Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1890

54 55 Kette in einem Mörser zerschlug und dieselbe dann vollkommen unversehrt in der Tasche einer fremden Person auffinden ließ. Das brachte den Fleischer auf eine, wie er sich sagte, geniale Idee. Der Gaukler wurde vou ihm eingeladen, im Gasthause „zur Sonne" in Rodauntz eine Production zu veranstalten, während welcher er auch das Kunststück mit der Uhr zum Besten geben sollte. Doch müsse er sich dazu „des höheren Effektes wegen" eine goldene Uhr sammt goldener Kette von der Gesellschaft erbitten. Feistig speculirte da ganz richtig. Der Brauer Spunt hatte immer bei sich seine kostbare goldene Uhr und die schwere Goldkette sammt Verlognes, womit der protzige Mann gerne groß that. Er wußte, daß, wenn der Gaukler nach einer goldenenUhr fragen, Spunt die seinige zn jenem Zwecke sofort hergeben werde. Das sollte für den Brauer eine Falle sein. Feistig hatte im Laufe der Woche von gelbem po- lirten Blech eine Uhr, Kette und Breloques anfertigen lassen, die der goldenen Uhr, Kette rc. des Brauers so ziemlich ähnlich sahen. Diese imitirten Sachen sollte dann der Gaukler dem Spunt anstatt seiner echten einhändigen, die echten aber nach der Vorstellung der Wirthin in Aufbewahrung übergeben. Das wurde abgemacht zwischen dem Fleischer und dein Taschenspieler. Ueberdies aber bestellte er auch für sich ein „Kunststück", damit er die anwesende Gesellschaft mit der Thatsache verblüffen könne, daß er, der Fleischer Feistig Tausender bei sich trage. Und so erwartete er mit geheimer Freude und Siegeszuversicht die Ankunft des Taschenspielers. Es-war Sonntag und das Gasthaie „zur Sonne" bereits seit der vierte Nachmittagsstunde so ziemlich voll vr Gästen. Jin großen Schankzimmer 1^ Rianu an Mann und im „Herrenstübel waren auch schon fast sämmtliche Staune gäste anwesend. Gegen die sechste Abendstunde erschis endlich der vou dem Fleischer so sehnlich erwartete Mann. Er stellte sich den Gäste' als der Maestro Spagantini, Professe der Magie vor, der auch Schwerte'! schlucken und Feuer essen und die vü schiedensten Gegenstände von einem Oö zum anderen auf B sichtbare Weise fp0! zieren lassen, ja fog^ gänzlich verschwindet machen könne. I Fleischer FeiB ließ den Mann nim einmal ausreden.! „Spart die Wortes rief er ihm zu. „UP zeigt eure Knust. wollen dann schon lü theilen, ob ihr nicht viel von euch qesoSi habt". Jin Nu war P Schwerterschlucker einem anstoßende^; Raume, aus dem * wenige Augenblicke! später in Tricots und Flittergürtel zurüo kehrte. Eraß fleißig brennenden Hanf, wiedck holt führte er ein dolchartiges Mess' durch den Mund bis in den Mag^ hinab, einige Kartenkunststücke waren iP auch recht gut gelungen und dann enb^ kam die piece de resistance an die Reih' „Ob ihm denn Niemand eine W' anverkrauen wollte?" wendete sich Pck fessor Spagantini an die Gesellschaft. Einige hielten silberne Spindeluh^ „Des Effektes wegen", rief Spaga^ tini, „wäre es. wünschenswerth, daß zu verbrennen, dasselbe aber gleich wieder „rein nur durch die Macht seines Zauberstockes" ganz unversehrt herbeizuschaffen. „Wollte mir doch Jemand eine größere Banknote anvertrauen!" wendete er sich an die Anwesenden. „Da ist ein Fünfziger!" rief der Brauer Spunt. „Und da ist ein Tausender!,, ließ sich Feistig vernehmen. „Thut's ein Tausender, he?" frug er den herbeigeeilten devotlüchelnden Spagantini. „Ihr könnt auch drei und vier Tausender haben!" Aller Augen richteten sich auf den Fleischer, der unter dem Aufblaseu seiner Backen in seiner wohlgefüllten Brieftasche eine Weile herumsuchte, um dann eine Tausendgüldennote hervorzulangen. ,,Da ist ein Tausender!" rief er unter einem triumphirenden Seitenblick auf den Brauer. Spagantini nahm die Geldnote unter- tiefen Bücklingen von dem gnädig und herablassend nickenden Fleischer in Empfang, eilte auf sein Podium zurück und zeigte von da der verehrten Gesellschaft an, daß er den Tausender jetzt augenblicklich vor den Blicken Aller verbrennen werde. Er wendete sich bloß nach seinem Zauberstabe unr und gleich darauf brannte auch schon das Papier in den Händen. Die Asche davon warf er in einen Becher hinein, eine kleine Ansprache an das Publicum, ein Klopfen des Zauberstabes an den Becherrand und der verbrannte Tausender befand sich unversehrt in der hocherhobenen Linken des Herrn Professors der Magie. Allgemeiner Applaus erscholl, Spagantini dankte tief gerührt und indes der Fleischer Feistig den znrückerhaltenen Tausender nonchalant in seine große , Brieftasche schob, machte sich der Zau- - berer rasch an das Absammeln, um noch : unter dem günstigen Eindrücke, den seine : „Kunst" hcrvorgernfen, den Lohn zu erdieses großartige Kunststück unP einer , goldenen Uhr und mit einer ebensolchen Keile ausführe, hat gar Keiner von der ver- , ehrten Gesellschaft eine goldene Uhr bei sich?" „Eine goldene Uhr ist da!" ließ sich plötzlich die Stimme des Brauers Spunt sehr lant vernehmen, worüber, der Fleischer seine Freude kaum unterdrücken konnte. Spagantini tänzelte an den Brauer heran und bat, ihm doch Uhr und Kette auf wenige Augenblicke anvertrauen zu wollen. „Da ist die Uhr und Kette sammt Anhängseln", sagte der Brauer laut, indem er dem Mann, „der Sachen sogar gänzlich verschwinden machen kann", das ^erlangte einhändigte. „Aber", fügte er drohend hinzu, „daß ich Alles in Ordnung Mrück erhalte! Uhr, Kette und die Bre- soques kosten mich an dreihundert Gulden baar". Der Schwerterschlucker schwur, daß diese - kostbaren Gegenstände binnen wenigen Augenblicken wieder tadellos zu- sückgestellt werden. Er gieng dann auf seinen früheren Platz zurück und begann 'ein Kunststück damit, daß er Uhr, Kette Und die Anhängsel in einem mitgebrachten Mörser — wie es schien — zerschlug. Aber bloß ein leiser Pfiff von' ihm und der Mörser war ganz leer, ein zweiter Psiff und im Mörser fand sich ein Tuch dvr; ein dritter Pfiff und siehe, da, Professor Spagantini zog langsam die "öu Brei zerstampfte Uhr, Kette uild breloques" ganz, aber ganz unversehrt aus der Tiefe seines Mörsers hervor Und eilte dann, die Gegenstände dem ^chtmäßigen Eigenthümer unter tausend Danksagungen zu übergeben. . Brauer Spunt, der „solche Kunst- Mcke schon längst gesehen", schob Uhr Und Kette, kaum daß er die Gegenstände angesehen, in seine Westentasche hinein. , Nun sollte man noch etwas ganz besonderes zu sehen bekommen. Dieser ^-nusendsassa von einem Gaukler erbot Kch, Papiergeld, in welcher Höhe immer

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