Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1889

40 41 Sie lächelte ihn an — das erste Lächeln vielleicht, das die Aflenzer an ihr sahen, wobei Sepp Gelegenheit fand, den Zorn und die Verachtung seines Blickes auch ans ihre Reihen tadellos schöner Zähne zu schleudern — daun sagte sie zu ihm mit einer bei ihrem für gewöhnlich ernsten und trotzigen Wesen überraschenden Freundlichkeit: „Guten Morgen —" und indem sie einen unbeschreiblichen Ku ix vor ihm gemacht, fügte sie nach kurzer Pause und nun mit ziemlich erstem Tone und so laut, daß es Jedermann hören konnte, das Wort: „Bauer" hinzu. Nun war es zwar üblich, daß das Gesinde seinen Brodherrn, den Banernhof- besitzer, einfach „Bauer" benannte, und ganz in der Ordnung fanden es auch die Aflenzer, daß das Käthchen dem Bernhardhoferben jenen Titel beilegte, allein Sepp zeigte sich darüber nichts weniger als geschmeichelt und zufrieden. Er, der drei Jahre iu der Welt war, wußte recht gut, daß man diesem Worte auch noch einen anderen eben nicht sehr schmeichelhaften Sinn unterschieben kaun, und in dem letzteren faßte er denn auch dies von dem Käthchen so eigenthümlich betonte „Bauer" auf, was jedenfalls in den Augen der kleinen Boshaften ein Beweis seiner scharfen Auffassungsgabe gewesen sein dürfte. Kaum hatte er deu Knix gesehen und das „Bauer" ver- nommen, übergoß sein Gesicht bis zu den Schläfen empor eine dunkle Röthe, die Züge entstellte der Zorn im Augenblicke bis zur Unkenntlichkeit und die Reitpeitsche in seiner Hand bebte und schwirrte dann in der Luft und Niemand, der ihn nun sah, Hütte sich dafür verbürgt, daß nicht irgend ein stämmiger ■ Bauer den Prügeljungen für das Käthchen hätte abgeben müssen, wenn nicht zur rechten Zeit noch in die allgemeine Verblüffung und Verwirrung und mitten in deu Menschenhaufen hinein ein elegantes leichtes Gefährte schnell wie eine abgeschossene Kugel gefahren wäre. Ungesehen von Allen und unhörbar säst in dem fußhohen weißen Staube der souuverbraunten Straße näherte sich das leichte Fuhrwerk dem Menschenknäuel, und erst als die feurigen Rappen die Rücken der Bauern nahezu berührt hatten, stob Attes unter Schreien und Heulen auseinander. Flüche, Hilferufe und Namen diverser Heiliger, die in diesem Augenblicke schrecklicher Panik Eines das Andere übertönte, verstummten im nächsten plötzlich vor dem neuen be- stürzendeu Ereigniß, das sich unter den unbeweglichen, der Form nach Halbkugeln gleichenden Augen der obschon an Zauberei, jedoch au derlei Wechselfälle gar nicht gewohnten Dörfler und derart schnell abspielte, daß die Meisten von ihnen gewiß lange nach Beendigung dieser kurzen Scene erst ihren Anfang zu sehe« hofften. Im Nu den kurz vorher erst wie die Windsbraut daherstürmenden Wagen stehen, aus seinem Fonds eine reizende junge Dame sich herausbeugen zu sehen, wie das Wildkath'l, diese Dirne, diese schnippische, hochmüthige, die gar nicht aus dem Dorfe gebürtig war, im Putz und mit der Grazie eines Edelfräuleins in den Wagen und an die Seite der Dame hüpfte und wie das Gefährt sofort wieder pfeilschnell davonfährt, ja das war aber auch ganz und gar darnach, den Blutlaus der Zuschauer stracks zu hemmen und ihr Begriffsvermögen nicht wenig zu verwirren. Anstalten hätte man treffen können, um mit Büchsenkartätschen unter die Bauern zu schießen, keiner der auf dein Marktplatze Anwesenden wäre im Verlause der ersten Minuten nach Abfahrt des Wagens im Stande gewesen, auch nur durch einen Schritt der Todesgefahr zu entgehe». Ein Jeder stand einer Bildsäule gleich uud Sepp überdies bleich wie eine Leiche. Alles Blut mußte ihm jäh zu Herzen geschossen sein, um aber bald wieder heftiger als zuvor iu seinen Schläfen zu zehn Pfarreien will ich Messen lesen lassen, wenn's