Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1889

44 besucht hatte, der Weg aber zur Marien- kapelle, wie schmal und holperig er auch ist und gefährlich jetzt durch den Schnee, war Sonntag für mich nicht schlimmer als ein Gang zu unserer Dorfkirch'! Ich fühlte kaum die Steine unter mir und ausgeglitscht bin ich nur so, daß es nicht der Rede werth ist. Unterwegs dachte ich mir immer, daß dieser innere Mahnruf, die Kapelle zu besuchen, etwas zu bedeuten habe und ich hab' mich auch nicht getäuscht. Hört nur! Etwa zwanzig Schritte von der Kapelle entfernt, drangen plötzlich Menschenstiminen an mein Ohr. Ich schante mich nach allen Seiten um, aber nichts als Fels und Schnee und die alte verwitterte Kapelle war zu sehen. Aus dieser also mußten die Töne gekommen sein. ' Leise und behutsam schritt ich näher und wie ich nur noch fünf Schritte vor der Kapelle entfernt war und auch schou wahrg'nommen hab', daß die Thüre halb geöffnet ist, ließen sich wieder die Menschenstimmen, und wie nun außer Zweifel stand, aus der Kapelle hören und so plötzlich und laut, daß mir ein heftiger Schreck in alle Glieder fuhr. Wer kann das sein? Gewiß Wildschützen oder anderes Raubgesindel! Das schoß mir auf einmal durch den Kopf und gleichzeitig bemächtigte sich meiner eine Angst, die mich für Augenblicke fast all' meiner Sinne beraubte. Was nun thun? Wie einer etwaigen Gefahr entrinnen? In meinen Nöthen fiel mein Blick auf einen Felsvorsprung hinter der Kapelle. Schnell hatte ich ihn erreicht und dort ganz zusammengedrückt in einer Vertiefung gedachte ich das Fortgehen der in der Kapelle Anwesenden abzuwarten. Daß, nachdem sich meine Angst etwas gelegt, es auch Neugierde war, diese Wallfahrer zu sehen, die mich zum Verweilen hinter dein Felsen veranlaßten, will ich just nicht bestreiten. Nun, ich hatte ein halbes Stündchen, merkt! ein halbes Stündchen in dem Schnee zu warten, bevor ich die saubere Gesellschaft! Unglück, das ich immer g'fürcht hab'! die Dirn' todt und mein Sepp — heilige Maria!" schrie sie in wilder Verzweiflung auf, „mein Sepp ein Mörder!" Und sie umfaßte ihren Sohn, als stände sein Leben in Todesgefahr und sie könnte es mit dein ihrigen schützen. Kämpfen mußte er ordentlich, um sich aus den Armen seiner Mutter lvs- zumachen, und tvie ihm dies gelungen, stürzte er mit dein Ausdruck eines plötzlich vom Wahnsinn Befallenen dem anscheinend entseelten Körper des Käthchens zu. Ein irrer Blick aus seinen Augen streifte die mit Blut bedeckten schönen Züge des von Allen so sehr gehaßten kleinen We- sens, dann heulte der Sepp, daß es zum Erbarmen war, und die Haare von seinem Kopfe wären gewiß büschelweise auf den Boden geflogen, wenn er ihrer nicht so viele gehabtund seineHände nicht gar so groß und unverschämt gewesen wären, die auf einen einzigen Griff und Riß sofort die Hälfte dieses üppigen Haarwuchses in der Faust haben wollten. aus der Kapelle vor Augen bekam. En giften wird, kein Wort wäre über seine recht nettes Paar'l war's! Wirklich, hätt'- "ippen gekommen. nimmer erwartet! He, was glaubt ihr Der Sepp, kaum daß er diese Antwen ich g'sehen hab'? Rathet einmal!' ^ort vernommen hatte, sprang wie ein „I nu, Mancher kann's g'wesen jein" ""geschossener Tiger zu dem Schreibtisch, bemerkte die Bäuerin. „Ich für mein an ^ er ^rhin sa^ und seine auf Theil