Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1889

46 bespritzte, wie die bisher Bewußtlose sich zu regeu begann, ihre großen schwarzen Augen aufschlug, — erst als das Käth- chen mit leiser Stimme bat: „Laßt, laßt doch! Ich bin ja schon wieder munter!" da verstummte plötzlich sein Heulen; wie aus einem schrecklichen Traume fuhr er empor, und daß er ouf einmal aus seinem Leide in ein Freudengeschrei ausbrach und — wie Jedermaun durch die schnelle Wendung der Scene total verblüfft geworden, mit stierem Blicke sah — den boshaften Nickel, diese Dirne, die er- bis zur Stunde wie nichts in der Welt haßte und verabscheute, nun, als wäre sie ein kleines, liebenswürdiges Kind, in seine Arme nahm, sie küßte und wieder küßte -auf Mund, Hals, die Arme, sie „Kathi!" uud „liebes, süßes Käthchen!" nannte, das, ja das war im Augenblicke für Alle, mit Ausnahme etwa des Weiblein und der Reserl, der klarste Beweis, daß der Sepp im Handumdrehen verrückt geworden ist. Oder sind wir es! dürfte vielleicht Mancher in dem Blicke des Einen oder des Anderen gelesen habe», als Alle nur stillschweigend diesem Küssen zuzusehen gezwungen waren. Dem Reserl blieb es Vorbehalten, den Bann, der die Meisten befangen hielt, zu brechen. Es fand die Sprache, eben als Sepp gestand, „daß es doch nicht Haß sei, wie er selbst immer gedacht hat, was er für's Käthchen empfindet, sondern d'Liab', die heißeste Liab'" und das Käthchen auch verrieth, „daß es dem Sepp immer gut war, ach so herzensgut", — nun sah es ein, daß es mit der G'schicht' ganz das Gegentheil von dem, was es wollte, bezweckt hat und ihr Herzleid darüber mochte vielleicht groß genug gewesen sein, wenn auch bei Weitem nicht so groß wie ihr Aerger. „Jessas! Jessas!" schrie das Reserl, wobei es an seinen flachsfarbenen Haarzöpfen herunizog, als wären es Glvcken- sträuge. „Jessas! das Ganze, daß ich euch erzählt hab', ist ja eine erlog'ne G'schicht'! Sepp, hörst? Eine erlog'«' G'schicht ist's!" Das arme dumme Reserl! Es Hal diese Geschichte ersonnen, um das Käthchen iu deu Augen des Sepp recht verächtlich zn machen, da es ihm ma>>chmli> däuchte, daß hinter diesem Haß gege« die Dirne noch etwas Anderes stecke Und nun glaubte es auch durch dar Geständniß, daß die Geschichte unwahr sei, Alles wieder so zu machen, wie es vor der Erzählung derselben war. Abeck und abermals betheuerte es, daß dü ganze Geschichte erlogen sei. „Ich weiß eh, daß Alles erlöge« ist!" versetzte der Sepp verächtlich. „De«« gerade um die Zeit, zn der du das Kaths in'der Marienkapelle mit dem Jagertol« g'sehen haben willst, war sie in de' Josefskapelle — ich hab' sie hingehe« g'sehen. Nur schad', daß ich mich s« spät daran erinnert hab'. Du aber, d« warst jedenfalls mit dem Jagertoni dock' denn recht gut weiß ich, daß ihr beid' euch oft trefft au g'heimen Orten." Nach dieser Erklärung erst, die Sepl in gereiztem Tone gab, fühlte sich de' Bauer veranlaßt, diesem Auftritt ras« ein Ende zu machen. Seinen Sohn schick« er auf dessen Zimmer mit Arbeitsans' trägen, das Käthchen iu die Gesiud«' stube, wo es sich uiederlegeu mußte, »n« das Reserl ließ er durch einen Kneck? nach Hause begleiten. Von dem ganz^ Vorfälle durfte kein Wort gesprochn! werden und so verbrachten alle den R«! des Abends in einem Zustande, der Mitte zwischen Traum und Wach«' ’^ jwuuj i^ yu* »»ju,, —P --, hielt. Nur das Bettelweiblein W tW« die Frau des reichen Bernhard- munterer denn je. Verschmitzt guckte «^ b. . ^en werden kann, suchte ich ihn oft nach der Bäuerin, die bei all ihre«', . Ach kurzes, eigentlich grobes Wesen Kopfzerbrechen das Gesehene und Gehör« n mir fern zu halten, in wiefern ich nicht begreifen konnte, und zum Fens«' &J? an dem Auftritt an jenem Abend