42 Fried' nimmer in unserm Hans ist. Verzehren thut ihn noch dieser Haß — weil er ihn unterdrücken muß!" meinte die Bäuerin ärgerlich. „Schau nur, wie der innere Grimm an ihm nagt, wie blaß er ihn g'macht hat!" „Keine Idee!" rief das Weiblein nach kurzer Prüfung „D' Lieb' ist's zum Reserl! Ja!" dabei legte es seinen Mund in so kuriose Falten, daß man nicht recht wußte, ob es lächle oder weine. „Glaubst?" fragte die Bäuerin schnell beruhigt. „Na, zu drei König ist die Verlobung. Er muß sich schon noch das Bisserl gedulden. Aber schau ihn nur recht genau an. Heut' besonders kommt er mir so butterfarbig vor." Das Weiblein, um nicht merken zu lassen, daß von dem Sepp gesprochen wurde, schaute erst nach dem Tisch hinüber, an dem das Gesinde leise plaudernd fleißig arbeitete, in die Ecke, in der das Käthchen ganz allein saß, auf die „schöne Melusine von Aflenz", die über das Zuschauen das Stricken ganz vergaß, dann lenkte es seinen, Blick links nach dem Schreibtisch, an dem der Bauer qualmte und schrieb, den Sepp faßte es zuletzt, aber sehr scharf ins Auge. Wunderliches, wenn nicht gar ein großes Unglück mußte das Weiblein in seinem Gesichte und in seinem Blicke, dessen Ziel es ganz unverfänglich verfolgte, gelesen haben, weil es auf das wiederholte: „Was denkst denn?" der Bäuerin stumm wie ein Karpfen blieb. Es that dann gar, als hätte es die Frage nicht gehört. Zum Fenster hinaus blickte es, erst auf das Tänzeln der leichten Schneeflocken vor den Fensterscheiben, wobei es die Wildschützen herzlich bedauerte, da „bei solchen Schnee- gestäub'n der Jager die verschiedenen Hatschen im Schnee gar so leicht wieder erkennt," dann ließ es über die ganze schneebedeckte Landschaft langsam seinen Blick schweifen, bis etwas am Fuße des die Ebene umgrenzenden Gebirges seine Aufmerksamkeit zufesselnschien. „Richtig!" rief das Weiblein plötzlich aus, nachdem es einige Secunden laug scharf nach einer, trotz des matten Mondlichtes genug sichtbaren freien Stelle nahe einem Waldessäume geblickt hatte. „Dort schleicht auch schon der Grünrock von einem Jager wie der Fuchs um einen Hühnerhof und forscht nach Fußspuren, die etwa vom Dorf aus dem Walde zuführen." „Der Jager!" rief Reserl freudig aus. „Schau, das erinnert mich an eine G'schicht', die ich Euch verzähl'n möcht." „Eine G'schicht'!" kam es wie ein Jubelruf aus dem Munde des Weiblein, und „eine G'schicht'!" wiederholten fast Alle im Chore. Das wirkte besser als der beste Wachholdcr oder Enzian." „Eine G'schicht'!" das war an de» langen Winterabenden das Erfreulichste, was das Gesinde hören konnte. IN froher Erwartung blickte Jeder auf das Reserl und sogar der Bauer drehte sich an seinen: Schreibtisch um und war! über die Hornbrille hinweg einen freundlichen Blick auf seine zukünftige Schwiegertochter, der ihr für denVorsatz, durch das Erzählen einer Geschichte seine Leute munter und bei froher Laune zu erhalten, feinen herzlichen Dank ausdrücken sollte. Während Aller Augen an den Lippen des Reserl gleichsam hingen, hielt es das Bettelweiblein für gerathen, die allg^ meine freudige Erregung nicht unbenützt vorübergehen zu lassen, zumal es gar^ gerne geraucht hätte, aber leider keinen । Tabak besaß. Schnell erhob es sich voN dem Kanapee und- trippelte wie ein HuhN durch die Stube bis zum Sepp, vor de>N es stehen blieb, sich niederduckte und unter seinem, einem kleinen Wagenrad ähnlichen Hut einige Augenblicke »^ freundlich lächelnd, ohne ein Wort zN sprechen, zu ihm emporschaute. Bald hatte es erreicht, was es vorerst wollte Sepp's hübscher Mund verzog sich zN einem Lächeln und freundlich war sein Blick, der auf dem vor ihm stehenden Weiblein