Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1889

36 der ausbedungenen Dienstzeit zu entlassen. „Am letzten Dreikönigsfest", sagte der Bauer, einige Tage nach Ertheilung der Ohrfeige, „wurde das Kath'l in den Dienst ausgenommen, an dem nächsten Dreikönigsfest kann sie wieder gehen — keinen Tag früher." Und alles Weinen und Bitten der Bäuerin, ihrem Sepp den widerlichen Anblick dieser Dirne, die im Hof doch zu nichts taugt, zu entziehen, fruchtete wenig. „Für zwei der anderen Mägde, dieser watschelnden Fleischklumpen, verrichtet 's Kathl Arbeit", meinte dermal der Bauer, „und wenn ich sie entlasse, so thue ich es nur des Hausfriedens wegen, aber gerne sehe ich sie nicht von hier fortgehen." Auf diesen Bescheid hin hatte die Bäuerin mit Bitten allerdings anfgehört, da sie wohl wußte, daß bei den Grundsätzen ihres Mannes Alles vergebens bliebe, aber gezittert hat sie vor Angst bei Tag und Nacht. Mord und Todtschlag konnte ja stündlich im Bernhardhof vorkommen,' so lange dieses tückische Geschöpf darin sein aufgeworfenes Näschen trug. Der Herr Pfarrer fürchtete es auch, gar dann, wenn ihm die Bäuerin von der „Hitz" des Sepp, der „übrigens sonderns lamperlfromm" ist, erzählte; doch entließ er niemals die besorgte Mutter ohne kräftigen Trost und die Hoffnung für das Beste. Alles liegt in Gottes Hand! war der Text seiner Ermunterungen, und das dachte die Bäuerin so nach und nach auch und allmählich wurde sie ruhiger, zumal ja die schweren Wachskerzen, die sie allwöchentlich ganz im Geheimen in die Kirche trug, unausgesetzt, wie der Herr Pfarrer versicherte, unter dem Gnadenbilde in der Kirche brannten. Und so verstrich ein Monat nach dem anderen, ohne daß das gefürchtete, schreckliche Unglück eingetreten wäre, und nun stand Weihnachten vor der Thüre und gleich dahinter das Dreikönigsfest und an diesem mußte das „Wildkath'l", dieses personisicirte Unglück für den Bernhardhof, hinaus aus ihm, hinaus aus dem Dorf — für immer und ewig! ! „Ja, wenn ich sie nur schon fort- gehcn sähe!" war der stündliche Stoß- ' seufzer der Bäuerin, und auch au jenem j Abend, an dem alle Bewohner des Hofes in der großen Stube thätig waren, raunte sie ihn ihrer Nachbarin, einem Bettel- weiberl, zu. „Und schau", fügte sie noch klagend bei, „zu einem Reishalm hat mich die ewige Angst auch schon g'macht!" ! Das Bettelweiberl, ein zaundürres, kleines Mütterchen, mit spitzem Gesicht und lebhaften Augen, „das ihr Alter just nicht recht g'nau auf d'Stund sagen kann, aber so zwischen sechzig und siebenzig ist's g'wiß", wollte gerne bis über Weihnachten hinaus auf dem Bernhardhof bleiben. — Die Wege und Stege im schönen Steiererlandl sind ja im Winter vor Schnee kaum zu finden und „das nächste Dorf da wirft ma vom letzt'» an nöt mit oan Stoau". Im Sommer bleibt das Bettelweiberl nur einen Tag und die darauffolgende Nacht auf einem ! Bauernhof, den nächsten Morgen wackelt es mit seinem ganzen Reichthum, den es in einem Korb auf dein Rücken trägt, wieder weiter. Oft aber muß es auch im Winter trotz der schlechten Wege dasselbe thun, und so wackelt es jahraus, jahrein durch's Landl, von Dorf zu Dorf, von einem Gönner zuiu anderen, und gewiß wackelt es so lange, bis cs sich endlich „a ganz a klan's Häuserl", ein anderes aber als es sein höchster Wunsch war, erwackelt hat, worin es ins Ausgeding bleiben kann — für immer. Kommt das Bettelweiberl zur Winterszeit auf ein Bauerngut, wie es der Beruhardhof ist, da wandert es, wenn die Herrenleute nur ein wenig freundlich mit ihm sind, recht ungern wieder fort- Es bietet all' seine Schlauheit, allen Humor auf, der bei ihn: immer rosenfarben sein muß, es kramt alle Reuig- ; feiten aus, nur um sich bei den Bewoh- | nern des Gutes