38 Der Sepp war drei Jahre lang auf einer Wirthschaft, zehn volle Stunden weit von seinen! Heimatsdorf Aflenz entfernt, „damit er auch die Welt und d'Leut kennen lernt," und als er ans den Bernhardhof wieder zurückgekehrt war, erblickte er zum ersten Male das kleine, zierliche, nur mit eiueni ärmlichen Leinwandkittelchen bekleidete Käthchen und eben, als es damit beschäftigt war, sein unversehens sich aufgelöstes Haar wieder in Ordnung zu bringen. Selbstverständlich hatte er als Erbe des Bernhardhofes ein Recht, eine in den Diensten seines Vaters stehende Dirne nach Namen und das Woher zu fragen und er that dies auch und recht umständlich, wobei er auch nicht unterließ, die Physiognomie der Befragten scharf zu fixiren, vielleicht, um darin etwaige schlimme Laster, wenn nicht gar Anschläge auf sein Leben zu erforschen. Und so erfuhr er denn, daß das Käthchen ganz allein ohne Verwandte und Freunde in der Welt stehe, daß vor einem halben Jahre, wo sie durch den Tod ihres Vaters zu einer Waise wurde, von einem Gebirgsdorfe ihrer Heimat hieher kam und auf dem Bernhardhof in Dienst ausgenommen wurde, dabei aber — das behauptete Sepp immer und nie ohne Ingrimm — machte er sofort die Bemerkung, daß diese arme Waise ein recht schnippisches Ding ist, die ihm erst mit ihren großen schwarzen Augen dreist, ja herausfordernd ins Gesicht sah, dann sich jede Antwort, und wäre sie noch zehnmal strenger als es der Fall war gefordert worden, gleichsam herauspressen ließ, und da kam sie scharf und schneidig, als wäre jedes Wort ein abgeschossener Pfeil. So etwas von einer Magd ihm gegenüber hätte der Sepp bisher für unmöglich gehalten, denn er lebte durchaus nicht in der Unwissenheit seiner hübschen kräftigen Gestalt, seines einnehmenden Gesichtes und des langen blonden Schnurrbarts, der sich kräuselte ganz nach Sepp's Belieben. Ihre Antworten kamen ihm, je mehr er darüber nachdachte, desto beleidigender, giftiger vor. Hohn und Spott fand er dann auch darin und recht glaubte er sich erinnern zu können, daß um ihre Lippen wiederholt ein verächtliches Lächeln zuckte. In Augenblicken, tvo seine belei- ' digende Eitelkeit gar zu ungestüm nach Rache schnob und tobte, würde diese kecke Person auf der Stelle seine Faust haben fühlen müssen, wenn sie nämlich ein Mann gewesen wäre. Und nicht an diesem einzigen Aerger. Täglich fand oder, besser gesagt, suchte er Gelegenheit, ihn zn nähren nnd schon nach achttägiger Anwesenheit auf dem Bernhardhof war sein Zorn gegen die schnippische Magd derart angeschwollen, daß er drohte, selbst fortzugehen, wenn sie nicht entlassen werde. Am nächsten Tage aber — es war Pfingstmontag — sollte der" Sepp und alle Dorfbewohner von dem Käthchen eine kleine Genugthuung für erlittene Unbill haben —■ man erwartete dies nämlich sicher nnd freudig. In aller Frühe schon dieses Tages bewegten sich geputzte Dirnen durch das Dorf, die mit ihren Pathen nach Graz zur Firmung abzufahren gedachten. Das Käthchen wäre auch unter den Firmlingen gewesen, wenn es nicht Jeder ans dem Dorfe, den cs bat, sein Pathe zu sein, abgewiesen hätte, und auf das hin beabsichtigte man nun, wenn man der Kleinen ans dein Bernhardhof ansichtig werde, sie recht zu necken und zu ärgern, namentlich die Burschen des Orts, die alle von ihr kurz nnd schneidig, just wie der Sepp abgetrumpft wurden, gedachten es ihr und in keineswegs zarter Weise beizubringen, daß nun doch nicht an das Heiraten mit dem Prinzen, den sie für sich erwartet, gedacht