ruhte, .da führte dieses schnei' die kleine Pfeife, die cs bisher in seinen 43 ist mein Sepp auch wieder freundlich und heiter — sein Herz war sonstens immer gut." „Das beste ist's!" betheuerte das Weiblein. „Aber die G'schicht!" „Richtig! Stad seid'sAlle miteinand!" gebot die Bäuerin. „Reserl, fang an.. Fragen möcht' ich nur iioch schnell — ist's etwas von der Blumen- oder von der Waldsee? Oder vom schwarz'n See eppa mit dein darin versunk'nen Schloß?" „Nicht viel b'sonders Schönes ist daran", versetzte das Reserl. „Schon der Leut' wegen, die dabei vorkommen." „Der Leut' wegeu? Keine Geister und Feen kommen d'reiii vor? Nicht einmal ein Zwerg?" fragte die Bäuerin gedehnten Tones, wobei auf ihrem wie auf dem Antlitze eines jeden sich die bitterste Enttäuschung malte. „Vor tausend Jahren aber", fragte sie schnell wieder hostend, „sind dieselbigen Leut' g'weseu, wie?" „Na", erwiderte das Reserl kleinlaut. „Sie leben jetzt noch — unter uns. — im Dorf." „So so! Ja, weiiu's nicht anderschta ist, mir ist's halt auch recht. Nun erzähl'' nur in Gott's Namen!" sagte die Bäuerin- resignirt. Und das Reserl begann: „Die- Marienkapelle auf dem Büglberg wird wohl euch Alle» bekannt sein, wie?" Ebenso, daß sie von hier eine Halbe- Stunde entfernt im Gebirge steht und. ein Schneckenweg zn ihr emporführt?' Nun gut. Vergaugeuen Sonntag mahnte mich merkwürdiger Weise immerfort eine iuncre Stimme diese Kapelle zu besuchen, und da das schön und trocken war,, machte ich mich auch auf den Weg; dorthin. „Zwar bin ich keine Freundin derlei Touren," gestand das Reserl offenherzig, „ein Beweis dafür, daß ich die zwei Stunden von hier aber sehr schön etwas seitwärts der Landstraß' im Tannenwald' stehende Josephskapelle erst ein einziges Mal und zwar vor etwa fünfJahren Händen auf dem Rücken verborgen hielt, vor seine Augen und mit dem Finger Mies es aus den vollen Tabaksbeutel, den er an seiner Hüfte hängen hatte. „Da Mutterl!" sagte Sepp, herzlich auflachend, indem er den gefülltenTabaks- beutel dem Weiblein an die Brust unter d>e halbgeöffnete Lodenjoppe, die es cm- Mtte, schob. „Behalt' ihn, er g'hört dir! Der Tausend!" rief er daun scherzend, wobei er die durch den Tabaksbeutel erhaben gewordene Stelle musterte. »Jetzt bist du auf einmal gar kein öwidre Dirn' 'word'n." „Ei, vor etliche dreißig unb vierzig ^ahrln!" rief das Weib seelenverguugt °us. „Dunder und Blitz! War i a Madl! Bäu'rin? Wir hab'n uns ja g'nua Osi 'troffen am Tanzbod'n — und eifer- wdjti’ war'n wir ja auf cinaud', schwant's recht, a!" rief es kicherud und schickte stch an, wie es Leute ihres Alters und !£ ähnlichen Verhältnissen lebend zu lieben, recht viel von seiner Jugend- c, Zu erzähle», wo es noch „reich und Usch" war, das erstere allerdings nur Hoffnungen, wie sie der Jugend eigen und — allein, die G'schicht! „ »Die G'schicht' der Reserl ist früher U der Reih'!" riefen einige, und das ^riblei», gewohnt, sich in Alles zu ugen, bedankte sich schön bei dem Sepv lstr den erhaltenen Tabak, was ihn: noch ch Stückchen Fenerschwamm cintrug und L'ppelte wieder dem Kanapee zu, um 3 hier vorerst das Pfeifchen zu stopfen < Nd dabei die Herzensgüte des Sepp w en Himmel emporzuheben. ^ »Ach ja", sagte die Bäuerin gerührt, L ihr die Freundlichkeit des Sepp gegen . ? Bettelweiberl wohlthat. „^mmer n,'^ w mir ein guter Sohn bleiben und ?^ lieben und ehren. Jetzt freilich," sie schnell ärgerlich geworden fort, " .M) ein halbes Jahr war er stets .-Urrjsch und grandig — des verflixten harzen Nickels wegen. Gottlob, daß ^ bald ihre Siebensachen packt und ist e nur erst wo der Pfeffer ivächst, dann
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