möcht' gerne glauben, daß ^ ^"er der Tischdecken liegende buxbaumene Jemand aus dem drübigeu Dorf wat ^kuuiuielpfeife fassend und sie mit aller Vielleicht der Wilderer Franzl mit seinN «rast nach dem ganz ruhig, als hätte Liab, der oder Ferd' oder der Goberl' —" ^ die Anschuldigung des Reserl gar „Fehlg'schossen! Der hübsche Jaget "echt vernommen,an seiner Arbeit sitzenden der schwarze Toni, den Ihr alle kennt ^mhchen schleudern, geschah so blitzschnell, war's, und die Dirn an seiner Seite —' keiner der Zuschauenden, auch wenn „Nun? Die Dirn —? So sprich ""rauf vorbereitet, die That zu ver- doch!" drängte man von allen Seiten ändern in: Stande gewesen wäre, als das Reserl eine längere Pause ^ <. »Da, elende Buhlmacheu beliebte. „Sprich! Wer war dt W! Da hast du Dirn — ?" , ^nen Lohn!" kam „G sehen hab' ich sie erst, da mtr £ zischend zwischen die Kapelle im Wege stand, als ist ^epp'Z Lippen. Und Toni rechts in's Gebirg eiubog und st -"demselben Augenlinks den schmalen Bergweg hinabzst hörte man aus steigen begann. „Führ' d'Gvtt!" rief st T? Stubenecke einen ihm nach und warf ihm einen Schmal "-Heu Aufschrei und nach dein andern zu — die schamlost pe das Bettelweib- Dirn! Und damit ich euch's nur ru^ Z", das allein seine heraus sag", rief das Reserl im Tov" Ilsung behielt, zu größter Entrüstung — „die dort in des Käthchen eilte, Ecke. Die thut, als ginge sie die gan^ 9 dessen Kopf seit- Geschichte gar nichts an, die war's!" "rts über dieStuhl- „Wie,was?"riefen alle durcheinander ».Me geneigt und das „'s Kath'l mit dem Jagertoni —?" ^ücht war weiß wie „'s Wildkath'l war's!" bekräftigte das ^Linnen, auf das Reserl mit fester Stimme. „Für g'w^ ” aus einer Wunde haben cs meine g'sunden Augen g'sehw ^st des Käthchens Stirn stürzender „Wer war's?" schrie Sepp, vo's »/Wrom, im Lauf sich zertheilend, Stuhle plötzlich aufspringend, mit cinß ^erriefelte. Stimme, die alle in der Stnbe Ä"' ua^^^' in den ersten Augenblicken wesenden vor Schrecken und Angst e^ ^j dieser That ein Jeder sprachlos vor beben machte. ' ■ foulten und unfähig einer Bewegung, Nur das Reserl schien sich recht ve^ ^ "e d^ Aufregung, die sich dann Aller gnüglich zu fühlen. Ihre blaßblauck stachligt hatte, nur um so furchtbarer Augen leuchteten wie im stillen Triumphs Die schrecklichsten Verwünschungen als es ruhig und mit etwas Spott i1' den nichtsnutzigen schwarzen Kobold ihrer Stimme zur Antwort gab: „Des uuv^ten mit Weinen und Angstgeschrei Schützling der Frau Werner war's. I"' alles rannte wie kopflos durch die 's Wildkath'l!" W Freilich, hätte das Reserl gewußt ^ "Da!" rief die Bäuerin unter Hände- welches Unheil diese ihre Geschichte a^ äen „oh Schluchzen, „da ist das Er heulte und tobte und achtete wenig auf das Jammergeschrei und die Bitten der Bäuerin, daß er sich beruhigen solle, die Versicherungen, „daß die Straf', die er des Todschlag s wegen zu erwarten hat und derentwegen er schon jetzt so fürchterli' thut, noch gar nicht dictirt ist, noch garnicht dictirt! Er darf nicht verurtheilt werden dieses G'schöpf's wegen!" schrie sic einmal nach dein andern — er sah auch nicht, wie das Bettelweiblein mit Schwamm und Wasser an dem Käthchen herumhantirte, wie es dessen Gesicht, Sprüche über Sprüche murmelnd, mit Weihwasser und Essig

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