beliebt zu machen, und daß es leichteres auch wacker mitarbeiten hilft, ist selbstverständlich. Und gar flink geht ihm manches von der Hand. Während die Bäuerin die auf ihrem Schooße liegende Schwinge kaun: zur Hälfte erst mit Bohnen, die sie ihrer Hülsen befreite, gefüllt hat, leerte das Weiblein die seine fdjon zum zweiten Male. Seine Finger rasteten keinen Augenblick, ob- lchon es auf jedes Wort, das die Bäuerin zu ihm sprach, sehr Acht gab und sich pantomimisch erfreute oder entsetzte oder verwunderte, je nachdem es glaubte im Sinne der Bäuerin zu handeln, erst als die letztere klagte, daß sie »die Angst zu einem Reishalm gemacht hat", fielen die Hände des Weiberl blei- fchwer auf die Bohnen nieder und seine schwarzen Aeugelein guckten wie starr ^vr Verwunderung unter dem breit- krämpigen Hute, den es des stechenden »Petr-Oliumlichtes, das gar su anderscht Mie's Oel brennt", aufbehielt, nach dem gutmüthigen Vollmondgesicht der Bäuerin "- jedoch nur wenige Augenblicke. Es Mollte ja bis über Weihnachten hinaus auf dem Bernhardhof bleiben und da Mußte es schon, wenn es der Erreichung feiner Absicht dienlich war, die klafter- dreite Bäuerin sür einen Reishalm an- 'khen. Es rückte nur noch ein wenig aus deni Endchen des großen und bunt ge- mümten Divans, das die Körperfülle der Bäuerin neben sich für's Weiberl frei ^.eß, dann sagte es, nachdem es noch Ewiges'Mitleid in sein von tausenden "einer Falten, kreuz und quer durch- rogenes Gesicht zu legen versucht hatte: "^a, Bäu'rin, z'sammeng'fallen bist a ^Ltschaff'nes Bisserl. Aber" - rief es plötzlich wie erschrocken über seine Lüge T „was hat denn das sakrisch' Mad l Deutlich 'than? Es sieht ja fähig aus ^)e ci Spiuawet'n und kann all'weil erst laufzehn Jahrln zähln? ^.. „Was 'thau hat?" wiederholte die Bäuerin und Staunen und Verwunderung über diese Frage schien sie an allen 37 Gliedern gelähmt zu haben, „'s Bilsenkraut?!" schrie sie nach kurzer Pause in einem Tone, als wandere sie sich über alle. Maßen darüber, daß man von 's Bilsenkraut sprechen und noch fragen könne, „was 'thau hat?" „I, dies Dunderding! So schlecht is'?" versetzte schnell das Weiberl und staunend, wie wenn es eine Anzahl der schwersten von dem Käthcheu begangenen Verbrechen vernommen hätte. Die Bäuerin hob ihre Hände über den Kopf, faltete sie und streckte sie mit einem jähen Ruck gegen das Weiblein aus. „Nicht zum sag'n!" raunte sie ihm unter die breite Hutkrempe, wobei sie scheue Blicke nach der Stubenecke warf, als fürchtete sie, von dem dort sitzenden Wildkathl gehört zu werden. Der Bäuerin ging es eben nicht besser als jedem der Dorfbewohner, wenn er plötzlich nach der Ursache des allgemeinen Hasses und der Verachtung gegen das Käthchen gefragt wurde. Im ersten Augenblicke ganz verblüfft durch die Frage, wußte man dann mit flinker Zunge Gräuelthaten von ihm zu erzähle», GräUelthaten, die auf jeden Fremden allerdings recht erheiternd wirken mußten, zumal alle von dieser Sünderin begangenen Verbrechen auf die absonderliche Laune der Natur hinaus- liefeu, die das Käthchen sowohl in körperlicher wie auch in geistiger Bildung ganz und gar verschieden von den übrigen Dirnen des Ortes, ja vielleicht zu einer vollkommenen Ausnahme unter den steirischen Landmädchen, „die zwar nicht viel im Kopfe haben, aber eine Gestalt, die man wahrlich nicht wie Eiderdunen wegblasen kann", geschaffen hat. Anders freilich verhielt sich die Sache mit dem tödtlicheu Hasse, den Sepp gegen das Käthchen hegte. Jeder Unparteiische hätte gestehen müssen, daß nach dem, was diese Dirne dem Sepp angethan, sein Gefühl noch immer nicht das schlimmste ist. Dafür als kleiner Beweis Nachstehendes:

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