Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

60 tete sie ihren zwischen Himmel und Erde oder, besser gesagt, zwischen Decke und Pferdemist schwebenden Gemal. „Roll's Faßt her, Mali," stöhnte Schöberl. Die würdige Dame beeilte sich nicht allzusehr, dem Wunsche des kühnen Reiters zu entsprechen. Sie arbeitete jedenfalls an dem Concept des ihrem Gatten zu ertheilenden Verweises. Aus der leicht hingeworfenen Aeußerung „Verrückter- Kerl" konnte man wenigstens den Schluß ziehen, daß sie über die zu wählende Form der Ansprache vollständig im Klaren sei. Zu diesem Zwecke schloß sie die Thür. Was nun geschah, man weiß es nicht. In das dumpf nach außen dringende Stimmengemurniel mischte sich ein ganz eigenthümliches Klatschen, dessen Stärke und Klang die Vermuthung, dieses Geräusch rühre von applicirteu — Küssen her, von vornherein als uustichhaltig erscheinen ließ.--------- Das vorbereitende Comitö des „berittenen Veteranenvereines" aber erhielt noch am selben -Tage ein Schreiben, worin Herr Schöberl seine Beitrittserklärung zurückzog und dies mit geschäftlicher Ueberbiirdung motivirte. Aomeist üöer Sarah Wernhardt. Als Herr Pomeisl, der reichste Fleischhauer vom Grund, Abends am Stammtische gefragt wurde, ob er — der doch allen Erscheinungen des Kunstlebens ein so reges Interesse widmet — das Gastspiel der Sarah Bernhardt vorübcrgehen lassen werde, ohne die große Tragödin in jenen Rollen zu bewundern, mit denen sie schon seit cineni halben Menschenalter von Land zu Land hausirt, da machte er eine energische Bewegung des Unwillens. Eine Geberde ungefähr, als hätte man über das von ihm so geringschätzend beurtheilte „Beinl- vieh" gesprochen. „Meine Herr'n," nahm er nach einer Pause das Wort, „laßt's mi mit derer großen Tragödin in Ruah. A Losch fuchz'g Gulden, a Sperrsitz an Zehner -— 's is net, daß's Unseran d'rauf an- kuinmert, wann sa si um d'Kunst handelt und d'Herr'n sän Zeugen, daß i aller- weila Kunstmetzen war— aber um das Geld, waß i mir a bessere Unterhaltung, als wia dö Faxen von dem französischen Häuferl Unglück. I kriag no jetzt a Ganshaut, wann i d'ran denk', wia's mir "vor a paar Jahrln bei ihr'n letzten Gastspiel gangen is. Sehr natürli, Unseran's, was m'r do zu dö ober'n Zehntausend g'hör'n thuat, kann si, von so was uet ausschließ'n und weil mi mein Alte, die Urschel, so penzt hat, so hab'n mir uns halt zwa Sperrsitz 4'nommen. Aber die G'schicht' hat a klan's Hackerl g'habt. I hab' nämli ebensowenig a Wortel franzehisch verstanden wia mei' Alte, ob Sie's jetzt glaub'n oder net, meine Herr'n." Die Tischgesellschaft erklärte ein- müthig, daß sie dieser Aussage des Herrn Pomeisl die vollste Glaubwürdigkeit zuerkenne. Dieser fuhr, nachdem er ein Krügel Pilsner zu seinen Vätern versammelt hatte, folgendermaßen fort: „Was war z'machen? Mir Zwa hab'n stantepe franzehisch lernen müassen. Für was haltert'n m'r denn unsern Schanerl a Mamsell? Alsdann, guat, dö Mamsell hat uns in aller G'schwindig- keit so viel eintrichtert, daß m'r ganz famos mitanand hab'n parlewudeln können . . . selbstverständli nur das, was m'r auswendi g'lernt