Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1889

18 vielleicht in Jahrhunderten nicht wiederholen wird. Am 24. April 1879 fand die Trauung in der Votivkirche, welche bei dieser Gelegenheit eingeweiht wurde, statt. Der Kaiser inaugurirte diese Jubelfeier mit einer ausgedehnten Amnestie, den Armen Wiens wurden 10.000 fl. gespendet und eine große Menge andere Wohlthätigkeitsacte geübt. Obwohl der Kaiser den Wunsch geäußert hatte, daß glänzende, öffentliche Huldigungsacte vermiedenwerdenmöchten, konnte er' mit Berücksichtigung der nothleidenden Gewerbe, welchen sonst ein lohnender Verdienst entgangen wäre, dem Andrängen der Bürgerschaft nicht widerstehen, und so wurde die Abhaltung eines Festzuges beschlossen, der einzig in seiner Art das Erstaunen von ganz Europa erregte und wohl unvergänglich im Herzen der Wiener Bevölkerung fortleben wird. Nach Schluß dieser großartigen Huldigungsacte richtete der Monarch ein Manifest an seine Völker, in welchem folgende Worte wieder für das tiefe Gemüth, das edle Herz unseres Kaisers Zeugniß ablegen:' „Ich bin stolz und glücklich zugleich, Völker, wie sie dieses Reich umfaßt, als Meine große Familie betrachten zu können. Nie wird die dankbare Erinnerung an diese Tage aus Unserem Herzen scheiden- Nur Wenigen von Millionen konnten wir Unseren Dank mündlich aussprechen; er sei nun allgemein verkündet!" Welch ein Abstand in der Sprache früherer Herrscher gegen diese goldenen Worte! Selbst der Volkskaiser Josef II. hat niemals auf solche Weise mit seinen Unterthanen gesprochen. Die am 10. Mai 1881 in Wien vollzogene Vermählung des Kronprinzen Rudolf mit Prinzessin Stephanie, der Tochter Leopold II. von Belgien, erhöhte das Familienglück des kaiserlichen Hauses. Diese liebenswürdige Fürstin hat sich die Herzen der Wiener Bevölkerung gleichsam im Sturme erobert und der 2. September 1883, an welchem sie ihren erlauchten Gemal mit der Prinzessin Elisabeth beschenkte, wurde in Wien zum allgemeinen Festtag. Nachdem der Kaiser sein Bündniß mit Deutschland geschlossen, trachtete er den europäischen Frieden ans eine sichere Grundlage zu stellen und begab sich am 14. September 1884 uach Skiernewicze, wo die denkwürdige Zusammenkunft mit dem russischen und deutschen Kaiser stattfand. Trotz des freundschaftlichen Meinungsaustausches, der zwischen diesen Monarchen stattgefunden haben mag, und trotzdem in den Augusttagen vom 23. bis 26. des Jahres 1885 in Kremsier eine abermalige Entrevue des russischen mit unserem Kaiser stattfand, blieben die diplomatischen Beziehungen der Cabinete gespannt. Rußland konnte den Verlust seines Einflusses iu deu Balkanstaaten nicht verschmerzen, und Fürst Alexander von Bulgarien war nicht gewillt, das türkische Joch mit dem russischen zu vertauschen. Er schritt zu der kühnen That den türkischen Gouverneur von Ostrume- lien am 18. September 1885 einfach davonzujagen und vereinigte diese Provinz mit seinem Reich. In dem daraus erfolg- teu serbisch-bulgarischen Feldzug bewahrte unser Kaiser große Mäßigung und Weisheit und verhinderte dadurch einen allgemeinen Krieg. Nur als die siegreichen bulgarischen Truppen den serbischen Boden betraten, machte er dem Kampfe ein Ende. Die aufgeregten politischen Ereignisse der danialigen Zeit wurden durch die Zusammenkunft des deutschen Kaisers mit dem unserigen (8. August 1886) in Gastein beschwichtigt. Das bereits geschlossene Bündniß erhielt dadurch seine höhere Weihe und bewährte sich auö) in den. mehr und mehr zu Tage tretenden Aggressivgelüsten Rußlands, die den europäischen Frieden in den letzten JahreN merklich bedrohten. Ohne das deutschösterreichische Bündniß, dem auch Italien als dritte Großmacht beitrat, würde bereits die Kriegsfurie in ganz Europa toben. Leider legt dieserbewaffnete Frieden der Steuerkraft des österreichisch-ungarischen Volkes fast unerschwingliche Lasten auf und das edle Herz unseres Kaisers Mag oft genug schmerzlich berührt worden sein ob dieser gesteigerten Anforderungen. In den jüngstverflossenen Jahren seiner Regierungsthätigkeit war es Sr. Majestät vergönntsich Werken des Die kronprinzliche Familie. siedens und der Anerkennung dahin- Äeschwundener Größen widmen zu können. . So wurde am 24. September 1886 dem Sieger bei Lissa, Admiral Tegett- Mt und am 31. Mai 1887 dem Com- ^uisten der „Schöpfung", Haydn, ein Denkmal gestiftet. Das großartigste Monument der Gegenwart ließ- aber "User Kaiser durch Professor Zumbusch 19 seiner erhabenen Urahne, der großen Maria Theresia errichten. Der Munificenz des Monarchen verdankt die Stadt Wien diese neue Zierde, die in ihrer Art vielleicht in ganz Europa einzig dasteht. Wir könnten mit diesem Act der Pietät unsere Chronik über die 40 Jahre Regierung unseres Kaisers abschließen, dürfen aber doch nicht der Jubiläums- Gewerbeausstellung, welche er am 14. Mai eröffnete und die wiederum aus seiner Initiative hervorging, vergessen. Wenn wir es in diesem biographischen Versuch vermieden haben, nach Art der alten Panegyriker in tiefster Ehrfurcht vor den Thaten ihres Helden zu ersterben, so folgen wir damit gewiß nur den Jnten2*

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