Dreikönigsfest glücklich da und 'rum ist und die Dirn' draußen." Das Bettelweib hörte Alles hübsch ruhig au und verrieth seine eigenen Gedanken mit keine:» Wörtchen. Erst als die Bäuerin eine Panse eintreten ließ, fragte es langsam und bedächtig: „Und wie ist es denn mit der Eglipasch?" „Die, ja die gehörte deu Werner'schen Leut', die unten im Thalweg den Eisen- hammer haben. Wer hätte aber auch gedacht, daß die stolze schöne Frau Werner, die unsereins niemals sieht, selbst wenn »ran ihr Näschen berühren würde, einer Magd als Firmpathe stehen wird! Und wie schlan es das Kathl an- gezcttclt hat! Kein Mensch wußte ein Wort davon, was sie für eine vornehme G'vatterschaft hat, ich hätt' sonstens, wie es, glaub ich, auch meine g'heime Absicht war, die Obermagd mit ihr nach Graz zur Firmung g'schickt. Tags vorher, spät ain Abend, bat sie den Bauer um Urlaub auf einen Tag, und am Pfingstsonntag zeitlich Früh stand sie schon vor mir, aufgeputzt wie eine Stadtfräul'n, hämmern. Die Ausfälle der Alten über. das Wildkath'l und das Munkeln von Zauberei uud Betrug hörte er eben so wenig, wie er die schadenfrohen Gesichter der Burschen und Dirnen sah, nur die Magd seines Vaters, wie sie ihm süß lächelnd das spöttische „Guten Morgen Bauer!" zurief, stand unausgesetzt vor feinen Augen. Zehn unbezahlte Ohrfeigen, von Mänuerhand empfangen, hätten den Sepp vicht so sehr gewurmt, wie dieser maliciöse Knix und das Wörtchen „Bauer" uud erklärlich daher, daß er wuthentbrannt mit großen Schritten dem Bernhardhof feilte und hier angelangt gebot, daß hochmüthige, unausstehliche Dirne wfort aus dem Dienste entlassen werde, wofern inan nicht stündlich das größte Unglück erwarten wolle. Doch als ver- "unftiger Mensch ließ er sich nach Em- chang der bereits erwähnten Ohrfeige durch die Thränen und Bitten der Mutter ^weiche» uud beschwichtige:: und ihr zu ^l>e nur schob er seinen Haß gegen die ^cigd iu die verborgenste Falte seines Innern, der aber immer und immer wieder, w oft er seit jenem Tage dieser Dirne, w ihn so tödtlich beleidigt, ansichtig durde, wild aufbäumte und trotz der Srzen, die unausgesetzt, wie doch der 'Den- Pfarrer versicherte, unter dem f^nadenbilde in der Kirche brannten, das schlimmste befürchten ließ. » C'^' wenn ich sie nur erst aus Hof ud Dorf für immer gehen sehe:: würd'!" bufzte zu wiederholten Malen die Bäuerin, nachdem sie die von dein Käthchen began- ,p”e’1 Schreckenthaten nach Art der Aflen- dem Bettelweiberl mit leiser Stimme Suhlt hatte. „Und glaubst", fügte d:e ^uuer-n bei, „daß er sich überwinden Ä. "ut ihr ein Wort zu reden? Nicht ^°gl:ch! Seit Pfingsten schon. So tief Urzeit sein Haß. Ich seh' es deutlich, spi?" kr au ihr vorüber geht; oa w:rd k,? Gesicht plötzlich roth wie ein Hahnen- „ "sA und beuteln thnt's ihn, als stünd ---- -------- --------- —,~ ..... .....~ eme junge Birk' im Wind. Na — in I beleidigt hat und daß seitdem Ruh' und daß ich sie erst 'rum und 'rum dreheu mußt', um sie zu erkennen". „Und's Kleid und 's goldene Kreuz?" „Und die Schuh und das Gebetbuch und Alles, was an ihr g'hännt hat, hat sie als Firmgeschenk bekommen von dieser — schönen Frau Werner. Weiß Gott, wie die für solche Sachen zu dem Geld kommt! Nicht recht, glaub' ich, daß auf g'raden Wegen, denn gottlos ist sie — in der Kirch' sieht man sie nur, wenn sie ein k neues Kleid hat. Aber wie ich sag', uns Allen und besonders mir zum Aerger ist sie dem kecken Ding als Pathir. 'gangen. G'wiß ist es, daß die Dirn' seit Pfingsten hochmüthiger ist als je und daß sie durch die Eglipasch und die geschenkten Sachen ang'schwollen wie ein Molch den Sepp — wie, weiß ich aber nicht recht g'nau, denn er selbst spricht kein Wort davon — aufs infamste

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