hab'n." „Ob Sö jetzt lachen oder net, Sö Heamperl," wendete sich der Sprecher an den Zählkellner, der auf eine höchst Provocirende Art das Gesicht zu einem höhnischen Grinsen verzog, „Jhnere Speiszetteln hätt' i freili' net enträthselt. Schau'» S', daß S' verschwinden!" Der Franz erwiderte ein verbind- liches: „Bitte sehr, bitte gleich!" und verschwand. „Alsdann der Abend der Burstellung is kummen. Mir hab'» uns z'samm- g'schlenzt, daß's — wia m'r auf franzehisch sagt — schon der höchste „Pschütt" 8'wesen is. Mei Alte is z'erst in's Theater und i bin a bisserl später nach, gvttigkeit, daß's ausschaut, als ob m'r Mfällig Sitznachbarn worden wär'n. Na is gut, i geh' eini und mei' Alte sitzt nchti schon alser g'spreizter da, wachest !i mit'» Fächer Luft zua und gibt st an Fum, wia wenn's a wirkliche Arischto- kratin sein thät. I stell' mi damisch er- sreut, wia'r i s' sich, mach' mei' schönst's Buckerl und pack' mit den: Franzehisch vom Schauerl seiner Mamsell aus: „Ah, c’est charmant Madame! ..." Für dö, was net dö Sprach' ver- stengen, sag' i nur, daß „Madame" im Franzehischen an andere Bedeutung hat Wia bei uns. Na, i küß meiner Alten d'Hand, daß m'r in ganzen Haus den Schnalzer g'hört hat, biet' ihr a paar Malzbonbons an. dö i mit'gnommen hab', kurzum, i be- uimm mi wia der höchste Schwalje. Dann fangen m'r mitanand zum.Parlir'n an; das haßt, i fang' an: ,,^.V62-V0U8 UQ oauik?" „Haben Sie ein Federmesser?" So 61 beginnt nämli a jede franzehische Unter- jältung. Mei Alte wird bluatroth, sagt aber ganz schön d'rauf: ^on, man ami, mais mon freie est dans le jardin!“ „Nein, mein Freund, aber mein Bruder ist im Garten!" Ganz wia m'r 's aus'n Büachel g'lernt hab'n. Js da was zum Lachen dabei, meine Herren?" Die apostrophirte Tafelrunde con- statirte, daß diese Beschäftigung des Bruders keinen vernünftigen Menschen zu einem Heiterkeitsausbruche veranlassen könne. „Das hab' i a g'sagt und d'rum hab' i an damischen Grant kriagt über unsere Sitznachbarn, dö a G'lachter an- g'fangt hab'n. Das hat mi sehr natürli g'magerlt und hab' m'r glei in Nächsten ausgliechen: „Gott sei's g'sund, Unseran's hat a a Büldung g'lernt, und wann S' mi nehmen woll'n, da sau S' an an Unrechten g'rathen, Sö kralawatschert's Parapluig'stell..." Mei' Alte ruaft voller Angst: „Nais 80^6^ traugaills, inonckenn!" — „Sei stad, Schani! „Aber i hab' mi nimmer z'ruckhalten kinner, sehr natürli' und forder' den, der was zum Lachen ang'fangt hat, sehr natürli' auf, er soll si' feine Baner numerir'n, weil in' z'erscht aus 'n 'Gwand beuteln und nachher ausbanl'n werd'. D'rauf hätt' der Mensch no' was erwidert, es is unglaubli', was Mancher für a Arroganz hat ..." Und Herr Pomeisl versank in schmerzliches Brüten, aus dem er erst durch die theilnehmeuden Fragen seiner Nachbarn aufgescheucht wurde . . . „Wia dö G'schicht ausgangen is? Sö werd'n 's net für mögli' halten, wann i Ihn« das derzähl. I, a Mann, der am ganzen Grund g'achtet is, der sei' Steuer allerwcil pünklst zahlt, der früher no nia den g'ringsten Anstand net g'habt hat . . ."

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