches, und hat Olese Ausstellung, was gewiß zu den Seltenheiten Vhört, einen beträchtlichen Ueberschuß, der dem Kleingewerbe zu Gute kommen wird, erzielt. Anfangs November wird das neue Wehr- llesetz publicirt und gelangt dann ins Abgeord- ^tenhaus zur Berathung. Die Erhöhung und Erschürfung dieser Blutsteuer, welche leider ?ilrch die politische Lage und die Nothwendigkeit bewaffneten Friedens geboten ist, ruft in Men Kreisen der Bevölkerung eine tiefe Ver- ^unmung hervor. Der dem Oesterreicher an- Worene Patriotismus kommt allerdings im Parlament zum Ausdruck und das Gesetz wird ^tz vieler erhobener Einwendungen beinahe nach der Regierungsvorlage angenommen. Ungarn geht es aber nicht so harmlos ab; le Vorschrift, daß die Officiersprüfung zürn ^herl in deutscher Sprache abgelegt werden muß _)ld das zweite Dienstjahr der Freiwilligen rufen »"len wahren Sturm gegen das Cabinet Tisza hervor, der in Straßenkrawallen und Demon- 1 Nationen zum Ausdruck gelangt. Arn 3. November stirbt der berühmte Pathologe. Hofrath Professor Bamberger, eine Zlerde der Universität, und am 16. erleidet das ^Uerhaus einen schweren Verlust durch den des Vaters unserer Kaiserin, des Herzogs kimilian in Bayern. Der im Alter voll * ' Jahren Dahingefchiedene zeichnete sich durch seltenen Geistesgaben schon in früher Jugend Er war ein eifriger Naturforscher und gab Shreve Reise- und belletristische Werke heraus. In ^llem Heimatlande war er durch seinen hohen ^ohlthütigkeitssinn außerordentlich populär. i Ein deutsches Schisfsgeschwader kommt in letzten Novembertagen nach Fiume uud lrd von dem ungarischen Gouverneur Grafen AugustZichyfeierlichst begrüßt und bewirthet. Der deutsche Contreadmiral Hollmann betonte, daß er abgesendet worden sei, um die ungarische Meeresküste kennen 311 lernen, und brachte ein Hoch auf das Gedeihen des ungarischen Staates und seines Königs aus, unter dessen weiser Regierung ein beispielloser Culturfortschritt er- zielt worden sei. Ende November erhebt sich infolge eines Artikels in einem Wiener obscuren Blatt ein Zeitungskrieg zwischen österreichischen und deutschen Blättern, der die Aufrichtigkeit des deutsch-österreichischen Bündnisses verdächtigen soll. Die Sache verläuft aber ohne weitere Wirkung im Sande. Der Kaiser begibt sich, getreu seinem Programm, allen Ovationen zur Feier seines 40jährigen Negierungsjubiläums aus dem Wege zu gehen, am 1. December nach Miramare, um im engsten Familienkreise seinen Ehrentag zu begehen. Wir haben schon im vorigen Jahrgang Herzog Maximilian in Bayern. die Negierungsgeschichte unseres Monarchen geschildert, und können seine glorreichen Thaten mit dem Ausspruche des großen Staatsmannes Kaunitz charakterisiren: er gehört zu den Regenten, die das Diadem mehr geziert haben, als dieses ihn. Den schönsten Edelstein hat er sich wiederum in seiner Krone durch seine Selbstverleugnung, seinen Wohlthätigkeitssinn geflochten, indem er statt aller pomphaften Ehrenbezeugungen Acte der Humanität und der volkswirthschaftlichen Thätigkeit anordnete und ins Leben rief. Die in allen Kronländern veranstalteten Jubiläumsausstellungen haben nicht nur ein erfreuliches Bild vom Aufschwung der heimischen Industrie geliefert, sie haben auch Millionen in Umlaus gebracht, die meist dem Kleingewerbe zu Gute kamen. Aber auch die zahlreichen, zum Gedächtniß dieser Jubelfeier hervorgerusenen Stiftungen haben ein großartiges Resultat ergeben. Die Gejammtsumme der humanitären
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