hinaus, wo es «och immer Schn«' k°Ä"^ trug, beurtheil' selbst. Nicht stäubte, blickte das Weibleiu so Heick Achten Herzens gehe ich von hier fort, und zufrieden, als lebe es in «»«« Rn ich muß." schönen Zeit, die ihm als Dank für dc« Samariterdienst/ den es dem KäthchZ erwiesen, beschieden wnrde. Und w«^ hatte cs die Nacht über für schöne Träume gehabt: der Sepp aber nur durfte He erfahren und er wußte sie bereiis in aller Frühe des nächsten Tages, der, als wäre Abends vorher gar nichts vor- öfsallen, so wie jeder andere Tag für ^e Bewohner des Bernhardhofes verbrich, bis auf den Umstand, daß das Reserl sich hier nicht mehr sehen ließ. Hub die darauffolgenden Tage glichen Rner deni anderen und während aller «ippelte das Weiblein durch Haus und Hof. Der Sepp wollte es haben, und oa er seit jenem Abend, an dem er so deutliche Spuren von Verrücktheit zeigte, bon der Bäuerin und dem Gesinde wie ^t Kranker behandelt wurde, erfüllte Ran seinen Wunsch um so lieber, zumal oas Weiblein durch allerhand Späße ünd Schwänke die nun bald in dem ^ernhardhos vorherrschende gedrückte Kimmung daun und wann zn ver- icheuchen verstand. Das Weihnachtsfest ^am, mit ihm die erwarteten Gäste und as Weiblein war noch immer da und ^ dem Dreikönigsfest auch noch. , Am Morgen des letzteren Tages rs°t das Käthchen, dessen Kopfwunde Aon ziemlich vernarbt war, vor den ^auer und verlangte seinen Abschied. ^ „Offen will ich es dir gestehen, Hauer," sagte das Käthchen, „daß ich ein Sepp vom ersten Augenblicke an, A ich ihn gesehen, gut war. Seine vahrxn Gefühle gegen, mich, wie sehr er f w selbst vielleicht, Andere aber gewiß yAuber täuschte, entgingen mir nicht. Ha ich jedoch recht gut einsah, daß ich d Und der Bauer lobte den Vorsatz ^.Käthchens, das er, wie er gestand, "^mfi' immer für die G'scheidtste im 47 Dorf hielt", er lobte seinen Fleiß, gab ihm auch noch etwas mehr an Geld, als es das Jahr über verdient hätte und verabschiedete es, uin es aber ein halbes Jahr später, wo der Sepp spindeldürr war und sich nur mehr wie ein Automat bewegte, wieder in den Berhardhof zurück als seine Schwiegertochter kommen zu lassen. „Richt aufhören werd' ich zu glauben," wehklagte unausgesetzt die Bäuerin, „daß an all unserem Unglück nur die verflixte erlog'ne G'schicht schuld ist." Und das Reserl klagte dasselbe und Tage hindurch, wenn nicht gar Wochen, nach jenem Abend auf dem Bernhardhof empfand sie bitter die Folgen ihrer Lüge, oder besser gesagt, den Verlust des Sepp, da sie diesen wirklich lieber hat als den Jagertoni. „Aber," meinte die Bäuerin des öfteren zu dem Bettelweib, das vor und lange noch nach der Hochzeit des Sepp mit dem Käthchen auf dem Bernhardhof verblieb und sich allerseits, zumeist aber von dem Sepp mancher Aufmerksamkeit zu erfreuen hatte, „denn d'Sprüch, die cs dermal über das maustodte Kathi wieder zum Leben bracht; und g'spritzt hat's auch fleißig mit Weihwasser und nebstbei die Wund' g'waschcn" — das vergaß man dem Weiblein nicht — „aber", meinte also die Bäuerin zu ihrer Vertrauten, dem Weiblein, „fassen kann ich nur nicht und wenn man mich gleich auf die Schlachtbank führen thät, wie es möglich ist, daß aus einem so fürch- terli' mächtigen Haß, wie ihn der Sepp gegen's Kathl empfunden hat, auf einmal eine gar so heiße Liab' werden kann!" Erst als das Käthchen ihr einen drallen Enkel gebar, im Bernhardhof Alles besser stand denn je und das Bettelweiblein auch wieder auf einige Wochen hier einzog, um bei den Tanffestlichkeiten zugegen zu seiu, erst dann wußte die Bäuerin, was die Umwandlung dieses fürchterli' mächtigen Hasses in die heißeste Liab' vollzogen hat — „d'Kirz'n war'ns!" betheuerte sie.

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