werden kann, da sie nicht gefirmt ist. In freudiger Erwartung des schwarzen Unholdes spazierten Alle vom Dorfe zum Bernhardhof und wieder zurück. Da, plötzlich als . fast sämmtliche Ortsbewohner auf dem Marktplatze des 39 gesteckte Centifolie bei jedem Athemzuge dieses Geschöpfes, das weder Kind noch Jungfrau war, wie liebestrunken bebte, und erst die dicken schwarzen Haarflechten, die ans dem Hinterkopfe hoch anftoupirt von einem Silberkamme zusammengehalten waren und die das kleine Wesen um einen halben Schuh fast höher erscheinen ließen, 's Wildkath'l sollte es sein! Es war ja rein zum Verstandverlieren. Dieses schöne, seine, weiße Gesicht, die schwarzen glänzenden Augen nnd der Mund so klein und roth wie eine Königinkirsche wären Eigenthum der von irgendwo aus dem Gebirg dahergelaufenen Betteldirn'? Und seit wann gehörte ihr dies Alles? Man sah es ja niemals an ihr! Und das Kleid von weißem feinen Mousselin und die weißen Taffetbänder darauf, die Puffen nnd Spitzen und das goldene Kreuz und die purpurfarbene Perlenschnur und das kostbare Gebetbuch — — „Herrje! Nachbar!" schien Einer den Andern zn fragen, „seid Ihr der Esel oder bin ich's? Ist denn die vor uns derselbe kleine Knirps aus dem Bernhard- hof?"^ Ah! — Ein lautes Wort konnte Dorfes versammelt waren, gewahrten Einige eine weiße, elfengleiche Gestalt vom Bernhardhof langsam dem Dorf- platze zuschreiten. Wer mag das sein? ging es fragend von Mund zu Mund und aller Augen spähten derart scharf nach der weißen Gestalt, daß diese ihren feuchten Blicken gewiß bald nur wie ein fonnendurchleuchtetes Wölkchen erschienen fein mußte. Endlich, aber erst als sie mitten unter den Gaffern stand, entfuhr gleichzeitig einem Dutzend Kehlen der Ausruf: „'s Wildkath'l!" und derart, uls läge in dem einzigen Worte eine Welt voll Schrecken und Entsetzen. Und in demselben Augenblicke, kam von der entgegengesetzten Seite des Dorfes ^epp, der junge Bauern- sohn, von seinem gewöhnlichen Morgenausflug, einem benachbarten See, wohin er täglich baden ging, zurück. Er, wie alle Dorfbe- Mohner blickten sprachlos vor Staunen ans das Wesen Ul ihrer Mitte, an dem Alles Allen nicht anders fvie ein Spuk zu sein schien. Ein Blick nur auf aen mit feinen Stiefletten bekleideten Fuß dieses aus ben Wolken gefallenen grollen kleinen Aergernisses zog die Mänler Aller ans und streckte ihre Gesichter zu elner bedenklichen Länge. Was war dies aber auch? Etwa ein unß und etwa der eines sechzehnjährigen rechtschaffenen Steirermädels? Ein Kind ^on acht Jahren hätte sich seiner Mr geschämt. Eine Mißgeburt war s wenn nicht Zauberei! Und diese Taille! ^epp mit seinen großen Händen hätte sie wie mit einem Ring umschließen können. Und die vollen runden Arme Mit den daranhängenden Händchen, der sippige etwas entblößte Busen, an dem ^ zwischen das Kleid und den Busen gleichwohl keiner der Anwesenden über seine Lippen bringen, doch Sepp allein schien cs zu können oder es zu wollen, wenigstens drängte er sich vor und — vielleicht damit seine Worte eine vernichtendere Wirkung ausübten — maß er vorläufig nur stillschweigend die Magd seines Vaters von ihrer orangeduftenden schwar- zen Haarfülle an bis zu dem winzigen Fuße hinab, während dem sich auf seinen blaßgewordenen Lippen die schneidigsten Worte zu sammeln schienen. Das Käthchen aber, das ihn erst jetzt bemerkt haben wollte, vereitelte schnell die Ausführung seines muthmaßlich geahnten Vorhabens..
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2